Höchstadt: Comiczeichnerin Sandra Jäger gibt Tipps zum Umgang mit Schmerzen

8.10.2019, 15:41 Uhr
Höchstadt: Comiczeichnerin Sandra Jäger gibt Tipps zum Umgang mit Schmerzen

© Archivfoto: Matthias Kronau

Sandra Jäger ist 46 Jahre alt – und hat bereits eine endlos anmutende Leidensgeschichte hinter sich. Wegen eines Unfalls war eine Operation an einem ihrer Ellenbogen erforderlich. Seither leidet sie unter Morbus Sudeck – einer auch als CRPS bekannten chronischen Schmerzerkrankung. Erschwerend kommt hinzu, dass Sandra Jäger Autistin ist. Ihre Lebensfreude hat sie sich dennoch bewahrt: "Mit Humor lässt sich dem Leben immer viel Schönes abgewinnen. Zu dieser Haltung möchte ich auch andere motivieren."

Gerne beteiligt sie sich deshalb am Gesundheitsjahr. "Ich habe selbst schon viele Angebote genutzt. Zum Beispiel das langsame Qigong im Engelgarten hat mir wirklich geholfen", erklärt Jäger. In der gut besuchten Spitaleria herrscht derweil andächtige Ruhe. Konzentriert verfolgen die Zuhörer den unprätentiösen Umgang Jägers mit ihrem Schicksal.

Medizin, so erläutert die gelernte Fachinformatikerin, sei vergleichbar mit Materialkunde. "Schmerz und Stress sind artverwandt. Sie entstehen dort, wo ein Nerv oder ein Mensch zu lange gebogen oder in eine falsche Form gepresst werden."

Für sie als Autistin stellt das Zusammensein mit anderen Menschen eine große Herausforderung dar. "Dem Stress kann ich aber dadurch begegnen, dass ich ständig Arme und Beine bewege", so Jäger. "Das Problem ist, dass Zappeln von unserer Gesellschaft als störend empfunden wird. Rauchen dagegen ist okay – das finde ich seltsam." Gleichzeitig führe dieser Mechanismus zu Vereinsamung. Wer nicht der Norm entspreche oder unter chronischen Schmerzen leide, verliere in der Regel Freunde und Rückhalt in der Familie. "Das liegt vor allem daran, dass die Kommunikation nicht mehr klappt."

Beispielsweise habe ein behandelnder Arzt ihr einmal gesagt, er sei mit seinem Latein am Ende. Eine Aussage, die Jäger als Autistin wörtlich nehmen musste. "Deshalb gab ich zur Antwort, selbst bereits seit der elften Klasse kein Latein mehr gehabt zu haben." Ein Dialog, der im Zerwürfnis endete, weil beide Seiten sich nicht ernst genommen fühlten.

"Wer einer chronischen Krankheit begegnen will, muss sich deshalb zunächst mit sich selbst befassen", erklärt Jäger. Gleichzeitig beklagt sie, dass sich alle in der Regel nur mit ihrer eigenen Problematik befassen. "Dabei kann vieles auch bei anderen Krankheitsbildern hilfreich sein." Dazu zählt sie etwa die Erkenntnis, andere nicht ändern zu können. "An der eigenen Einstellung lässt sich dagegen sehr wohl arbeiten."

Nicht einigeln

Dazu gehört es aus Jägers Sicht, sich nicht zu Hause einzuigeln. "Für den einen ist es der Besuch einer Selbsthilfegruppe. Für andere das um den Häuserblock Spazieren oder Streicheln von Haustieren." Zur Ablenkung neue Hobbys anzugehen sei dagegen fern jeder Praxis. "Ein Mensch, der unter starken Schmerzen leidet, kann keine Entspannungstechniken lernen", stellt Jäger klar.

Hilfreich sei es aber, sich auf Dinge zurückzubesinnen, die einem früher gutgetan haben. In ihrem Fall sei dies das Zeichnen gewesen. "Inzwischen verarbeite ich einmal oder zweimal in der Woche Erlebnisse und Gefühle in einem Comic."

Protagonistin der Strips ist die "Glaa aus ERH" – ein Selbstbild Jägers. Dem oberflächlichen Betrachter liefert sie Stoff zum Lachen, hintergründig offenbart sie die Denkweise eines Autisten. Zahlreiche dieser Kurzgeschichten können in den nächsten Tagen noch in der Höchstadter Bücherstube besichtigt werden.

Doch auch wer selbst kein Künstler ist, könne mit wenigen Mitteln viel für sein Wohlbefinden tun: "Am Computer den UV-Filter einschalten, auf der Straße einen leichten Gehörschutz tragen oder in der Handtasche einen positiven Duft bereithalten – all das kann viel bewirken", erklärt Jäger.

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