Laienhelfer schenken pflegenden Angehörigen Zeit

19.5.2018, 06:00 Uhr
Laienhelfer schenken pflegenden Angehörigen Zeit

© Foto: David Hecker/dpa

Am ersten Kurs hat seinerzeit auch Ingeborg Schade (64) aus Lonnerstadt teilgenommen. "Ich habe von dem Demenzhelferkurs in der Zeitung gelesen", erzählt Schade. Die 64-Jährige hat ihre eigene Mutter über ein Jahr lang gepflegt, sie hatte zu der Zeit selbst eine Familie mit zwei Kindern und keine Verwandten in der Nähe. "Ich habe mir damals oft gewünscht, dass ich jemanden hätte, der mich unterstützt", erinnert sich Ingeborg Schade. Und das habe dann letztlich den Ausschlag gegeben, anderen in dieser Situation helfen zu wollen.

"Ich hatte also schon ein bisschen Ahnung und auch Zeit", sagt Schade — also meldete sie sich für den Kurs an. "Dort habe ich viel gelernt." An ihren ersten Einsatz erinnert sich Ingeborg Schade noch gut. "Das war eine ältere Dame in Höchstadt. Ich bin mit ihr spazieren gegangen oder habe Spiele gespielt." Der Ehemann hatte in diesen Stunden Zeit für sich. "Der ist dann in die ,Muckibude‘ gegangen", erzählt Schade schmunzelnd.

Denn genau darum geht es: Die Demenzhelfer entlasten die Angehörigen, die sich sonst um den Patienten kümmern, und schenken ihnen sozusagen freie Zeit. Aufgeregt sei sie damals schon gewesen, erinnert sich Schade, "schließlich kommt man da in einen fremden Haushalt zu fremden Leuten".

Kursleiterin Rosi Schmitt bestätigt: "Die Chemie muss stimmen." Das sei die Grundvoraussetzung, damit man Vertrauen aufbauen könne. "Im Idealfall entsteht eine richtige Beziehung."

Das Krankheitsbild verstehen

Diese Erfahrung hat auch Sabina König gemacht. Die 62-jährige Adelsdorferin hat den Demenzhelferkurs vor einigen Jahren zunächst einmal "nur für mich selbst" absolviert. Ihre Mutter war dement, die Schwiegermutter litt an Alzheimer. "Ich bin ganz bewusst auf die Fachstelle für pflegende Angehörige zugegangen, weil ich einfach mehr wissen wollte. Ich wollte das Krankheitsbild verstehen." In den "aktiven Dienst" ist König nach dem Kurs erst mal ein Jahr lang nicht eingestiegen.

"Doch dann habe ich sozusagen die Urlaubsvertretung für eine Freundin übernommen, die eine Dame betreut hat." Dieser Dame habe sie immer vorgelesen und "die hat das richtig aufgesaugt". Sabina König fand Freude und Befriedigung in dem Ehrenamt, also blieb sie dabei. Ingeborg Schade und Sabina König betonen unisono: "Da kommt so viel zurück." Man spüre die Dankbarkeit der betreuten Personen, aber auch der Angehörigen. Das schönste seien Fragen wie "Aber Sie kommen doch wieder?".

Laienhelfer schenken pflegenden Angehörigen Zeit

© Foto: Seitz

Dennoch: Ein solches Ehrenamt kann man nur ausfüllen, wenn man dahinter steht. "Es muss für den Einzelnen passen. Es ist eine anspruchsvolle Tätigkeit und nicht immer schön", weiß Rosi Schmitt. Vor allem Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen seien wichtig. Und das Wissen um die Krankheit. Dafür seien die Kurse da, "das gibt den Demenzhelfern Sicherheit". Dazu dienen auch die regelmäßigen Helfertreffen einmal im Monat. Hier kommen die Helfer miteinander in Kontakt und können sich austauschen. "Da entstehen durchaus Freundschaften", weiß Schade. Und natürlich steht als Ansprechpartnerin bei Problemen auch jederzeit Rosi Schmitt bereit.

Was man noch wissen sollte: Das Ende eines Einsatzes ist in der Regel der Tod der betreuten Person. Damit müsse man umgehen können, so Schmitt. Ingeborg Schade hat damit kein Problem. "Ja, es ist traurig, aber der Tod gehört zum Leben dazu", sagt sie. Sie finde es eher beruhigend, wenn die Menschen "gut versorgt sind und ruhig ihren Weg gehen können". Ganz so leicht abgrenzen kann sich Sabina König nicht. "Ich muss einen Tod erst verarbeiten und brauche dann eine Pause." Auch möchte sie gerne immer nur eine Person auf einmal betreuen. "Ich muss mich schließlich auch um meine Enkelkinder kümmern", sagt sie schmunzelnd. Außerdem engagiere sie sich in Adelsdorf politisch sowie beim Bund Naturschutz. Ingeborg Schade betreut momentan zwei Klienten parallel. Zudem übernimmt sie ehrenamtliche Besuchsdienste bei der Diakonie in Lonnerstadt oder besucht ihren Sohn in Halle sowie Freunde am Bodensee. "Ich bin gerne unter Menschen."

Richtig aufgeblüht

Beide Demenzhelferinnen schwelgen bei dem Gespräch in Erinnerungen. So erzählt Ingeborg Schade von einer Dame, die früher immer gemalt habe. "Bei unseren Treffen musste ich dann malen, und sie hat mich kritisiert", erzählt Schade lachend. "Mir hat das Malen tatsächlich Spaß gemacht, und die Dame ist richtig aufgeblüht."

Oder Sabina König, die mit ihrer Klientin Kuchen gebacken und dafür Zwetschgen entsteint hat: "Da hat sie gestrahlt." Immerhin wollten ja auch die Erkrankten noch am Leben teilhaben. "Wir können und wollen den Menschen nicht mehr ändern, wir sind einfach da", beschreibt König den Dienst der Demenzhelfer. Die Angehörigen seien oft im Alltag gefangen, könnten nicht wirklich auf den Erkrankten eingehen und seien manchmal hilflos. "Wir können sie entlasten, dass sie mal den Kopf frei bekommen." Denn: "Jemand von außen tut allen gut."

Die Fachstelle für pflegende Angehörige wurde beim ASB Erlangen-Höchstadt im Jahr 2008 gegründet. Leiterin der Fachstelle ist Rosi Schmitt. Es handelt sich dabei um eine vom Landkreis bezuschusste Pflege- und Demenzberatungsstelle, an die man sich kostenfrei wenden kann. "Wir bieten Beratung, Aufklärung und Information rund um alles, was mit Pflegebedürftigkeit zu tun hat", sagt Rosi Schmitt. "Es ist ein niederschwelliges Angebot."

Ein Baustein der Fachstelle sind die kostenfreien Laienhelferkurse. Diese finden einmal im Jahr statt und umfassen 40 Unterrichtseinheiten. Themen sind beispielsweise: Basiswissen gerontopsychiatrischer Krankheitsbilder, Umgang mit erkrankten Menschen, Methoden der Betreuung und Beschäftigung, Kommunikation und Gesprächsführung, rechtliche Grundlagen (Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung). Die Kurse dienen der Vorbereitung für die Betreuung pflegebedürftiger und demenzerkrankter Menschen im Alter. Vor allem bei Demenz werde Hilfe oft dringend benötigt, so Schmitt, deshalb sei manchmal von "Demenzhelferkursen" die Rede. "Aber wir betreuen auch Schlaganfall- oder Parkinson-Patienten."

Momentan stehen Rosi Schmitt 27 Aktive zur Verfügung, sie könnte aber durchaus noch mehr brauchen. Angehörige haben ab Pflegegrad eins Anspruch auf diese Entlastungsleistung und bekommen dafür 125 Euro pro Monat von der Pflegekasse. Eine Demenzehlferstunde kostet 10 Euro. Der Helfer bekommt eine Aufwandsentschädigung von 8 Euro. Der Einsatz – in der Regel einmal pro Woche — erfolgt in Absprache mit den Angehörigen. Die Vereinbarungen sind mündlich, das Verhältnis kann beidseitig jederzeit beendet werden — "etwa, wenn die Chemie nicht passt", so Schmitt.

Der nächste Kurs beginnt im Juni. Nähere Informationen bei Rosi Schmitt unter Telefon (0 91 93) 5 03 31 91 oder per E-Mail an rosi.schmitt@asb-erlangen.de

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