Landkreis ERH: Wohin mit der Grüngut-Fracht?

1.3.2021, 11:52 Uhr
Landkreis ERH: Wohin mit der Grüngut-Fracht?

© Archivfoto: Matthias Kronau

Anliefern darf nur noch, wer eine Biotonne besitzt und dies per Formular bestätigt. Bürger reagieren mit Irritation und Unmut.

"Wohin dann mit meinem Grüngut?" Diese Frage musste Heinz Schieborowski, Leiter von Wertstoffhof und Mülldeponie Zum Flughafen 101, dieser Tage x-mal hören. Beantworten konnte er sie nicht, denn die Abfallwirtschaft des Landkreises in Höchstadt habe ihm darauf "noch keine Antwort" gegeben.

Im vergangenen Frühjahr war in Herzogenaurach extra ein Sonderabgabeplatz im Gewerbegebiet eingerichtet worden.

Verpflichtung, dafür Gebührennachlass

Grundsätzlich gilt, wer keine Biotonne besitzt – monatliche Kosten von 2,57 Euro für eine 80-Liter-Tonne –, verpflichtet sich, Biomüll und Grüngut komplett auf dem eigenen Grundstück zu kompostieren. Dafür erhält er einen Gebührennachlass.

Wer eine Biotonne hat – für kleinere Grundstücke zwingend – kann im Gegenzug große Biomassen, etwa durch Baum- oder Heckenschnitt kostenlos auf dem Wertstoffhof entsorgen.

Gelebte Praxis

Gelebte Praxis war jedoch, dass auch Bürger ohne Biotonne die kostenlose Entsorgung großer Grünschnittmengen in Anspruch nahmen – teils auch ohne Kenntnis der eigentlichen Regel, die bisweilen in Vergessenheit geraten ist. Mit organischem Abfall vollgestopfte grüne Taschen in Kofferräumen sowie mit Ästen und Zweigen vollgeladene Pkw-Anhänger sind das übliche Samstags-Bild an Zufahrten zu Wertstoffhöfen in Herzogenaurach, Medbach, Eckental, Baiersdorf oder Uttenreuth.

Verblüfft über die Ankündigung

Auch Konrad Eitel, über Jahrzehnte SPD-Kreisrat aus Herzogenaurach, war von der Ankündigung der Abfallwirtschaft in den Medien verblüfft und wandte sich per Mail an Landrat Alexander Tritthart: "Selbst mir als langjährigem Mitglied im Umweltausschuss war nicht bewusst, dass die Abgabe von Grüngut für die Bürger ohne Biotonne kostenpflichtig sein soll. Es war auch nie die Rede davon, die bewährte Praxis zu ändern. Im Kompost kann ich das entsorgen, was auch in der Biotonne gesammelt wird, der Baumschnitt der jetzt angefallen ist und nicht selbst gehäckselt werden kann, muss jedoch bei den Sammelstellen abgegeben werden."

"Vorbildlich" nennt Konrad Eitel die Abfall-Entsorgung im Landkreis seit Jahren mit Konsens aller Fraktionen, ebenso die Stabilität der Gebühren.

Zu den Angeboten für die Bürger zählten die kostenlose Abgabe von Wertstoffen auf den Mülldeponien, die Abgabe von Problemabfällen und die Abgabe von Grüngut (auch bei extra Sammlungsaktionen).

Seit einigen Jahren könne sogar Sperrmüll "vom Bett bis zum Fahrrad und Fernseher ohne Sperrmüllkarte auf den Deponien abgegeben werden".

Schwierige Logik

Konrad Eitel bittet darum, die bewährte Praxis kostenloser Entsorgung auch im Hinblick auf Verwaltungsvereinfachung "weiterhin zu belassen. Es ist mir nicht einsichtig, dass ich zwar – auch mehrfach im Jahr – meine Gartenmöbel kostenlos entsorgen kann, aber für ein paar Äste entweder zahlen soll oder einen befreienden Vordruck beibringen soll."

Es war schon immer so

Anne-Marie Müller, Leiterin der Abteilung Umwelt und Soziales im Landratsamt, erklärt dies: "Es handelt sich nicht um eine Änderung, es war schon immer so." Wer die Gebührenkategorie "Kompostierer aller organischen Abfälle" wählte, erhalte 20 Prozent Rabatt auf die Müllgebühren. Während der ersten Wochen der Corona-Krise 2020 sei sehr viel Grüngut angeliefert worden, was hohe Kosten verursachte. 2021 sind für Verwertung 474 000 Euro im Kreishaushalt vorgesehen.

"Das ist ungerecht aus unserer Sicht"

Festgestellt wurde bei der Kostenanalyse, dass Besitzer kleiner Grundstücke, die auf eine Biotonne nicht verzichten dürften, die Grüngut-Entsorgungskosten von größeren Grundstücken indirekt mitfinanzierten: Juristin Anne-Marie Müller: "Das ist ungerecht aus unserer Sicht." Der Verkauf vom "Mebakomp"-Kompost indes wiege nicht annähernd die Kosten auf. Ohnehin sei ein Betrieb der Wertstoffhöfe nicht kostendeckend zu führen.

Dieser Argumentation schließt sich auch Herzogenaurachs Bürgermeister German Hacker als SPD-Kreisrat an: "Wohnungsbesitzer sind gezwungen, eine Biotonne zu haben. Sie zahlen indirekt für die Grüngutentsorgung der Flächenbesitzer. Eigentlich sollte jeder eine Biotonne haben, dann hat man auch eine Flatrate zum Anliefern." Der Kreistag will die Abfallgebühren demnächst neu zu kalkulieren.

Umstellen auf Biotonne

Für den absehbaren Ärger der Bürger, die ab Montag ihr Grüngut anliefern wollen, hat Anne-Marie Müller diese Antwort: "Unter Telefon 09193/20-1760, -1761 und 1762 bei der Abfallwirtschaft des Landkreises in Höchstadt kann man seinen Tarif auch telefonisch auf Biotonne inklusive umstellen lassen."

Wem eine weitere Tonne im Hof zu viel sei, der könne auch nur die Gebühren bezahlen und auf die Tonne verzichten. Das Grüngut könne dann wieder unlimitiert angeliefert werden.

Der Bubenreuther Bürgermeister und Kreisrat Norbert Stumpf (CSU) hebt hervor, dass bereits in der Vergangenheit nur Bürger, die eine Biotonne besitzen, zusätzliches Grüngut zu den Wertstoffhöfen bringen konnten. Dies sei lediglich nicht kontrolliert worden.

Satzungen gut durchlesen

Um nicht böse überrascht zu werden, empfiehlt er generell, sich die Satzungen, welche die privaten Haushalte betreffen, durchzulesen: "Da geht es nicht bloß um Gebühren, sondern wie beim Räum- und Streupflicht auch um Haftungen, die teuer werden können".

Erst durch die langen Warteschlangen vor den Recyclinghöfen im Zuge der Corona-Pandemie sei man auf das Problem bei der Grüngut-Abgabe aufmerksam geworden.

Bewusst habe der Landkreis vor vielen Jahren die Abfallentsorgung so geregelt, dass sich die Gebühren nach dem jeweiligen Bedarf richten.

Anlieferung gegen Gebühr

Für einen sinnvollen Kompromiss hielte der Bubenreuther Bürgermeister es, wenn Bürger ohne Biotonne gegen eine Gebühr Grüngut bei den Wertstoffhöfen abgeben könnten.

Diese Lösung favorisiert auch Konrad Gubo. Der Eckentaler SPD-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat gehört auch dem Ausschuss für Umweltfragen, Klimaschutz und Abfallwirtschaft des Kreistags an und will den Vorschlag dort bei der nächsten Sitzung einbringen.

Selber häckseln

Manfred Bachmayer ist nicht nur einer der Stellvertreter des Landrats und Fraktionschef der Grünen im Eckentaler Gemeindeparlament, sondern auch Vorsitzender des Eckenhaider Siedlerbunds.

Dieser verfügt über einen Häcksler, den sich auch Nichtmitglieder gegen einen Obolus über die Rufnummer (0 91 26) 28 74 07 probeweise leihen können. Das zerkleinerte Material eigne sich sehr gut zum Mulchen der Bäume und der Gemüsebeete. Seit Generationen kompostiere seine Familie selbst und komme damit prima zurecht, erzählt Bachmayer: "Eine Biotonne haben wir noch nie gebraucht!"

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