Medbachern stinkt’s

20.1.2012, 16:03 Uhr
Medbachern stinkt’s

© Roland Huber

Eigentlich lässt Bürgermeister Gerald Brehm auf Ortsteilversammlungen ja gerne „Tendenzabstimmungen“ machen, wie er sie nennt. Gibt es einen strittigen Sachverhalt, lässt er die Bürger per Handzeichen kundtun, wie sie zu dem jeweiligen Projekt stehen. Bindende Wirkungen hat dies freilich nicht, doch die Stadträte und natürlich der Bürgermeister selbst können ein klares Meinungsbild mit nach Hause nehmen.

Am Donnerstagabend in Medbach jedoch verzichtete Brehm darauf: „Ich glaube, es ist ohnehin klar geworden, dass es sehr große Vorbehalte gegen die Pläne der Kompostier Betriebs GmbH gibt.“ Die nämlich will einen Genehmigungsantrag beim Landratsamt einreichen, demzufolge sie ihre jährliche Durchsatzmenge auf 25000 Tonnen erhöhen darf. „Baulich verändern wir an der Anlage aber nichts“, betonte der Geschäftsführer der GmbH, Konrad Kreß. „Das Ganze ist eine rein genehmigungsrechtliche Geschichte.“

Momentan nämlich wird die Kompostieranlage auf der Grundlage des Abfallrechts von 1991 betrieben. Ein „Input“, also ein Einbringen, von 7000 Tonnen Bioabfall pro Jahr und 5000 Tonnen Grüngut (also Gartenabfälle etc.) wird dort veranschlagt. Zudem war damals noch ausschlaggebend, welche Mengen die Anlage auch wieder verlassen.

„Doch mit der Menge des ankommenden Grünguts stoßen wir an unsere Grenzen“, erklärte Kreß auf der auch von vielen Stadträten besuchten Versammlung. Darüber hinaus wolle man Rostasche, die bei der Verbrennung naturbelassener Hölzer anfällt, aufnehmen dürfen – ein Umstand, der in dem Gesetz von 1991 noch nicht geregelt war, durch den Boom der regenerativen Energien jetzt aber akut ist.

Um auf die neuen Anforderungen zu reagieren, braucht die Betriebs GmbH eine neue Genehmigung, mittlerweile ist diese nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz geregelt. Genau wird nun aufgeschlüsselt, wie viel pro Jahr in Medbach künftig maximal angeliefert werden soll: Die Rede ist von 8900 Tonnen Bioabfall und 12400 Tonnen Grüngut – die Zahlen seien absichtlich mit etwas „Luft nach oben“ geplant, wie Kreß sagte. Man wolle aber weiterhin nur den Bedarf des Landkreises abdecken und nicht etwa noch Abfälle von Nachbarlandkreisen annehmen.

Betreiber beruhigt

Um etwaigen Kritikern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, betonte Kreß, dass sich letztlich die Menge des Materials, das auf der Anlage gelagert wird, nicht signifikant ändern wird: „Von den 12400 Tonnen werden nur 5900 Tonnen zur Kompostierung angesetzt und verbleiben somit länger bei uns“. Der Rest werde nach dem Sieben entweder als Brennstoff im Heizwerk des Klinikums am Europakanal weiterverwendet oder gehe gemulcht in die Landwirtschaft – „das hat dann nur eine sehr kurze Verweildauer“.

Dazu kommen maximal 3000 Tonnen Hackschnitzel, die in Medbach lediglich gelagert werden, sowie kleinere Mengen Rostasche, Wurzelstöcke und Verpackungsholz, so dass alles in allem eine Durchsatzmenge von 25000 Tonnen erreicht wird. Insgesamt, so Kreß, steige wegen der anderen Verarbeitung des Grünguts die Menge des in der Kompostieranlage durchschnittlich gelagerten Materials nur von 7250 auf 7942 Tonnen bei Vollauslastung. Zudem habe man jetzt schon – weil zum Beispiel auch heute schon Hackschnitzel gelagert werden und Grüngut gemulcht wird – einen tatsächlichen Durchsatz von jährlich 21900 Tonnen.

Doch auch wenn die Differenz vom Ist-Zustand zu dem dann möglicherweise erlaubten nicht allzu groß erscheint, machen sich die Bürger Sorgen, dass dadurch gerade die Verkehrsbelastung im Ort noch weiter steigen könnte. In einem Dorf wohlgemerkt, dass durch die Lage direkt an der Autobahn bereits extrem lärmgeplagt und auch durch den Anlieferverkehr zum ebenfalls in Medbach gelegenen Wertstoffhof stark beeinträchtigt ist.

Verkehrsbelastung steigt

„Fahren dann noch mehr Leute durch?“, fragten sie Kreß also sorgenvoll. „Ich will fair zu Ihnen sein“, so die Antwort des Geschäftsführers. Die Zahl der Fahrzeuge, die anliefern oder abholen, würden zunehmen und zwar von jetzt durchschnittlich 201 pro Tag auf dann 229.

Zahlen, die bei den Betroffenen auf Empörung stießen. Von „das glaubt doch der Weihnachtsmann“ bis „allein durch die Hackschnitzel-Anlieferung sind das bei den Traktoren viel mehr“ reichten die Kommentare. Zudem, so der Einwand der Medbacher, würden viele Fahrzeuge auf dem Weg durch den Ort Teile ihrer Fracht verlieren. Hier versprach Kreß jedoch Abhilfe: „Jeder unserer Mitarbeiter muss die Fahrer anweisen, dass sie alles so sichern, dass sie nichts verlieren.“ Sollte aber doch einmal etwas auf der Straße landen, bittet er um einen Anruf in der Kompostieranlage: „Wir kommen dann und kehren“, versprach er.

Die Widersprüche rissen dennoch nicht ab. Einen anderen Standort für die Kompostieranlage solle man suchen, forderten die Bürger. Zumindest die Straßenkehrmaschine öfter durch Medbach schicken – ein Punkt, um den Bürgermeister Brehm nun beim Landrat nachsuchen will. Von starker Geruchsbelästigung war zudem die Rede, die sogar Kopfschmerzen verursache. Und dann kam auch noch die Sorge auf, ob die Durchsatzmenge in ein paar Jahren nicht erneut erhöht wird.

Die Entscheidung, ob der Antrag genehmigt wird, liegt jetzt jedoch beim Landratsamt. Die Kompostier Betriebs GmbH will die entsprechenden Unterlagen fertig stellen und einreichen, dann werden die betreffenden Behörden unter anderem die Lärm- und Geruchsbelastung untersuchen. Die Stadt hat dabei kein direktes Entscheidungsrecht.

„Wenn die Bürger die Modifizierung aber nicht wollen und so sieht es ja aus, werden wir uns – soweit möglich – dagegen aussprechen.“ Etwa, wenn die Träger öffentlicher Belange zu dieser Sache gehört würden. Konrad Kreß jedoch sieht dem Verfahren zuversichtlich entgegen: „Ich gehe davon aus, dass wir alle Auflagen erfüllen können und das Ganze genehmigungsfähig ist“, sagte er im Anschluss an die Versammlung.

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