Musik verleiht den Stelzen Flügel

21.11.2017, 05:42 Uhr
Musik verleiht den Stelzen Flügel

© Foto: Margot Jansen

Die "Blaue Stunde" ist eine Besonderheit, verbindet sie doch Prosatexte mit den mal ruhigen, dann wieder beschwingten Klängen der Orgel.

In diesem Jahr gab es noch eine weitere Besonderheit. Fink hatte im Sommer eine CD auf der Orgel der Klosterkirche eingespielt und stellte diese nun vor. Die 1893 erbaute Steinmeyer-Orgel fasziniert ihn schon von Kindheit an und ist für ihn ein "historisches Dokument gediegener Orgelbaukunst". Trotz ihres Alters verfügt sie über eine hervorragende Holz- und Metallqualität, wie bei der Renovierung 2014 festgestellt wurde. Auf der CD befinden sich Werke von Brahms, Mendelssohn Bartholdy und eigene Improvisationen.

In dieser Stunde aber standen die Musik von Robert Schumann und der Text "Der Stelzengänger" von Günter Eich im Mittelpunkt. Pfarrer Peter Söder las die Erzählung vom glücklichen Stelzengänger, der sein Ziel nie aus den Augen verloren hat. Er ist Vertreter für die Firma "Astrol", die Schuhcreme herstellt und vertreibt und auf seinen Stelzen für sein Produkt wirbt. Die Firma ist anfangs von diesem Engagement alles andere als begeistert. Stelzengänger seien "Unfug" und die abgetragene Kleidung, die er dabei trägt, schade der Firma sogar, meinte der Chef. Er aber ist bereit, auf eigene Kosten sich neue rote Hosen und ein grünes Jackett zu kaufen, um seinen Lebenstraum zu erfüllen. Er hat jeden Tag mehrere Stunden geübt, hat Hochgebirgsgipfel und Flüsse mit seinen Stelzen überquert und, gegen eine Mauer oder einen Baum gelehnt, sogar auf ihnen geschlafen. Wenn er jetzt auf seinen Stelzen tänzelnd durch die Straßen schreitet, dann sieht er die Flamme der Begeisterung in den Augen der Kinder und ist glücklich. Seine Erkenntnis: "Die Menschen verstehen es nicht, glücklich zu sein, weil sie ihre Ziele ändern oder aufgeben."

Auch Schumann erfüllte sich einen Lebenstraum, als er sich von dem Studium der Rechtswissenschaft verabschiedete und sich ganz der Musik widmete. Die romantischen Studien für Pedalflügel, von Fink an der Orgel meisterhaft interpretiert, verliehen auch den Stelzen Flügel. Mit der majestätisch volltönenden Pastorale in G-Dur von Josef Gabriel Rheinberger beendete Fink die magische Stunde und entließ die begeisterten Zuhörer in eine kalte Novembernacht.

 

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