Kritik am Krisenmanagement 

Nasse Särge und Schaulustige: In Höchstadt und Adelsdorf liegen nach dem Hochwasser Nerven blank

13.7.2021, 05:17 Uhr
Auch Tage danach steht das Hochwasser noch auf den Festwiesen. 

© Paul Neudörfer, NN Auch Tage danach steht das Hochwasser noch auf den Festwiesen. 

Diesen Moment auf der Brücke wird Alexander Zinnecker nicht mehr vergessen. "Ich kann Ihnen sagen: Es war schrecklich - zuzusehen, wie ein Teil deiner Existenz untergeht." Der Blick des Schaustellers ruhte in diesem Moment auf dem "Stardancer". Mit 18 Mann hatte die Familie mitten in der Nacht noch versucht, ihren Besitz zu retten und die empfindlichen Teile des Fahrgeschäfts wie Motor und Elektronik nach oben zu bauen.

"Wir waren chancenlos", meint Zinnecker, der auf dem Festplatz an den Aischwiesen zwar schon viele Hochwasser erlebt hat, aber noch nie einen so rasanten Anstieg. "Es war wirklich eine regelrechte Flutwelle. Als wir hinkamen war das Wasser etwa bei 20 Zentimeter und nach einer halben Stunde mussten wir abbrechen, weil wir sonst unser Leben riskiert hätten." Die Helfer retten sich aus der Strömung auf die Brücke und können nur noch zusehen.

"Der Stardancer war der Brotkorb der Familie", sagt Schausteller Zinnecker. Seine Schwiegereltern, Heidi und Alexander Störzer aus Höchstadt, konnten nicht mit ansehen, wie das Fahrgeschäft mit einem Neuwert von rund 1,8 Millionen Euro im Wasser der Aisch versank, daneben noch zwei Anlagen mit Greifautomaten im Wert von je 100.000 Euro und vier Wohnwagen. "Ihre Nerven lagen blank und wir haben sie nach Hause gebracht."

Das ganze Erdgeschoss war überschwemmt

Dort allerdings wartete die nächste Katastrophe, denn auch das Privatgrundstück am Greiendorfer Weg stand unter Wasser. Das ganze Erdgeschoss war überschwemmt und auch die Lagerhallen mit Karussells, Mandelbuden und Weihnachtsmarkthütten. "Der Schaden geht in die Millionen", sagt Alexander Zinnecker, der nun hofft, dass die Versicherung wirklich zahlt. Die Veranstaltung "Sommer in der Stadt" ist abgesagt. Die Schausteller wollen sich aber nicht unterkriegen lassen und ihre geplante Deutschland-Tour tatsächlich durchziehen. Die Fahrgeschäfte werden durch andere ersetzt. "In den Wohnwagen müssen wir zusammenrücken, weil es jetzt weniger sind, aber zum Glück sind wir ja alle eine große Familie." Zinnecker hofft, dass sich im September oder Oktober eine Möglichkeit ergibt, den Vergnügungspark an den Aischwiesen doch noch anzubieten. Momentan ist das auch schon deshalb nicht möglich, weil die Wiesen viel zu durchnässt sind, um sie zu befahren.

Kritik am Bürgermeister

Und natürlich ist die Leidensgeschichte der Schausteller, die vorher schon durch die Corona-Pandemie viele Einschränkungen hinnehmen mussten, nur ein Einzelschicksal. Getroffen hat es viele in Höchstadt und so wurde auch Kritik laut am Krisenmanagement der Stadt. "Wir müssen das Frühwarnsystem des Landkreises noch optimieren", meint Bürgermeister Gerald Brehm dazu, der aber prinzipiell findet, die Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften habe "hervorragend funktioniert".

Das Beerdigungsinstitut Johannes Riegler wurde schwer getroffen. Den Schaden beziffert der Bestatter auf rund 150 000 Euro.

Das Beerdigungsinstitut Johannes Riegler wurde schwer getroffen. Den Schaden beziffert der Bestatter auf rund 150 000 Euro. © Paul Neudörfer, NN

"Dass das Wasser aber so schnell kommt, damit hat keiner gerechnet", sagt er und hat deshalb Landrat Alexander Tritthart um ein Gespräch gebeten. "Hätten wir gewusst, wie viel Starkregen in Neustadt herunterkam, hätten wir besser reagieren können." Außerdem mussten Sandsäcke erst aus Erlangen organisiert werden - hier wünscht sich Brehm künftig ein Lager bzw. eine Befüllmaschine in Höchstadt. Warnende Lautsprecherdurchsagen, die sich viele Bürger schon am Freitag gewünscht hätten, hält er in der Zeit moderner Medien für nicht notwendig.

Katastrophentouristen schießen Fotos und werden unverschämt

Adelsdorfs Bürgermeister Karsten Fischkal schimpfte im Kreisausschuss vernehmlich über „Katastrophentouristen“, die sich auf die Aischbrücke gestellt hätten, um überflutete Straßen und Häuser zu fotografieren. Sogar in Privatgrundstücke seien neugierige eingedrungen und hätten versucht, Fotos von vollgelaufenen Kellern zu machen. „Eine Frau musste damit drohen, ihren Hund auf diese Leute zu hetzen, damit sie Ruhe geben - dabei hat die Dame gar keinen Hund“, erzählte Fischkal.

Landrat Alexander Tritthart lobte die Rettungskräfte und sein Landratsamts-Team, die gut zusammengearbeitet hätten. Kein Verständnis hat der Landkreischef allerdings für jene, die mit Schlauchbooten oder sogar Luftmatrazen auf den schmutzigen Fluten herumgepaddelt seien: „Da fehlt mir jegliches Verständnis“, so Tritthart.

"Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", bilanzierte Herbert Fiederling. Der Vorsitzende des Spix-Vereins hat den ganzen Samstag im Ritter-von-Spix-Museum verbracht. In den Kellerräumen stand das Wasser bis zu einem Meter hoch, sodass hier unter anderem ein TV-Gerät und mehrere Schriftstücke im Depot zerstört worden sind. "Die Exponate sind aber zum Glück verschont belieben", berichtet Fiederling. Weil das Wasser in den Ausstellungsräumen aber auch bis zu 40 Zentimeter hoch stand, sind die Ständer der Vitrinen in Mitleidenschaft gezogen. Ende der Woche kommt ein Gutachter, um den Schaden zu schätzen. Die Barrieren, die das Museum schützen, und weitere in der Stadt (zum Beispiel am Schäfergraben) bleiben noch stehen, weil weiterer Starkregen kommen könnte.

Beim Beerdigungsinstitut von Johannes Riegler liefen am Montag die Wasserpumpen noch. Privat-Wohnung, Werkstatt, Aktenraum und das Sarglager hat das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen. 60 Särge, die schon für Bestattungen bereitstanden, sind unbrauchbar. Den Schaden beziffert Johannes Riegler auf rund 150 000 Euro.

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