Raupe auf Mais

16.9.2016, 17:10 Uhr
Raupe auf Mais

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„Mich interessiert einfach so viel“, sagt Claudia Brandt-Pecher schon fast entschuldigend. Die gelernte Schreinerin ist nicht nur Mutter zweier Söhne und seit Jahren Sekretärin am Lehrstuhl für angewandte Mathematik an der Uni Erlangen, sondern auch Jägerin mit eigenem Jagdrevier und zurzeit macht sie noch per Abendschule eine landwirtschaftliche Ausbildung – einfach „aus Interesse und weil ich zuhause ein paar Wiesen und Äcker hab, die ich richtig bewirtschaften will“.

Und jüngst in ihrem Urlaub fuhr sie mit einem Lohnunternehmer aus Weisendorf auf Mähdreschern und Maishäckslern mit, weil „ich das mal ausprobieren wollte“.

Durch Zufall trifft sie kürzlich bei einer Maisjagd einen alten Schulfreund wieder: Georg Schuler, Unternehmer aus Lauf, erzählt ihr, dass er mit Geschäftspartner und Freund Stefan Fischer Schneepistenraupen so weiterentwickelt hat, dass sie inzwischen als Silagespezialfahrzeug bundesweit im Einsatz sind, um — wie derzeit — Mais zu verdichten.

Claudia Brandt-Pechers Interesse ist sofort geweckt. Bei einer Probefahrt auf der Raupe erweist sie sich als äußerst geschickt. „Das Steuern ist gar nicht so einfach“, erläutert Schuler. Die zehn Tonnen schwere Raupe mit einem 435 PS Dieselmotor hat kein Lenkrad, sondern wird mit einem Fahrhebel für die beiden Ketten gesteuert und das 5,70 Meter breite Schild wird per Joystick manövriert: Allein zwölf Funktionen für vor, zurück, rechts, links, rauf, runter gibt es hier. „Das Bedienen erfordert höchste Konzentration und sehr viel Fingerspitzengefühl. Wir haben schon 300 Fahrer geschult, daher merke ich schnell, wer sich dafür eignet“, sagt Schuler. Von zehn Leuten kämen in der Regel nur drei oder vier mit dem diffizilen Gerät zurecht, fügt er an.

Die 36-Jährige arbeitet sich jedenfalls schnell ein, außerdem ist sie fasziniert von der Maschine. Und weil sie auch noch landwirtschaftliches Fachwissen hat, fragt sie Schuler schließlich, ob sie nicht Vorführfahrerin für die Maisraupe werden will.

Dafür trainiert die 36-Jährige jetzt jeden Abend auf einer Biogasanlage in Hundshof bei Frensdorf, wie man mit der Raupe den gehäckselten Mais vorsichtig Schicht um Schicht verdichtet und in den Silageberg einbaut. Per Funk ist sie dabei mit Trainer Mike, der im Winter Schneepistenfahrer in Lech am Arlberg ist, verbunden. Er leitet sie an, wie das Gerät optimal zu steuern ist. Das intensive Fahrtraining ist nur während der laufenden Maisernte möglich. „Weil ständig Material angeliefert wird, ist da immer viel Stress“, weiß Schuler. Wenn es zu hektisch wird, dann übernehme der Trainer die Arbeit.

Pro Stunde könne man mit der Raupe bis zu 350 Tonnen Mais schieben, verdeutlicht Schuler die enorme Leistung der schweren Maschine.

Rund 100 solcher Spezialfahrzeuge, die die Firma Prinoth in Telfs in Österreich baut, haben Schuler und Fischer bereits im ganzen Bundesgebiet entweder verkauft oder vermietet. Ein Fahrtraining gehört dabei immer dazu. Fünf Trainer, alle Schneepistenfahrer, hat das Laufer Unternehmen dazu saisonal beschäftigt.

Bis Claudia Brandt-Pecher als Vorführfahrerin arbeiten kann, sind noch viele Trainingsstunden nötig, weiß Georg Schuler. Doch er ist sicher, dass sie mit ihrer ansteckenden Begeisterung, ihrem Fachwissen und dem Fingerspitzengefühl die richtige Frau für den Job ist. Außerdem erhofft er sich einen Nebeneffekt: „Wenn eine Frau die Raupe steuert, dann nimmt das den Männern die Angst vor dem hochtechnischen Gerät.“

Und was sagt Claudia Brandt-Pecher dazu? „Mir macht das riesig Spaß.“ Sie könne sich gut vorstellen, die Maisraupe auch beruflich zu fahren. Doch ihren Halbtagsjob als Sekretärin an der Uni will sie auf jeden Fall beibehalten. Für sie sei es zudem wichtig, ihren Söhnen (sieben und fünf Jahre) nach dem Tod ihres Mannes Ende 2014 zu zeigen, dass man auch in so einer Situation stark sein und immer etwas Neues lernen kann.

Doch wie bekommt sie alles unter einen Hut? „Wir haben einen sehr gut organisierten Alltag“, erzählt sie. Außerdem unterstütze ihre Mutter, die mit im Haus lebt, sie sehr. „Und meine Söhne freuen sich auch, wenn sie mal auf so einer Maschine mitfahren dürfen.“ Und noch eine Botschaft ist ihr ein großes Anliegen: „Man sollte eine Idee, auch wenn sie verrückt erscheint, einfach mal ausprobieren. Wenn Herzblut dabei ist, dann kann eigentlich gar nichts schief gehen.“

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