So hart ist das Training für das Eisschwimmen in Veitsbronn

2.1.2020, 14:57 Uhr
So hart ist das Training für das Eisschwimmen in Veitsbronn

© Foto: Eduard Weigert

Eis und Schwimmen: Das passt zusammen, das weiß man seit der Langnese-Werbung. Doch es muss nicht Malibu Beach bei 35 Grad sein. Dem Großenseebacher Ulf Karnikowski und seinen Sportkameraden reichen auch minus 4 Grad und der Dechsendorfer Weiher. Das sind nämlich echte Eisschwimmer.

Für sie steigt am Wochenende der Saisonhöhepunkt mit der Weltcup-Veranstaltung im Veitsbronner Veitsbad: Die "Ice Swimming German Open" zählen zur World Cup Series des Weltverbands IISA. 240 Starter aus 20 Nationen haben sich für die Rennen über 50, 100, 200, 500 und 1000 Meter in verschiedenen Lagen angemeldet.

Das letzte Training vor der Haustür - an Silvester ging es noch einmal ins Veitsbad, am Neujahrstag zu einer Traditionsveranstaltung im ehemaligen Altmühlbad in Herrieden - gestaltete sich aber schwierig. Nach zwei eisigen Nächten war der "Dechsi" am Montagvormittag zugefroren.

An den Bootsanlegestegen war die Eisdecke geschlossen und etwa zwei Zentimeter dick. Die kann man nicht so einfach "wegkraulen". Also Rundgang um den See. Und tatsächlich gibt es eine halbwegs brauchbare, freie Wasserfläche auf Höhe der gegenüberliegenden Badezone.

So hart ist das Training für das Eisschwimmen in Veitsbronn

© Foto: Eduard Weigert

Karnikowskis Mitschwimmer an diesem Tag, Stefan Igönitzer aus Nürnberg, hält sein Thermometer ins Wasser und verkündet "erfrischende" 3,5 Grad. Damit würde ein Wettkampf dort als Eisschwimmen gelten, denn dafür muss die Temperatur unter 5 Grad liegen, ansonsten ist es nur ein Winterschwimmen. Neoprenanzüge sind verpönt und nicht zugelassen in dieser Szene. Deren spezieller Humor schon durch den Namen der Trainingsgruppe deutlich wird, der Karnikowski und Igönitzer angehören: Sie heißt "Warmduscher" – und rund 300 Schwimmer überwiegend aus Süddeutschland gehören ihr an.

So hart ist das Training für das Eisschwimmen in Veitsbronn

© Foto: Eduard Weigert

Mehr als die Kälte hält die beiden jedoch eine Gruppe von Schwänen ab, die neugierig ausgerechnet vor dem geplanten Einstiegsort der beiden Sportler auf und ab schwimmen. Ulf Karnikowski: "Hoffentlich schalten die nicht auf Angriffsmodus, vor Schwänen habe ich echt Respekt." Aber als die beiden schwungvoll ihre ersten Bahnen entlang der Eiskante ziehen, ergreifen die Wasservögel die Flucht. Unheimlich, dass diese Menschen jetzt auch im Winter in den Weiher hüpfen!

Doch vor dem Wasserkontakt wird es Zeit für das Interview, denn hinterher geht gar nichts mehr. Während es bei anderen Sportarten oft erst kurz vor Schluss kribbelt, gibt es beim Eisschwimmen Gänsehaut von Beginn an. Und nach dem Training wirkt sich der Temperatur-Drop im Körper nach einigen Minuten ziemlich heftig aus. Zittern und Zähneklappern sind angesagt. "Nach dem schnellen Abtrocknen und Anziehen dauert es meist eine halbe Stunde, bis man wieder in der Lage ist, sein Auto sicher zu steuern. Besser, man hat ein Taxi dabei", weiß Ulf Karnikowski.

Das ist an diesem Tag seine Schwester Astrid, in früheren Jahren selbst eine erfolgreiche Triathletin (unter anderem Deutsche Vizemeisterin der Juniorinnen und für das Zweitligateam des TV 48 Erlangen am Start). Doch die 35-Jährige kann sich für das Hobby ihres ein Jahr jüngeren Bruders selbst nicht erwärmen. "Da schaue ich lieber nur zu", gesteht sie. Ihre eigene Laufbahn ruht derzeit: Drei Töchter, die älteste ist fünf, beschäftigen sie vollauf. Ulf Karnikowski hingegen hat sich professionell auf die eiskalten Fragen des NN-Redakteurs vorbereitet, der angesichts einer Erkältung im Anflug nicht einmal (wie ursprünglich geplant) die Füße kurz ins Wasser hält.

 

Herr Karnikowski, angesichts der Erfahrungen in meinem persönlichen Umfeld wage ich die Prognose, dass Eisschwimmen keine weibliche Domäne ist.

Das trifft eigentlich nicht zu. Von den 240 Startern am Wochenende in Veitsbronn sind 100 Frauen. Und in der dortigen Trainingsgruppe sind die weiblichen Aktiven unter Regie von Trainerin Birgit Becher sogar klar in der Überzahl.

 

Bei Schiffsunglücken auf hoher See hört man in den Nachrichten oft, dass nur wenige Minuten blieben, Schiffbrüchige aus kaltem Wasser zu retten, weil sonst der Tod durch Unterkühlung droht. Ist Eisschwimmen nicht ein sehr gefährlicher Sport?

Wir trainieren nie alleine, immer ist mindestens ein Begleiter dabei, auch am Ufer sitzt noch jemand. Und wir trainieren immer mit einer Boje, an der man sich festhalten kann, falls man einen Krampf bekommt. In unserer Trainingsgruppe ist eine Ärztin dabei und zusätzliches medizinisches Fachpersonal. Und bei Wettkämpfen sind sowieso DLRG oder andere Hilfsorganisationen vor Ort.

 

Härtet Eisschwimmen wirklich ab?

Das ist ein schmaler Grat zwischen Abhärtung und Übertreiben. Taucht man zwei, drei Mal die Woche für eine Minute ins Eiswasser, hat das sicherlich einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Macht man mehr, ist das schon riskanter. Bei einem Schnupfen kann man schon weiter trainieren, aber sind Hals oder Bronchien betroffen, ist Pause angesagt.

 

Wie bereiten Sie sich auf die Trainingseinheiten vor?

Körperlich mit ein paar Lockerungsübungen, mental mit zwei, drei tiefen Atemzügen. Und dann geht es zügig ins Wasser ohne großes Nachdenken. Ist alles Kopfsache. Länger als zwölf oder 15 Minuten bleibe ich nie im Wasser.

 

Gibt es auch Tage, an denen Sie sich nicht überwinden können?

Durchaus. An Heiligabend war ich im Veitsbad. Und da bin ich nach einer Minute aus dem Becken gestiegen, weil ich mich nicht gut gefühlt habe. Da muss man auf seinen Körper hören. Auch bei einem Flussschwimmen in Österreich bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt und Dauerregen war ich froh, als ich endlich aus dem Wasser konnte.

 

Wie wirkt sich die Kälte auf die Schwimmtechnik und die erzielten Zeiten aus?

Irgendwie ist es schon ein wenig anders, aber ich verliere über 1000 Meter nur etwa eine halbe Minute auf meine Bestzeit im beheizten Becken. Aber ich muss mich mehr auf die Technik konzentrieren, gerade am Ende längerer Strecken, weil man da natürlich nicht mehr so "geschmeidig" in der Muskulatur ist.

 

Wie kommt man eigentlich auf eine solche Sportart?

Ich bin nie ein Vereinssportler gewesen und starte auch bei Volksläufen als Privatperson. Für Schwimmer gibt es kaum Startmöglichkeiten jenseits des Verbandssports. Vor zwei Jahren habe ich dann vom Event in Veitsbronn gehört und habe mir gedacht: Das klingt so verrückt, da machst Du mit! Dann habe ich zwar fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann und war sehr blauäugig, bin aber trotzdem angetreten – und dabeigeblieben.

 

Und was ist der besondere Kick beim Eisschwimmen?

Es macht mir einfach Spaß. Und die Wettkämpfe haben alle ihr besonderes Flair. Zum Beispiel, wenn man im Chiemsee schwimmt und auf das Alpenpanorama schaut.

 

Die 6. Ice Swimming Aqua Sphere German Open vom Samstag, 4., bis Montag, 6. Januar, im Veitsbronner Veitsbad sind das Eiswasser-Schwimm-Event in Deutschland. Am Samstagabend gibt es ein gemütliches Zusammensein im Wettkampfhotel HerzogsPark in Herzogenaurach, am Sonntag eine Ice-Party in der Eichwaldhalle in Puschendorf. Die Rennen beginnen am Samstag ab 15, am Sonntag ab 13 und ab Montag ab 9.30 Uhr. Ein Livestream ist zu sehen unter www.ice-swimming.com

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