Sparen an Dementen: Herzogenauracher verklagt AOK

4.2.2019, 18:00 Uhr
Sparen an Dementen: Herzogenauracher verklagt AOK

© Archivfoto: De Geare

Betroffen sind die Bewohner ambulanter Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige bzw. Demenzkranke. Diese WGs, maximal mit zwölf Bewohnern, sind für viele Angehörige eine gute Alternative zum Pflegeheim. Sie bieten ein Wohngefühl, das dem häuslichen näherkommt als ein Pflegeheim dies gewährleisten kann. Und die Angehörigen können sich auch beteiligen, ehrenamtlich Betreuungsdienste leisten.

Wenn es ans Fachliche geht, z. B. an das Verabreichen vom Arzt verordneter Medikamente, An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, Blutzucker-Messungen und ähnliches, das der Arzt verordnet, werden Dienstleister tätig: Mobile Pflegedienste, wie sie zum Beispiel die Diakonie oder die Caritas unterhalten oder auch private Unternehmer. Solche Leistungen sind bislang von den gesetzlichen Krankenkassen getragen worden.

Die AOK hat ihren Versicherten, darunter ein Familienmitglied Zollhöfers, diese Leistung aufgekündigt. Die Kasse erklärt, diese Leistungen könnten auch die Präsenzkräfte vollbringen, die in den WGs Dienst tun. Dabei beruft sich die Krankenkasse auf Urteile, darunter eines des Bundessozialgerichts von 2015.

Hier hakt außer Kurt Zollhöfer auch Rosi Schmitt von der Fachstelle für pflegende Angehörige ein, ihres Zeichens Mitglied der Pflege-Beschwerdestelle im Landkreis. Jenes Urteil betreffe stationäre und teilstationäre Wohngruppen zur Eingliederung — in der Behinderten- oder auch der Suchtarbeit — nicht Wohngemeinschaften von Pflegebedürftigen bzw. Demenzkranken.

Leistungen wie Medikamentengaben sind laut Rosi Schmitt auch nicht Sache der Präsenzkräfte: Deren Qualifikation ist nicht definiert. In Demenz-WGs können somit Pflege-Fachkräfte Tages- und Nachtdienst tun, aber auch der Hausmeister oder eine studentische Hilfskraft, um Beispiele zu nennen. Und diese dürften nicht mit ärztlich verordneten Arzneien, wie etwa Psychopharmaka, umgehen.

Fachfrau Schmitt und der Angehörige Zollhöfer sehen es als eine Maßnahme, rein zur "Kostenoptimierung", wie es Zollhöfer umschreibt. Doch Sparen gehe hier nicht: Es handle sich um ärztlich verordnete Maßnahmen, also ganz klar Krankenkassen-Leistungen. Und die schlagen ganz schön zu Buche, wenn sie die Bewohner der WGs selbst übernehmen müssten. In seinem Fall spricht Zollhöfer von gut 200 Euro im Monat.

Im Durchschnitt tragen die Bewohner von ambulanten Wohngemeinschaften sowieso schon gut 2100 Euro monatlich selbst für Pflegekosten, Betreuungskosten, Hauswirtschaftskosten, Miete und Haushaltsgeld. Nicht jedermann könne sich einen weiteren Aufschlag leisten.

So sieht Zollhöfer im Ausstieg der AOK — dem seiner Befürchtung nach auch andere Kassen folgen könnten — eine Gefahr für ein Modell der Altenpflege, dem in seinen Augen eigentlich die Zukunft gehört.

Rosi Schmitt dazu: Es dürfe nicht darauf hinauslaufen, dass sich einen Lebensabend in dieser der häuslichen doch sehr nahekommenden Wohnform nur noch Reiche leisten können.

Sie und Zollhöfer sehen in einem flächendeckenden Ausstieg aus der Übernahme der Behandlungspflege-Kosten auch eine Gefahr für die mobilen Pflegedienste. Ihnen würde eine nennenswerte Einnahme ausfallen.

Laut Schmitt hat einer ambulanten WG in Spalt der Pflegedienst bereits deswegen den Vertrag gekündigt. Weite sich das aus, drohe Pflegeeinrichtungen, die Rosi Schmitt als gleichwertig mit den Pflegeheimen sieht, der Niedergang. Und ambulante Wohngemeinschaften gibt es einige im Umkreis, unter anderem in Höchstadt, Obersteinbach, Cadolzburg, Nürnberg, Spalt.

Kurt Zollhöfer möchte mit seinem Vorstoß anderen Betroffenen Mut zum Widerspruch machen. Es gebe Unterstützung, unter anderem durch die Nürnberger Gerontopsychiatrische Fachkoordination (GEFA). Und, so Rosi Schmitt, am Sozialgericht gibt es keine Gerichtskosten.

 

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