Bildern, Skulpturen und Lesungen

Stadtarchiv präsentiert Ausstellung zu Ehren des Laufer Künstlers

19.6.2021, 19:40 Uhr
Stadtarchiv präsentiert Ausstellung zu Ehren des Laufer Künstlers

Im Grimmschen Märchen von „Dornröschen“ dauert es 100 Jahre, bis ein schmucker Prinz angeritten kommt und die unter tausend stacheligen Rosen schlummernde Prinzessin im verwunschenen Schloss wach küsst, um sie alsdann zu ehelichen.

Das ist nun etwas kitschig, dennoch hätte man sich für die seit November 2020 coronabedingt in der Laufer Kaiserburg im Tiefschlaf befindliche Ausstellung „150 Jahre Moll und Moll“ zur Eröffnung zumindest Bayerische Kavallerie vorstellen können, mit einem schmucken dunkelhaarigen Ritter vorneweg, der den Schlüssel zum großen Schloss geschwenkt hätte, der am 13. Juni nun endlich die schwere Tür im ersten Stock der Burg aufsperrte.

Ein Stück Laufer Heimatgeschichte

Hinter dieser verbirgt sich seit Monaten nämlich ein echtes, veritables und in weiten Teilen unveröffentlichtes Stück Laufer Heimatgeschichte, gar nicht anrührig, sondern berührend, nicht kitschig, sondern authentisch, und bisweilen den Heimatbegriff auch bewusst konterkarierend: die erste gemeinsame Ausstellung des 2005 verstorbenen Laufer Künstlers Karl Moll und seines 2016 mit nur 46 Jahren ebenfalls verstorbenen Sohnes Philipp Moll.


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Das Stadtarchiv Lauf präsentiert die Ausstellung „150 Jahre Moll und Moll“ gemeinsam mit dem „Kulturverein Winterstein“, das ist gut und logisch so, denn jene kunst-, kultur- und kabarettbeseelte WG, die Philipp Moll in den frühen 1990er Jahren gemeinsam mit Matthias Egersdörfer und weiteren Freunden in einem ehemaligen Kuhstall in Winterstein gegründet hatte, rüttelte damals das Kulturleben im Landkreis nachhaltig auf und durch und entlockt bis heute manchem in die Jahre gekommenen ideellen Begleiter ein Sentimentales: „Ich erinnere mich noch gut.“

Später war es dann der Kulturverein Katana e.V. in der Nürnberger Südstadt, in dem Philipp Moll mit seiner Talkrunde „Molls bunter Trichter“ über Jahre zur Höchstform auflief. Nicht zu vergessen, die Boygroup „Fast zu Fürth“, auch sie ein Ausfluss der Jahre überbordender Kulturfreudigkeit im Nürnberger Land, die zusammen mit ihrem Sänger Matthias Egersdörfer zuletzt 2019 einen großen Auftritt im Laufer Industriemuseum hatte.

Vater und Sohn gemeinsam

Dass Vater und Sohn Moll fünf Jahre nach Philipp Molls viel zu frühem Herztod erstmals gemeinsam in einer Ausstellung zu Wort kommen, zwei Männer, die vieles verband und manches trennte, ist das Resultat bis heute andauernder enger Familien- und Freundschaftsbande.

Vreni Moll, die 14 Jahre ältere Schwester Philipp Molls, hatte im Frühjahr 2020 die Idee, die umfangreichen Arbeiten ihres Vaters und ihres Bruders gemeinsam zu zeigen, und kontaktierte Freunde und Künstlerkollegen wie Matthias Egersdörfer, Claudia Schulz, Anders Möhl und Martin Fürbringer.

"Weltanschauungsbeauftragte"

Mit Letzterem hatte Philipp Moll 2006 die „Weltanschauungsbeauftragten“ gegründet, eine Zweimann-Anarcho-Künstlercombo, die das Wohlstandsendloswachstumspostulat mit provokativen und satirischen Installationen und Projekten auf die Schippe nahm. Einige davon sind auch in der Ausstellung zu sehen. Zusammen mit Bildern und vor allem Texten Philipp Molls, der über Jahre hinweg in der Nürnberger Zeitung eine Kolumne hatte, geben sie einen Überblick über das breite künstlerische und schriftstellerische Leben des gelernten Schreiners, beinahe Theologen und Absolventen der Nürnberger Kunstakademie.

Ein echtes Gegenstück dazu sind die Öl- und Aquarellarbeiten seines Vaters Karl Moll, die so viel zärtliche Liebe zu Lauf und der Natur der Umgebung ausdrücken, dass es den Betrachter rührt. Am liebsten sei ihr Vater draußen gewesen, im Garten, in der Natur, erinnert sich Vreni Moll, frei und unabhängig. „Er hasste es, wenn er Aufträge hatte. Denn dann war er gebunden.“

Mit Fahrrad und Skizzenbuch

Mit dem Fahrrad fuhr der 1920 geborene Laufer, der sich nach einer Schriftsetzerlehre das Malen autodidaktisch beigebracht hatte und in den 1990ern den Laufer Künstlerkreis mitbegründete, immer wieder die Gärten vor der Stadt ab, hielt sie in seinem Skizzenbuch fest und schuf daraus poetisch-konkrete Stadt- und Landschaftsansichten. Ein Teil davon befindet sich seit Jahren in den Städtischen Sammlungen, einiges längst auch in Privatsammlungen.


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„Es ist uns eine große Freude, die Arbeiten Karl Molls zusammen mit den Exponaten von Philipp Moll nun in einer Doppelausstellung zu zeigen“, sagt Stadtarchivarin Ina Schönwald. „Beide wären 2020 zusammen 150 Jahre alt geworden. Schade, dass wir die Ausstellung erst jetzt zeigen können“. Für Vreni Moll ist die Retrospektive auch ein Einblick in die ganz persönliche Familiengeschichte. „Mein Vater hat, so wie ich das als Schwester mitbekommen habe, den Philipp immer in allem bestärkt, was er tat“, erzählt sie. „Auch deshalb hat er sich so frei entwickelt.“

Ausschnitte von Bühnenauftritten

Neben Bildern, Skulpturen und Objekten der beiden Künstler gibt es in der Ausstellung, die am Sonntag, 13. Juni, nun von Laufs Bürgermeister eröffnet wurde, und seit 14. Juni für die Öffentlichkeit zu sehen ist, einen Touchscreen mit Ausschnitten aus Texten, Lesungen und Bühnenauftritten von Philipp Moll. Geplant ist in den nächsten Monaten zudem ein umfangreiches Begleitprogramm.

Philipp Moll wuchs in Lauf auf und machte am CJT-Gymnasium Abitur. 2005 erhielt er den Debütantenpreis des Bayerischen Wissenschaft- und Kunstministeriums, 2011 ein Stipendium im Rahmen des Nürnberger Kulturförderpreises. Moll veröffentlichte auch Bücher. Mit seinem besten Freund aus Schulzeiten, Matthias Egersdörfer, tourte er mit frechen Kabarettauftritten durch die Region, für die es beide immer wieder auch an altbekannte Locations wie das Laufer JUZ zog.

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