Textilhaus Zürl in Mühlhausen schließt

23.12.2019, 15:00 Uhr
Textilhaus Zürl in Mühlhausen schließt

© Foto: Karl-Heinz Panzer

Alles wie gehabt im Textilhaus Zürl in Mühlhausen zur Vorweihnachtszeit, so scheint es. Doch die Grüße, Umarmungen, die Verabschiedungen und all die Wünsche fürs neue Jahr haben diesmal einen besonderen Beiklang. Betont herzlich und gleichzeitig etwas traurig. Alle in Christa Schmitthammers Laden wissen, dass im nächsten Jahr hier nichts mehr so sein wird wie es war. Am 31. Dezember macht die 72-Jährige dicht. Für immer.

Ohne viel Tamtam. "Das geht ganz ruhig, aber es wird emotional", sagt die gelernte Kauffrau, die den Familienbetrieb 1988 von ihrem Onkel übernommen hat. 1913 hat ihr Großonkel Hans Zürl das Geschäft in der Hauptstraße aufgemacht, hat dort "Schnitt- und Kurzwaren" angeboten: Stoffbahnen, aus denen Schürzen, Hemden und Blusen genäht wurden. Der Firmengründer hat seine Stoffmuster auch hinaus zu den Leuten in den umliegenden Dörfern gefahren, mit dem Fahrrad, von Wingersdorf bis hinauf in die Schlüsselfelder Gegend. Vor Ort hat er Maß genommen. Zürls Frau hat dann zu Hause das Gewünschte zurechtgeschneidert.

"Fertigwaren hat es damals nicht gegeben", weiß Christa Schmitthammer. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm ihr Onkel Karlfritz Hänelt. Der Schneidermeister hat das Angebot erweitert. Mäntel, Anzüge und Kostüme wurden genäht, Hüte gestanzt und bald gab es auch Bettwäsche, Gardinen und vieles mehr, erinnert sie sich. Zwischen Stoffbahnen, Gardinen, Wolle, Zwirn und den Schaufensterpuppen ist sie groß geworden.

1961 wurde ausgebaut. Christa Schmitthammer führt das Geschäft seit 1988. Sie sprühte nur so vor Ideen. Es dauerte nicht lange, da ließ sie ihre erste Modenschau über die Bühne gehen. Im Gemeindehaus und anderswo im Dorf präsentierte sie in den 1990er Jahren Schickes aus dem Hause Zürl. Als Models sprangen Kunden ein, "Männer auch", erinnert sich die Frau mit dem ansteckenden Lachen.

Überall im Laden stößt man auf liebevoll drapierte Details. Hier ein Trachtenpaar, weiter hinten ein junger Mann in rot-weiß kariertem Hemd und Lederhosen. In der Hosentasche steckt ein rotes "Schnäuztüchlein". Auch wenn der Anteil der Bekleidung am Umsatz des Ladens mit den Jahren zurückgegangen ist begegnet Christa Schmitthammer immer noch Leuten, die Sachen aus ihrem Laden tragen. Seit den 70er Jahren kann man bei Zürl Lotto spielen und seit der Jahrtausendwende auch Briefe aufgeben. Pakete ebenfalls, auch solche, in denen Klamotten nach dem Anprobieren zu den Online-Versandhäusern zurückgeschickt werden.

Für die kleinen Kleiderläden auf dem Land wird es immer enger. "Das ist halt der Lauf der Zeit", sagt Christa Schmitthammer ohne jede Bitterkeit. Und doch fällt ihr das Aufhören nicht leicht. "Es hat mir wirklich Spaß gemacht", versichert sie und man glaubt es ihr aufs Wort. Ihre Kunden wird sie wohl vermissen. "Man kennt sich auf dem Dorf. Man lacht mit den Leuten und man greint mit ihnen. Es ist immer was geboten," sagt sie.

Mit Textil Zürl schließt die einzige Postfiliale in der Gemeinde. Gemeinsam mit dem Bürgermeister hat sich Christa Schmitthammer auf die Suche nach Geschäftsleuten gemacht, die das übernehmen würden. Bislang ohne Erfolg. Dabei kann sie sich noch gut an Zeiten erinnern, in denen die Hauptstraße voller Geschäfte war. Sie führten Lebensmittel, Farben, Radios, Fahrräder und einiges mehr. Viele große Fenster in der Nachbarschaft, in denen schon lange nichts mehr zur Schau gestellt wird.

Das Leben geht für die langjährige Geschäftsfrau auch nach dem Aus fürs Textilhaus weiter. Neue Aufgaben warten. "Jetzt muss ich mich mal an meinen Mann gewöhnen", scherzt sie. "Wir sind 55 Jahre verheiratet. Um den Garten und ums Haus muss ich mich auch kümmern. Langweilig wird’s mir nicht", ist sich Christa Schmitthammer sicher.

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