Therapeutische Wohngruppe in Höchstadt feiert 10. Jubiläum

15.3.2019, 13:57 Uhr
Therapeutische Wohngruppe in Höchstadt feiert 10. Jubiläum

© Foto: Maria Däumler

Seit fast zwei Jahren lebt Marie (alle Namen geändert, d. Red.) in der Wohngruppe. Offen erzählt die 17-Jährige, was sie in das Heim geführt hat. "Ich lebte bei Mum, Papa ist schon vor meiner Geburt abgehauen. Erst war es Schuleschwänzen, dann gar keine Schule mehr, irgendwann Drogen und schwere Straftaten, die mich in den Jugendarrest brachten. Dort hab ich es dann kapiert, dass es so nicht weitergehen kann." Freiwillig machte Marie eine Therapie und entschied sich schließlich für die Wohngruppe in Höchstadt. "Die feste Tagesstruktur, die Einzelgespräche und die begleitende Therapie helfen mir", sagt sie.

"Ich bin ein Kämpfertyp"

"Mir gefällt es hier sehr gut, ich hab so etwas wie eine beste Freundin gefunden." Inzwischen hat die junge Frau ihre Ausbildung als Sozialpflegerin fast beendet. "Das ist ein tolles Gefühl." Danach möchte sie noch Heilerziehungspflegerin werden, um später selbst einmal in einer Wohngruppe zu arbeiten. "Ich bin ein Kämpfertyp. Wenn ich was will, dann zieh ich das durch", gibt sie sich die Richtung vor.

Zurzeit leben sieben Mädchen und Jungs im Wohnhaus an der Großen Bauerngasse. Die meisten besuchen die Schule, eine junge Frau macht gerade den Bundesfreiwilligendienst. Der Tagesablauf ist gut strukturiert, jeder hat seine Aufgaben. Einmal pro Woche ist Küchendienst und Hausputz angesagt, mittags wird frisch gekocht. Im Grunde wie in einer Familie, nur mit festeren Regeln. "Wir sind ein Kleinstheim für Jugendliche, die zum Teil schon eine heftige Biografie hinter sich haben", sagt Monika Rosiwal-Meißner.

Die Mädchen und Jungs haben psychische Probleme wie zum Beispiel Borderline und schizophrene Psychosen oder Probleme mit Alkohol und Drogen. "Viele kommen aus einem schwierigen Elternhaus und haben keine guten Erfahrungen mit Erwachsenen gemacht", erläutert die Diplom-Psychologin, die die Wohngruppe leitet.

Zusammen mit ihrem Mann Alois Meißner, ebenfalls Diplom-Psychologe, und weiteren acht Mitarbeitern, meist Sozialpädagogen und Erzieher, betreut sie die Jugendlichen. Tagsüber sind zwei Mitarbeiter im Haus, nachts eine pädagogische Fachkraft. Aufgenommen wird nur derjenige, der freiwillig kommt und bereit ist, auf Suchtmittel zu verzichten und sich an die Regeln der Gemeinschaft zu halten. Alkohol und Drogen sind im Haus streng verboten. "Das wird auch kontrolliert."

Wer gegen die Regeln verstößt, bekommt drei Tage Ausgangssperre und darf vier Wochen nicht heimfahren. "Wir arbeiten auch mit dem Rückfall", verdeutlicht Monika Rosiwal-Meißner. Man fliegt also nicht gleich raus, aber erklärtes, gemeinsames Ziel müsse sein, dass "Konsum von Drogen oder Alkohol nicht mehr die Problemlösung ist".

In einem Stufenplan sind Ziele formuliert, aber auch Ausgang, Handynutzung und Heimfahrtmöglichkeiten. "Wer ordentlich mitmacht und sich bewährt", so Rosiwal-Meißner, der komme in die letzte Phase, in der die Jugendlichen schon viel selbst erledigen und auch der Auszug aus der Wohngruppe geplant wird.

Doch zuvor müssen die Jugendlichen lernen, wie man mit schwierigen Situationen oder mit schlechten Gefühlen umgeht. Wie das geht, das könne ganz unterschiedlich sein, Lösungswege werden gemeinsam erarbeitet, erklärt die Psychologin. "Das Maximum, was wir hier aber erreichen können, ist einen Rahmen zu bieten, in dem die jungen Bewohner positive Erfahrungen machen, Vertrauen haben und ihr Selbstwertgefühl aufbauen können."

Zum Weg in ein selbstständiges Leben gehöre möglichst auch ein Schulabschluss. Hier sei die Zusammenarbeit mit der Mittelschule, der Berufsschule und der Berufsfachschule sehr gut. "Die bemühen sich sehr, die Jugendlichen zu halten und mit ihnen zu arbeiten", zeigt sich die 58-Jährige dankbar.

"Ein weiterer wichtiger Faktor ist unser stabiles Team. Wir haben nahezu keine Fluktuation." Das sei für die jungen Bewohner, aber auch für die Mitarbeiter sehr wichtig, schließlich müsse man sehr eng zusammenarbeiten. "Einmal pro Woche trifft sich das Team für vier Stunden, um klar zu kriegen, wie wir mit was umgehen, damit wir an einem Strang ziehen."

"Es gibt keine Garantie"

Trotz aller intensiver Bemühungen um die Jugendlichen könne man nur schwer sagen, wer später sein Leben gut meistern werde, weiß Rosiwal-Meißner. "Für ein Mädchen waren wir schon das neunte Heim. Sie war dann vier Jahre da und jetzt studiert sie Sozialpädagogik. Das ist toll, aber es war auch ein harter Weg." Auf der anderen Seite habe sie auch schon erlebt, dass "wir jemanden hinausgeworfen haben und dann hat es plötzlich doch geklappt." Es gebe eben keine Garantie.

Für Jenny, mit 14 Jahre die jüngste in der Wohngruppe, ist es auf jeden Fall "die richtige Entscheidung hierher zu kommen". Nach fünf Monaten in der Tagesklinik ist sie in Höchstadt gelandet. "Es ist schön hier", sagt sie und strahlt übers ganze Gesicht. Sie hat auch schon einen festen Plan: "Ich möchte Heilerziehungspfleger machen, denn wenn mir hier geholfen wird, dann möchte ich auch anderen Kindern helfen."

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