US-Jugendfußballer trainieren in Herzogenaurach

12.7.2019, 06:49 Uhr
US-Jugendfußballer trainieren in Herzogenaurach
US-Jugendfußballer trainieren in Herzogenaurach

Es kommt nicht häufig vor, dass auf dem Gelände des FC Herzogenaurach Anweisungen auf Englisch über den Kunstrasenplatz gerufen werden. An diesem Mittwochabend, als die FCH-A-Jugend ein Freundschaftsspiel bestreitet, ist das aber anders.

"You gotta press!" "Relax!", tönten die Kommandos an den FCH-Gegner, eine amerikanische Jugendauswahl. Während dieses Freundschaftsspiel vonstatten geht, steht die Veranstaltungsmanagerin Stephanie Parsons an der Seitenlinie, jubelt, ärgert sich und erklärt, warum seit Anfang Juli eine US-Fußballmannschaft, die größtenteils aus High-School-Spielern besteht, in Herzogenaurach verweilt. Kurz gesagt: Es ist kompliziert. "In den USA läuft das alles ein bisschen anders", sagt sie. Ein Satz, den man im Laufe des Spiels von ihr noch öfters hören wird.

Denn das US-Amerikanische Fußballsystem ist mit dem europäischen kaum vergleichbar. Amateurligen von der Bayernliga bis hin zur B-Klasse? In den USA undenkbar. Hier läuft der Fußball-Hype über die Colleges.

Auf Fußballturnieren, sogenannten Showcases, dürfen Jugendspieler ihr Können beweisen. Die Besten bekommen ein Stipendium angeboten und können sich darüber für den Profifußball empfehlen. Pay to play – ein System, das mit dem deutschen Vereinsgedanken kaum zu vereinbaren ist. Ein System, das aber auch den sozialen Aufstieg möglich macht. Den sportlichen American Dream. Diesen Traum zu leben, das ist Trainer Mickey McNeill gelungen.

Als Sohn eines Iren und einer Kubanerin wächst McNeill in den USA auf. Die Mutter arbeitet in drei Jobs, damit die Kinder auf Privatschulen können. Über die Schullaufbahn arbeitet er sich schließlich nach oben, wird erst Profifußballer, später Fußball-Trainer, coacht mal in der High-School, mal im College. 14 Jahre ist es her, da entscheidet er sich, sein eigenes Team zu gründen. Die City Lions sind geboren.

Die Idee: Selbst auf Turnieren Spieler scouten und diese ins Team holen. Das Versprechen: Die Spieler technisch, taktisch und konditionell auf ein solches Niveau heben, das Colleges auf sie aufmerksam werden und ihnen Stipendien anbieten. Die Hoffnung: Dass manche Spieler irgendwann eine Profikarriere anstreben können. Der Erfolg: Ungefähr 500 Spieler hat McNeill in all den Jahren in sein Team geholt. Jeder einzelne davon ist in einem College untergekommen. 14 davon sind inzwischen Profispieler.

Abgänge sind erwünscht

Während in anderen Teams Abgänge normalerweise als Verluste gelten, sind sie für McNeill ein Zeichen seines Erfolgs. Er bildet seine Spieler aus, um sie sich abwerben zu lassen. Und so ist seine Haupt-Herausforderung immer wieder dieselbe: Wie gelingt es, ein Team zu formen, das sich ständig verändert? Dessen Spieler aus unterschiedlichen Ecken Amerikas kommen und sich oft nur auf Turnieren sehen? Spieler, die in erster Linie für die eigene Zukunft kämpfen?

Auch deshalb organisieren die City Lions alle zwei Jahre ein Trainingslager im Ausland. Irland, Dubai, jetzt Herzogenaurach. "Er ist ziemlich Old-School", erklärt Parsons. "Er kann sehr streng sein und fordert sehr viel Disziplin". Dennoch sei es enorm faszinierend wie schnell sich trotz aller Umstände schon nach wenigen Trainingseinheiten ein wirkliches Team herausbildet. Sechs bis sieben Stunden trainieren die Spieler in Herzogenaurach am Tag. Gerne teilt der Coach sein Team auch in zwei Mannschaften und entscheidet am Ende jedes Tages, welche Spieler aufsteigen, welche absteigen. "Wer Profifußballer werden will, muss weltoffen sein", erklärt Parsons. Der Trainer sage seinen Spielern dann: Jetzt präsentiert euch mal der Welt.

Gegen die A-Jugend des FC Herzogenaurach gewinnen die City Lions schließlich mit 3:2. Wenige Minuten vor dem Ende fällt der entscheidende Treffer, der einen Jubel auslöst, als habe man soeben die Major League Soccer gewonnen. Jetzt geht es für das Team erst einmal für ein paar Tage nach Manchester. Und Mickey McNeill hat noch lange nicht fertig. Er will ein Frauenfußball-Team aufbauen. Er will als US-Direktor der englischen University of Chester in New Mexico fungieren. Er will eine Kooperation mit einem deutschen Fußballteam finden. Gespräche mit Bayern München hat es mal gegeben, aber dann hat er doch lieber sein eigenes Ding weitergemacht. Und irgendwann will er einen weiteren Traum verwirklichen: Ein eigenes US-Leistungszentrum, eine Academy gründen. Für ihn wäre es wieder ein American Dream.

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