Wenn der Brexit täglich grüßt

10.4.2019, 07:00 Uhr
Wenn der Brexit täglich grüßt

Ob ihn das Hin und Her bei den Verhandlungen nicht ermüdet? Im Gegenteil. Er hat einen großen Ordner, in dem er Zeitungsartikel sammelt. "Es ist wahnsinnig spannend und ich habe viel Neues über das parlamentarische System in Großbritannien gelernt."

Außerdem wäre Gibson bei einem harten Brexit persönlich betroffen. Heute verhandeln die Staats- und Regierungschefs der EU über eine Verlängerung der Austrittsfrist.

Gibson hat sechs Jahre lang in London gelebt und gearbeitet. Deshalb steht ihm aus dieser Zeit eine kleine Rente zu, die jährlich leicht steigt. Diese regelmäßige Erhöhung könnte womöglich eingefroren werden. Seit 1974 lebt Mike Gibson mit seiner Frau in Deutschland, seit 1977 in Höchstadt. Geboren ist er im Südwesten Englands, in der Grafschaft Somerset. "Als wir wussten, dass ein Referendum kommt, haben wir die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt", erzählt er. Viele seiner Landsleute haben ihn anschließend beneidet, denn sie mussten danach beim Amt in der Schlange stehen.

Das Land ist gespalten

Weil er schon seit mehr als 15 Jahren nicht mehr in Großbritannien lebt, durfte Mike Gibson beim Brexit-Referendum nicht abstimmen. Eine seiner Töchter schon, weil sie erst 2011 nach einem mehrjährigen Aufenthalt in London mit ihrem Mann und ihrem erstem Kind zurück nach Höchstadt gekommen ist.

Gibson hat den Eindruck, dass die Spaltung der britischen Gesellschaft immer weiter fortschreitet. "Es gibt Todesdrohungen gegen engagierte Bürger - das kann doch nicht sein." Der Höchstadter wünscht sich eine zweite Volksabstimmung und einen Verbleib seinen Geburtslandes in der EU.

Und er freut sich über das große Interesse in Deutschland. Beim ausverkauften NN-Talk mit dem Korrespondenten Hendrik Bebber in Nürnberg war Gibson der einzige Brite im Publikum. Das hat ihn sehr überrascht. Aber er ist auch beunruhigt über die britischen und internationalen Medien sowie über Politiker, die ständig behaupten, dass eine Mehrheit der britischen Bevölkerung für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt habe. "Eine Mehrzahl der Briten, das ist einfach nicht wahr." Es ist natürlich richtig, dass eine Mehrheit der Personen, die an dem Referendum teilgenommen haben, für den Brexit stimmten. "Viele der Briten, die im Ausland wohnen, wurden aber - so wie wir - von der Abstimmung ausgeschlossen. Und fast 28 Prozent der Stimmberechtigten haben nicht abgestimmt."

LAUDIA FREILINGER

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