Verwirrung um RKI-Zahlen

Höhere Impfquote: Haben Betriebs- und Hausärzte Corona-Impfungen nicht gemeldet?

13.10.2021, 05:57 Uhr
Eine Befragung des RKI legt nahe, dass die Impfquote über den offiziell gemeldeten Zahlen des RKI liegt. Grund dafür könnten versäumte Meldungen von Haus- und Betriebsärzten sein.

© imago images/MiS Eine Befragung des RKI legt nahe, dass die Impfquote über den offiziell gemeldeten Zahlen des RKI liegt. Grund dafür könnten versäumte Meldungen von Haus- und Betriebsärzten sein.

Es herrscht Verwirrung um die Impfquote. Laut den täglichen Zahlen des Robert Koch-Instituts sind derzeit 76 Prozent der Erwachsenen in Deutschland vollständig geimpft (Stand: 12. Oktober 2021). Tatsächlich könnten es allerdings viel mehr sein. Die Analyse einer Befragung des RKI kommt zu dem Ergebnis, dass die Quote möglicherweise schon bei 80 Prozent liegen könnte.

Täglich veröffentlicht das RKI die aktuelle Impfquote, die Daten werden dem digitalen Impfquotenmonitoring (DIM) entnommen. Hier wird erfasst, wie viele Menschen in Impfzentren, Krankenhäusern und Arztpraxen geimpft wurden. Um diese Zahlen zu kontrollieren, führt das RKI regelmäßig Analysen durch. Bei Telefonbefragungen wird stichprobenartig erfasst, wie viele Menschen angeben, geimpft zu sein. Anschließend vergleicht man das mit der Zahl der ausgegebenen Impfdosen.

Bei der letzten Analyse kam man auf eine mögliche Impfquote von 80 Prozent. Die Impfquote ist weiterhin eine wichtige Kennzahl, dass zeigen beispielsweise Diskussionen über einen "Freedom-Day", also den Tag, an dem alle Corona-Maßnahmen aufgehoben werden. Für die Abweichung der Zahlen gibt es mehrere Erklärungen. Der Fehler könnte bei der Auswertung der Telefonumfrage entstanden sein, also an der Statistik liegen. Laut RKI ist auch davon auszugehen, dass Impfbefürworter auskunftsfreudiger waren als Impfskeptiker und die Befragung fand nur auf Deutsch statt - alles potentielle Fehlerquellen.

Angenommen, die Ergebnisse der Befragung stimmen und die bisher angenommen Impfquote ist falsch: Dann müsste der Fehler an einer anderen Stelle entstanden sein. Das RKI hat bereits Ursachenforschung betrieben mit dem Ergebnis, dass der Fehler vor allem bei Haus- und Betriebsärzten entstanden sein könnte.

Impfungen landen im Müll

Eine Annahme ist, dass Ärzte im stressigen Praxisalltag nicht alle Impfungen an das RKI weitergemeldet haben. Dass hält ein Sprecher des Bayerischen Hausärzteverbandes allerdings für unwahrscheinlich. Der Grund: In den Praxen müssen grundsätzlich alle Maßnahmen für die Honorarabrechnungen dokumentiert werden. "Das ist ja nicht nur bei der Corona-Impfung so, die Hausarztpraxen kennen das Prozedere", erklärt der Sprecher. Wie die Differenz zwischen ausgegebenen Impfstoff und Meldungen beim RKI entstanden sein könnte, dafür hat er keine Erklärung. Tatsache sei aber, dass weiterhin Impfstoff entsorgt werden muss, weil die Vakzine nur in Mehrfach-Ampullen ausgeliefert werden und der Impfstoff in angebrochenen Ampullen nur wenige Stunden haltbar ist. "Wir fordern deshalb von der Industrie, wie bei anderen Impfstoffen auch, endlich Einzel-Dosen bereitzustellen, damit in den Praxen auch im Einzelfall geimpft werden kann."

Chaotischer Impfbeginn bei Betriebsärzten

Eine andere Ursache für die abweichenden Zahlen könnte die Datenerfassung bei den Betriebsärzten sein. In einem Bericht des RKI heißt es: "Bisher melden nur etwa die Hälfte der bei DIM registrierten Betriebsärzt:innen Impfungen über die Webanwendung." Der Fürther Betriebsarzt Christian van de Weyer weiß, woran das liegen könnte. Zum einen hätten einige Betriebsärzte ihre Patienten in Impfzentren geimpft, den Impfstoff dafür brachten sie selbst mit. In diesen Fällen erging die Meldung an das RKI über das Impfzentrum. Zum anderen seien viele Betriebsärzte auch Kassenärzte. Es könne sein, dass die Meldungen der Betriebsarztimpfungen, mit denen der Kassenarzt-Praxen vermischt wurden.

Einen dritten Grund sieht van de Weyer in der Bürokratie. Drei Monate hätte man versucht herauszufinden, wie man zu Impfstoff kommt. Dann sei alles schnell gegangen. Zur Dokumentation mussten die Ärzte ein Online-Zertifikat beantragen, mit dem sie die Impfungen direkt ins Melderegister eintragen konnten. Laut van de Weyer, der auch stellvertretender Vorsitzender des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte in Nordbayern ist, herrschte bald Stau und man musste lang auf sein Zertifikat warten. Deshalb hätten viele Betriebsärzte die "Waffen gestreckt".

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