"Ich bin immun": Umstrittener Unternehmer spritzte sich selbst entwickelten Corona-Impfstoff

25.5.2020, 09:39 Uhr
Winfried Stöcker ist inzwischen mehr Investor als Mediziner. Seit 2016 gehört ihm der Flughafen Lübeck. In diesem Sommer sollten dort die ersten Maschinen starten.

© Carsten Rehder, picture alliance/dpa Winfried Stöcker ist inzwischen mehr Investor als Mediziner. Seit 2016 gehört ihm der Flughafen Lübeck. In diesem Sommer sollten dort die ersten Maschinen starten.

Mehr als 100 Arbeitsgruppen auf der Welt arbeiten zurzeit an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus Sars-Cov-2. Ein paar erste klinische Studien an Menschen sind bereits angelaufen. Bis ein Wirkstoff zugelassen werden könnte, wird es aber wohl noch ein Jahr dauern, womöglich sogar einige Jahre, sagen Experten.

Winfried Stöcker dauert das anscheinend zu lange. Der Unternehmer hat vor zwei Monaten damit begonnen, sich ein selbst entwickeltes Mittel zu verabreichen. Nach eigenen Angaben handelt es sich dabei um Sars-Cov-2-Antigene. Die inaktiven Virus-Bestandteile führen dazu, dass der Körper sich gegen die Erreger wehrt und Antikörper bildet. Bei einer tatsächlichen Infektion ist das Immunsystem dann vorbereitet. Auf diesem Grundprinzip basieren Impfstoffe.

Völlig ungefährlich - oder etwa doch?

Sein Vorgehen sei völlig ungefährlich, sagt Stöcker. Doch so ein Selbstversuch kann schiefgehen. Das neuartige Coronavirus wird erst seit wenigen Monaten erforscht. Die Risiken sind noch nicht ausreichend bekannt. Experten sind sich derzeit noch nicht einig, ob eine überstandene Infektion überhaupt langfristig immun macht.

Seit März hat sich Stöcker insgesamt vier Mal, im Abstand von ein bis zwei Wochen, seinen selbst entwickelten Impfstoff in den Oberschenkelmuskel gespritzt - in immer höheren Dosen. "Um Zeit zu sparen" habe er gar nicht erst nach einer Genehmigung gefragt. Auf seinem Blog verkündet er Mitte Mai: "Ich bin jetzt immun gegen Sars-Cov-2!" Mehrere Tests hätten gezeigt, dass sein Körper Antikörper gegen Sars-Cov-2 gebildet habe. Seine Website ist seit dieser Woche allerdings nicht mehr online.

Stöcker sollte wissen, was er tut: Er ist 73 Jahre alt und gehört damit zur Corona-Risikogruppe. Er wurde in Sachsen geboren und ist in Pegnitz zur Schule gegangen. Ab 1967 hat er in Würzburg Medizin studiert und auch promoviert. 1987 gründet Stöcker das Diagnostik-Labor "Euroimmun", das unter anderem auch Tests für die Coronaviren Sars-Cov-1 und Mers-Cov vertreibt. 2017 verkauft er seine Firma für 1,2 Milliarden Euro an einen Medizintechnikkonzern in den USA. Auch einen Test auf Sars-Cov-2 hat Euroimmun inzwischen auf den Markt gebracht und damit etwa die bekannt gewordene Studie im Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen ausgestattet.

Selbstversuche sind umstritten

Selbstversuche sind jedoch wenig aussagekräftig. Von einer Einzelperson lässt sich nicht darauf schließen, wie andere Menschen auf das Mittel reagieren. Auch deshalb gibt es gerade für die Impfstoffentwicklung internationale Standards, unabhängige Kontrollen und bestimmte Stufen, die es einzuhalten gilt. Auch Ethikkommissionen müssen den Studien zustimmen.

Ein Arzneimittel wird zuerst in Zellkulturen und an Labortieren getestet. Anschließend durchläuft das Medikament oder der Impfstoff drei streng überwachte klinischen Phasen mit zunächst einigen wenigen und dann immer mehr Testpersonen. Bis die zuständigen Behörden anschließend einer Marktzulassung zustimmen, dauert es oft ein weiteres halbes Jahr.

Stöcker schreibt: "Wie erwartet, habe ich die Impfungen gut vertragen. Ich fühlte mich während der ganzen Zeit wohl und blieb gesund." Er plädiert nun dafür, seinen Impfstoff an weiteren Menschen zu testen. Dafür müsste sich der Mediziner aber an die gleichen Regeln halten, wie alle anderen auch. Eine Zulassung für seine Experimente wird er sonst nicht bekommen.


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