Im virtuellen Rausch: So wird der politische Aschermittwoch

15.2.2021, 18:14 Uhr

Es gibt Menschen, die würden das Spektakel nicht vermissen. Doch um sie geht es nicht. Die können am Mittwoch ihr Internet abschalten und in die Arbeit oder spazierengehen, während die Härteren sich Online durch eine Vielzahl von Veranstaltungen klicken dürfen.
Denn nicht einmal im Coronajahr verzichtet die Politik auf ihren politischen Aschermittwoch. Im vergangenen hatte das Virus zwar längst von sich reden gemacht, doch da wollte es noch niemand so richtig ernst nehmen. Das hat sich geändert. Und so kommen die Redner nun bevorzugt virtuell daher, können sich die Hardcore-Fans zuhause in Lederhose und Dirndl vor den Computer setzen und statt Fass- ein Flaschenbier trinken.


Politischer Aschermittwoch 2020: Der Imagewechsel des Markus Söder


Die CSU macht es ihnen leicht. Ein Fan-Paket haben sie in der Zentrale geschnürt für die zünftige Stimmung dahoam. Während Markus Söder als Parteichef einsam auf der Bühne in Passaus Drei-Länder-Halle steht, dürfen seine Anhänger zuhause mit vier "Papierfähnchen CSU – Näher am Menschen" wedeln, zwei Flaschen Passauer Bier aus "einem Steinkrug im Aschermittwochs-Look" trinken und, wenn sie ganz hart drauf sind, mit "Fan-Tröte" und "Fan-Ratsche" die Nachbarn erschrecken.

Fernduell mit Laschet?

Ganz wird das Söder nicht verborgen bleiben. Die CSU hat eine riesige Videowand in der Halle errichtet, auf der sie Aschermittwochs-Fans dem Parteichef zuschaltet. Denn das ist nicht nur bei der CSU die große Sorge, dass der Funke ohne Publikum nicht richtig überspringt und die Stimmung irgendwo in den leeren Sälen verhallt wie ein trauriges Echo. Dabei kann die CSU nicht nur mit dem ausverkauften Fan-Paket aufwarten; sie hat auch eine Premiere im Programm.

Armin Laschet, seit Neuestem CDU-Chef und Anwärter auf die Kanzlerkandidatur, schaltet sich per Grußwort zu. Dass sich Söder mit ihm ein Fernduell ums Kanzleramt bieten wird, ist allerdings unwahrscheinlich.
Eher arbeitet sich Söder an den Grünen ab, die er inzwischen für die größte Herausforderung hält. Die bleiben in München; und es ist gut möglich, dass ihnen der kürzeste Aschermittwoch gelingt. Sie bieten zwar sechs Redner auf von Katharina Schulze über Toni Hofreiter bis Annalena Baerbock. Doch nach einer Stunde soll alles vorbei sein, wie ein Sprecher verspricht, "ein kurzes, knackiges Format". Damit sie nicht sechsmal das Gleiche erzählen, haben sie thematische Vorgaben.
Bei den Freien Wählern reden zwar auch ein paar andere.

Das Hauptgewicht bildet aber wie immer Hubert Aiwanger, schon dank seiner vielen Funktionen als Vize-Ministerpräsident, Wirtschaftsminister, Landes- und Bundesvorsitzender. Auch Aiwanger muss ohne Publikum auskommen, für einen leidenschaftlichen Bierzeltredner wie ihn sicher eine neue Erfahrung. Wer weiß, vielleicht liefert er sich ein Fernduell mit seinem Koalitionspartner Söder um die nächsten Lockerungsschritte im Lockdown.

Da könnte auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz mitreden. Er ist der einzige, der sich schon Kanzlerkandidat nennen darf, wenn er bei der SPD im niederbayerischen Vilshofen redet. Scholz ist nicht gerade als leidenschaftlicher Redner bekannt. Aber vielleicht reißt ihn ja der improvisierte Stammtisch mit, den die SPD im Wolferstetter Keller eingerichtet hat. Auch wenn an dem nur drei Leute sitzen dürfen. Der Abstand. Aiwanger hat das seinerzeit ja schon mal erklärt, wie das mit den Kumpels am Biertisch so ist.

AfD mit Publikum

Drüben bei der FDP setzen sie auf ihren Chef Christian Lindner, die Linken auf ihren einzigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Auch sie müssen sich mit einer Kamera als Gegenpart begnügen. In Corona-Zeiten geht das kaum anders. Außer bei der AfD. Die trifft sich in ihrer Lieblingshalle in Greding zum politischen Aschermittwoch, bietet sechs Redner auf. Und knapp hundert Gäste. "Wir nehmen uns da nicht irgendwelche Rechte raus", sagt ein Sprecher. "Die Rechte sind ja da." Die Veranstaltung ist tatsächlich genehmigt, mit Publikum. Ob allerdings der Funke wirklich überspringt, ist offen bei durchgängiger FFP2-Maskenpflicht. Immerhin gibt es bei der AfD auch Bier. Aber nichts zu essen. Spannung sieht anders aus.

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