"Impfgipfel" stellt Weichen für Impf-Kampagne in Bayern

30.3.2021, 17:37 Uhr
Ministerpräsident Markus Söder (l, CSU) und Klaus Holetschek (r, CSU), Staatsminister für Gesundheit und Pflege, nach dem Bayerischen Corona-Impfgipfel bei der anschließenden Pressekonferenz.

© Peter Kneffel, dpa Ministerpräsident Markus Söder (l, CSU) und Klaus Holetschek (r, CSU), Staatsminister für Gesundheit und Pflege, nach dem Bayerischen Corona-Impfgipfel bei der anschließenden Pressekonferenz.

Bis zum 2. Mai soll Bayern mehr als zwei Millionen Anti-Corona-Impfdosen erhalten. Für den Fall, dass die Zusagen auch so umgesetzt werden, steht nach den Worten von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die "Impfallianz" mit den niedergelassenen Ärzten. Söder schwebt darüber hinaus vor, das jetzt schon in den ostbayerischen Corona-Hotspots angewandte flexiblere Impf-Regime Schritt um Schritt auf ganz Bayern auszurollen. Das würde bedeuten, dass von der strengen Impfpriorisierung abgewichen und sogenanntes Riegel- und Ring-Impfen erlaubt werden kann.


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Dazu müsse die Impfverordnung "entkriminalisiert" werden, sagte Söder. Er habe Vertrauen in die Ärzte, die richtige Priorisierung vorzunehmen, betonte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Ältere und chronisch Kranke würden auch bei der heute (Mittwoch) beginnenden Einbeziehung von Hausärzten in die Impfkampagne Vorrang haben. Nach Angaben des Bayerischen Hausärzteverbands sollen zunächst etwa 1.450 Hausarzt- und 200 Facharztpraxen im Regelbetrieb impfen. Den insgesamt 1.635 Praxen werden anfänglich allerdings nur 33.000 Dosen zur Verfügung stehen, also 22 pro Praxis. Ab dem 5. April soll dann auch in allen bayerischen Praxen geimpft werden. Der Hausärzteverband bat die Patienten, sich noch zu gedulden. "Warten Sie bitte, bis sich ihr Hausarzt bei Ihnen meldet", sagte Verbandsvorsitzender Markus Beier.

Rechtssicherheit für Hausärzte gefordert

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag Horst Arnold forderte Rechtssicherheit für die impfenden Hausärzte. Dafür müsse Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die entsprechenden Vorgaben in der Bundes-Impfverordnung praktikabel ändern, erklärte Arnold. Die Ärzte wüssten am meisten über ihre Patienten und deren Gesundheitszustand. Erforderlich seien pragmatische Lösungen bei der Priorisierung, um schnell voranzukommen.


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Zusätzlich sollen die bestehenden Impfzentren mit einer maximalen Kapazität von 70.000 Dosen pro Tag weiterimpfen, und zwar auch über die Osterfeiertage, wie Söder betonte. Mit zunehmender Impfstoffmenge werden dann auch die Betriebsärzte zunächst großer Firmen einbezogen, um komplette Belegschaften zu immunisieren. Spätestens dann ist die strenge Imfpriorisierung nicht mehr einzuhalten. Gesundheitsminister Holetschek sorgte sich wegen der "Imageprobleme" des Astrazeneca-Wirkstoffs: "Die Akzeptanz bleibt schwierig". Die Politik werde "bald" vorangehen müssen und sich demonstrativ mit AstraZeneca impfen lassen müssen, meinte Holetschek.

Bisher hat Bayern nach Angaben Söders 2,7 Millionen Impfdosen erhalten, von denen 2,2 Millionen verwendet wurden. Die Differenz liege auch daran, dass AstraZeneca "nicht so geht wie gehofft", weil "jeden Tag ein neues Problem" damit gemeldet werde. Söder wiederholte seinen Vorschlag, diesen Impfstoff für alle frei zu geben: "Wer will und wer sich traut, soll die Möglichkeit haben". Die Nebenwirkungen von AstraZeneca seien eine viel geringere Gefahr als eine Corona-Infektion. Etwas mehr als elf Prozent der bayerischen Bevölkerung haben nach Angaben Söders inzwischen eine Erstimpfung erhalten. Der zeitliche Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfungen werde auf das Maximum ausgeweitet.


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Modellstädte: Frage des "Ob" noch offen

Am Mittwoch nach Ostern soll darüber entschieden werden, "ob überhaupt" (Söder) der Modellversuch "Tübingen plus" in Bayern gestartet wird und welche "Modellstädte" an dem Versuch "mehr Öffnung durch konsequentes Testen" teilnehmen können. Angesichts weiter steigender Infektionszahlen schloss Söder nicht aus, dass das Vorhaben, "Tübingen plus" in acht Modellstädten auszuprobieren, auch ganz gestrichen werden könnte.

Am Dienstag wurden schon einmal die Kriterien für die Teilnahme genannt: Es sollen nur Städte in Frage kommen, die zwischen 11.000 und 100.000 Einwohner haben, die sich nicht schon nahe einer Inzidenz von 150 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bewegen und deren Gesundheitsämter zu einem "funktionierenden Kontaktmanagement" mittels moderner Software in der Lage sind. Schließlich sollte die Modellstadt auch nicht an einen Corona-Hotspot angrenzen. Ansbach war am Dienstag die einzige kreisfreie Stadt, die noch unter einer Inzidenz von 50 lag.

Inzwischen haben sich schon die meisten der größeren bayerischen Städte für die Teilnahme an dem Versuch gemeldet. Das Projekt diene nicht dazu, möglichst überall Öffnungen zu erreichen, sondern zu klären, welche Wirkungen durch konsequentes Testen erreicht werden könnten, bremste Söder die Erwartungen. Wie Österreich mit seinen derzeit hohen Infektionszahlen zeige, sei "Testen nicht alles".

Es gebe keinen Grund, die für diese Woche angekündigte Auswahl von Modellregionen für Corona-Öffnungen zu verschieben und unter Vorbehalt zu stellen, kritisierte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsabgeordneten Karsten Klein (Aschaffenburg). Unzählige Bürgermeister und Landräte stünden nach der Ankündigung der Staatsregierung in den Startlöchern und würden nun zurückgerufen. Mit Schnell- und Selbsttests, klugen Hygienekonzepten und dem tagesaktuellen Blick auf Fallzahlen und Krankenhausbelegungen könne vor Ort verantwortungsvoll angepasst gehandelt werden, so Klein.

Söder pocht auf verpflichtende Tests in der Schule

Die Staatsregierung besteht nach den Worten Söders auf eine Testpflicht für Schulklassen im Präsenzunterricht ab einer Inzidenz von 100. Diese Tests müssten zudem an der Schule stattfinden, bekräftigte Söder, nicht zuhause nach dem Motto "jaja, hab's gemacht". Virus-Mutationen könnten auch bei jüngeren Jahrgängen zu Erkrankungen und schlimmeren Verläufen führen, warnte der Regierungschef. Mittlerweile wird bei 72 Prozent aller Corona-Infektionen im Freistaat die britische Virusvariante entdeckt. Die Pandemie werde allmählich für den gesamten Bildungsstandort Deutschland "zu einer echten Herausforderung", sagte Söder.

Die derzeitigen Streitereien zwischen Bund und Ländern um die Pandemie-Politik nötigt dem bayerischen Ministerpräsidenten Kopfschütteln ab. Er finde es "sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende mit der CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl streitet", sagte der CSU-Chef. Es herrsche "offensichtlicher Klärungsbedarf", allerdings "nicht in der CSU".

"Da braucht es mehr Zug dahinter"

Er sei "nicht sicher, ob jeder den Ernst der Lage verstanden hat", sagte Söder mit Blick auf die unterschiedlichen Handhabungen der Pandemie-Einschränkungen in den verschiedenen Ländern. Die sich jetzt aufbauende dritte Pandemie-Welle sei ohne Zweifel die gefährlichste. Deutschland benötige "einen Pandemie-Plan und nicht 16 verschiedene". Erneut zeigte sich Söder offen für mehr Kompetenzen für den Bund im Bereich der Seuchenbekämpfung. Die Rechtslage gebe das auch her, so der bayerische Ministerpräsident: "Da braucht es einfach mehr Zug dahinter. Wir können nicht endlos rumtrödeln und auf den Letzten warten". Weitere "endlose Sitzungen mit zu wenig Ergebnis" dürfe es nicht geben.

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