In Oberniederndorf kocht die Volksseele

5.6.2007, 00:00 Uhr
In Oberniederndorf kocht die Volksseele

© Oberth

Die Firma BST hatte in der 30 Jahre lange ausgebeuteten Tongrube rund 30 000 Kubikmeter alten Gleisschotter abgelagert, der nicht nur erhöhte Werte polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) aufwies, sondern auch mit Straßenkehricht versetzt war. Fachleute warnen davor, dass beim Zerfall und der Vergärung der Pflanzenanteile problematische Stoffe in das Grundwasser gelangen könnten - mit verheerenden Folgen für die Oberniederndorfer: Sie beziehen ihr gesamtes Trink- und Brauchwasser aus Hausbrunnen.

Der Streit um die Skandal-Grube liegt mittlerweile beim Verwaltungsgerichtshof in München, nachdem eine erste Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Ansbach im März dieses Jahres ergebnislos vertagt worden war.

Ortssprecher Maibom ist klar: Es war ein Fehler, den blumigen Erzählungen von BSR im März 2003 im Emskirchner Gemeinderat über die geplante Rekultivierung der Tongrube Glauben zu schenken. Die Besitzer von sieben der zehn Hektar Grubenfläche hatten den Bürgern eine «reine Rekultivierung» zugesichert, bei der nur Erdaushub sowie sortierter und garantiert unbedenklicher Bauschutt zum Einsatz kommen würden. Doch dann kam alles ganz anders.

Wilhelm Götz hat fast 30 Jahre in der Tongrube gearbeitet und kennt das Areal wie seine Westentasche. Er und weitere Anwohner hatten ab Januar 2006 mit angesehen, wie mit der Verfüllung begonnen wurde - mit Gleisschotter. Stutzig machte die Oberniederndorfer zudem, dass statt angekündigter fünf bis sechs Lkw pro Tag letztlich 30 bis 40 Laster täglich dort ihren Dreck abkippten, erinnert sich Götz. Der Schock kam dann vor einem Jahr, als eine stinkende, ölig schimmernde Brühe aus dem Schotterberg lief. Das sofort benachrichtigte Landratsamt erließ am 12. Mai 2006 einen Bescheid, in dem BSR mit sofortiger Wirkung aufgefordert wurde, die «Deponierung mit nicht zugelassenem Füllmaterial einzustellen».

Drei Tage später kontrollierten Mitarbeiter des Amts die Grube und stießen auf einen Lkw-Fahrer, der gerade seine Ladung abkippte und zugab, auch in den Tagen zuvor im Auftrag von BSR weiter Material dort angeliefert zu haben. Die Versiegelung der Grube war die unausweichliche Folge, doch rund 30 000 Kubikmeter Gleisschotter, vermischt mit organischem Material, blieben bis heute dort liegen.

Seither tobt ein erbitterter Streit darüber, ob das Material aus der Tongrube wieder entfernt werden muss oder nicht. Inzwischen hatten Gutachter das Feld übernommen und kamen - je nach Auftraggeber - zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Für Michael Müller vom Wasserwirtschaftsamt stand deshalb im September 2006 eindeutig fest: «Das Material kann dort nicht bleiben.» Auch das Landratsamt sah sich in seinem Vorgehen bestätigt und erließ kurz darauf eine «Beseitigungsanordnung», gegen die sich BSR mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzte.

Vor so viel Hartnäckigkeit resignierte selbst das Verwaltungsgericht Ansbach. Solche Reaktionen lassen in Oberniederndorf alle Alarmglocken schrillen: «Da wird überhaupt nicht mehr darüber gesprochen, dass dieses Material niemals in die Grube kommen durfte», empört sich Wilhelm Götz. Die Menschen im Dorf fühlen sich von der Firma hintergangen und haben «jedes Vertrauen in deren Aussagen verloren», so Ortssprecher Maibom.

Die Krone der Unverfrorenheit sei aber ein Antrag der Firma vom März 2007 gewesen, in der sie eine Änderung der Einstufung der Tongrube forderte. Hätte der Gemeinderat Emskirchen dem zugestimmt, wäre die Einlagerung von vorsortiertem und gereinigtem Gleisschotter (das Unternehmen hatte im Vorfeld immer behauptet, solches Material dort abgelagert zu haben) möglich geworden. Letztlich lehnte das Gremium den Antrag ab - gegen die Stimme von Bürgermeister Dieter Schmidt (CSU).

Fürwahr ein schwacher Trost für die Oberniederndorfer, die befürchten, dass neben ihren Wohnhäusern jetzt «jahrzehntelang eine Bedrohung für unsere Wasserversorgung» liegen bleibt. Ihre Forderung ist unmissverständlich: «Das Zeug muss raus, weil es vorsätzlich und bewusst eingelagert wurde, obwohl es nicht genehmigt war», gibt Maibom die Stimmung im Ort wieder. Denn eines steht für alle zusammen unweigerlich fest: «Wenn etwas im Trinkwasser gefunden wird, können wir den Ort zumachen.» Matthias Oberth

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