"Inside Borussia Dortmund": Blick in die Seele des BVB

15.8.2019, 05:32 Uhr
Marco Reus, Jadon Sancho und Axel Witsel sind nur einige Protagonisten der neuen Doku-Serie "Inside Borussia Dortmund". Darin lässt Filmemacher Aljoscha Pause auch Trainer- und Betreuerstab sowie Vereinsmitarbeiter bis hin zum Zeugwart zu Wort kommen.

© Grant Hindsley / Amazon Marco Reus, Jadon Sancho und Axel Witsel sind nur einige Protagonisten der neuen Doku-Serie "Inside Borussia Dortmund". Darin lässt Filmemacher Aljoscha Pause auch Trainer- und Betreuerstab sowie Vereinsmitarbeiter bis hin zum Zeugwart zu Wort kommen.

Einen Spitzenklub hautnah hat Amazon versprochen. Was Prime-Video-Abonnenten ab dem 16. August bekommen, ist "Inside Borussia Dortmund". Das Format blickt in vier Teilen ins Innenleben eines der beliebtesten Fußballvereine der Welt, den Filmemacher Aljoscha Pause im Rahmen der Saison 2018/2019 exklusiv begleitete.

Blick hinter die Kulissen eines Profi-Klubs

Den besonderen Reiz macht dabei der Blick hinter die Kulissen des BVB aus, denn das Abschneiden der "Schwarz-Gelben" in der vergangenen Saison ist Kennern schließlich schon bekannt. Die Mannschaft des 2018 neu hinzugestoßenen Trainers Lucien Favre, die sich in den vergangenen Jahren zum größten Konkurrenten von Rekordmeister Bayern München aufschwang, startete unter ihrem neuen Spielleiter fulminant in die Saison, verspielte letztlich aber einen enormen Punktevorsprung gegenüber der Konkurrenz aus München.

Sowohl Amazon als Produzent als auch Aljoscha Pause als Dokumentarist brachten große Vorerfahrung in die Produktion von "Inside Borussia Dortmund" mit. Im Juni 2016 erschien erstmals die von Amazon Studios produzierte Serie "All or Nothing“, die seither jede Saison ein NFL-Team in den USA begleitete, Football-Stars im Privatleben folgt, Kabinenansprachen und Trainingsbetrieb zeigt und damit sportliche Leistungen in größere Zusammenhänge stellt. Insofern fungierte die Reihe, von der im August 2018 auch eine Staffel über den englischen Fußball-Verein Manchester City erschien, als Blaupause für "Inside Borussia Dortmund". Aljoscha Pause ist seinerseits für die Produktion von Sport-Dokus bekannt und drehte zuletzt "Being Mario Götze" für Sport-Streamer DAZN.

Mehr als ein PR-Format für den BVB

"Inside Borussia Dortmund“ zeichnet sich mit seinen nur vier Episoden durch eine enorme Dichte aus. Inhaltlich kommen, wie für Dokumentationen üblich, Beteiligte wie die Fußball-Stars Marco Reus, Axel Witsel, Roman Bürki oder Marcel Schmelzer zu Wort. Schnell merken Zuschauer, dass die Profis nicht wie sonst in Interviews gezwungen sind, sich als möglichst glatte, phrasendreschende Handpuppen des Vereins-Pressesprechers zu präsentieren. Von Vereinsseiten betont der BVB, dass man Filmemacher Pause freie Hand lassen wollte.

Auch Trainer Lucien Favre, der in der Öffentlichkeit das Image des verschrobenen Fußball-Professors innehat, ermöglicht die Doku so die Möglichkeit, sich authentisch zu präsentieren und sein Bild in der Öffentlichkeit geradezurücken, genauso wie im Falle polarisierender Vereinspersönlichkeiten wie Hans-Joachim Watzke, der in der Serie stets besonnen über die Vorgänge im Verein reflektiert. Insofern kommt die Doku-Serie dem BVB aus PR-Sicht nicht ungelegen, bietet aber weit mehr als glattgebügelte Produktionen im Stile von "Die Mannschaft". Der Doku-Film über die deutsche Weltmeistermannschaft von 2014 unterlag einst spürbar dem Einfluss des DFB.

Der nahezu uneingeschränkte Zugang des Kreativ-Teams führt aufgrund des Saisonverlaufs zu schonungslosen und teilweise sehr emotionalen Bildern eines nervenaufreibenden Saisonfinals, der bei Spielern, Fans und Vereinsfunktionären viel Frust erzeugte. Für deutsche Verhältnisse sind besagte Einblicke unvergleichlich und noch nie dagewesen. Sie räumen jedoch auch mit verklärten und romantisierten Bildern des Profisports auf. Die Stars, die sonst Poster in Kinderzimmern zieren, begegnen dem Zuschauer als greifbare Menschen.

Doku-Serie als Drama

Dass die Doku im Wintertrainingslager des Teams ansetzt, als der Verein noch mit sechs Punkten vor den Bayern stand, lässt schnell den Schluss zu, dass Pause die Serie als klassisches Drama anlegt. Das gab der Saisonverlauf in gewisser Weise auch vor. Mit Beginn der Rückrunde wird der Vorsprung des BVB weiter wachsen, seinen Höhepunkt erreichen, ehe sich die Handlung umkehrt und auf ihre Katastrophe zusteuert.

Eine Katastrophe hatten einige Spieler von Borussia Dortmund schon am 11. April 2017 erlebt, als ein Einzeltäter einen Bombenanschlag auf deren Mannschaftsbus verübte. Schon nach rund 15 Minuten kommt das Ereignis zur Sprache, dass die Fußballprofis, die damals schon Teil des Teams waren, bis heute posttraumatisch prägt. Es sind derlei Geschichten, die die Wahl von Borussia Dortmund als Mittelpunkt einer Doku-Serie über einen deutschen Fußballverein am interessantesten machen.

Geschichten und vor allem Geschichte hat dieser Verein „aus Kohle und Stahl“, der im Ruhrgebiet verwurzelt ist. In der Region, die sich einst durch den Bergbau definierte, entwickelte sich Borussia Dortmund spätestens nach den großen Erfolgen in den 50er Jahren zum fast religiös verehrten Identifikationsobjekt. Auch eine Geschichtsstunde mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen lässt sich "Inside Borussia Dortmund" nicht nehmen, um die Geschehnisse in der Gegenwart in größere Zusammenhänge zu stellen und zu verdeutlichen, welch eine Erwartungshaltung seitens Stadt und Region auf dem Verein liegen.

Der Sport selbst bleibt Mittelpunkt

Das alles ist notwendig, um "Inside Borussia Dortmund" nicht zur bloßen sportlichen Nacherzählung werden zu lassen. Die Action kommt nämlich auch nicht zu kurz. Die Filmemacher hatten Zugriff auf Highlights aus den Bundesliga-Partien der Dortmunder, die anders als etwa in der "Sportschau" unter Einsatz von dramatischer Musik zusammengeschnitten wurden und ihren Kommentar nicht nur durch Sportjournalisten, sondern auch durch die Spieler oder den Trainer selbst erhalten. Die Musikstücke selbst sind dabei nicht immer sinnvoll gewählt und zu häufig eingesetzt. Sie geben der Doku oft eine melancholische Note, die den puren Blick auf das Vereinsleben überlagert, die Bilder teilweise sogar konterkarieren.

Es ist einer der wenigen Wermutstropfen eines erkenntnisreichen Formats, das dennoch nur wirklichen Fußball-Liebhabern ans Herz gelegt werden kann, weil der Fußball und sein Geschäft selbst Dreh- und Angelpunkt bleiben. Insofern ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung pünktlich zum Bundesligastart der Saison 2019/2020 passend gewählt.

Eine lange Historie, Fußball-Spektakel, Fußballstars hautnah. Doch "Inside Borussia Dortmund" beginnt nicht etwa mit den Höhepunkten auf dem Platz, sondern mit harten Einheiten im Kraftraum, Video-Analysen in dunklen Zimmern oder Terminen beim Klub-Physio, während Trainer Favre dem Zuschauer seine Philosophie erklärt. In diesen unromantischen Momenten ohne Glanz wird die Basis für Erfolg geschaffen. "Fußballspieler müssen leiden", fasst Favre in dieser Anfangsszene zusammen. Und das werden die Borussen in der Saison, die für den Zuschauer noch einmal rekapituliert wird – auch auf Arten, die sich Fans, die es mit dem BVB halten, sicher vor der Saison nicht gewünscht hatten. Phrasen-Liebhaber würden sagen: "Das ist Fußball."

Ab dem 16. August veröffentlicht Prime Video immer freitags je eine Ausgabe der vierteiligen Doku-Serie "Inside Borussia Dortmund" für alle Abonnenten.

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