Kampf gegen Hass im Netz: Staatsanwaltschaft München zieht Fazit

Christian Urban

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4.3.2021, 15:22 Uhr
Hasskommentare und Beleidigungen sind im Netz mittlerweile allgegenwärtig. (Symbolbild)

© Paul Zinken, dpa Hasskommentare und Beleidigungen sind im Netz mittlerweile allgegenwärtig. (Symbolbild)

Hasskommentare, Beleidigungen, Rassismus und Volksverhetzung: Im Netz, insbesondere auf Facebook, scheinen viele Menschen beim Verfassen von Kommentaren keinerlei Grenzen mehr zu kennen. Schon seit mehreren Jahren verschlechtert sich das Diskussionsklima in den sozialen Netzwerken rapide - eine Entwicklung, die sich durch den Corona-Lockdown und das dadurch aufgeheizte gesellschaftliche Klima noch deutlich beschleunigt hat. Auch auf unseren verschiedenen Facebook-Seiten ist das zu unserem Leidwesen deutlich zu spüren.

Um dieser fortschreitenden Verrohung etwas entgegen zu setzen, ist auch der Verlag Nürnberger Presse Teil der Initiative “Konsequent gegen Hass und Hetze im Netz”, die im Oktober 2019 von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und dem bayerischen Justizministeriums ins Leben gerufen wurde. Das Anliegen ist schnell erklärt: "Hate Speech nur zu löschen, kann nicht die Lösung sein. Eine nachdrückliche strafrechtliche Verfolgung dagegen schon", schreibt die Initiative auf ihrer Homepage.


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Über 100 Medienhäuser aus ganz Bayern sind mittlerweile beteiligt und haben einen direkten Draht zur Staatsanwaltschaft München I, um vermeintliche Hasskommentare schnell und unkompliziert zur Prüfung einreichen zu können. Sind die Kommentare tatsächlich strafrechtlich relevant, ergreift die Staatsanwaltschaft die nötigen Maßnahmen.

Dr. Klaus Ruhland, Leitender Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft München, zeigt sich mit der bisherigen Entwicklung der Initiative sehr zufrieden. "Wir sind sehr erfreut, dass die Resonanz so hoch war. Auch die Anzahl der Verfahren ist stetig (und zuletzt stark) angewachsen", erklärt er auf Anfrage von nordbayern.de.

172 Hasspostings haben die beteiligten Medienhäuser bislang zur Prüfung vorgelegt. In über 95 Prozent der strafbaren Fälle konnten die Urheber der Posts oder Kommentare identifiziert werden, in 27 Fällen wurde bereits Anklage erhoben oder Strafbefehlsantrag gestellt. 14 Verurteilungen, die sich zwischen 25 bis 150 Tagessätze bewegen, sind rechtskräftig. In 58 Verfahren dauern die Ermittlungen an.

Zahlen, die auf den ersten Blick klein erscheinen mögen, doch "man muss sich vergegenwärtigen, dass – gäbe es die Initiative nicht – die Kommentare lediglich gelöscht worden wären, ohne dass die Urheber mit einer konsequenten Strafverfolgung hätten rechnen müssen", gibt Klaus Ruhland zu bedenken. "Durch die Initiative wird die vermeintliche Anonymität des Internets durchbrochen. Das Projekt stellt deshalb einen wichtigen Baustein in der Bekämpfung von Hate-Speech dar."

Die Initiative “Konsequent gegen Hass und Hetze im Netz” ist allerdings nicht die einzige Maßnahme der bayerischen Justiz gegen Beleidigungen, Verleumdungen und Volksverhetzung im Internet: Zum 1. Januar 2020 wurde mit Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter zentral für die bayerische Justiz berufen. Darüber hinaus wurden bei allen 22 bayerischen Staatsanwalt­schaften Sonderdezernate für die Bekämpfung von Hate-Speech eingerichtet.

Nach etwas mehr als einem Jahr hat auch Bayerns Justizminister Eisenreich ein Fazit gezogen: 1.251 Verfahren gegen bekannte Beschuldigte führten zu 245 Anklagen und zu 102 Urteilen oder Strafbefehlen - 941 Verfahren dauern noch an.

Nachdem Hass und Hetze nicht nur gegen Minderheiten und politisch Andersdenkende, sondern auch immer öfter gegen Mädchen und Frauen gerichtet sind, wird Bayern diese Sachverhalte künftig gesondert erfassen: "Prominente Frauen, Journalistinnen, Poli­tikerinnen oder andere Frauen, die sich öffentlich engagieren, werden allein wegen ihres Geschlechts Opfer sexualisierter Beleidigungen im Internet. Das ist erniedrigend und beschämend", schreibt Eisenreich in einer Pressemitteilung des Justizministeriums, und fährt fort: "Ich möchte Mädchen und Frauen ausdrücklich ermutigen: Zeigen Sie Hasskommentare an, die Sie im Netz erleiden müssen."

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