Kein Fasching in Franken? So reagieren die Betroffenen der Region

20.8.2020, 07:45 Uhr
In der Saison 2019/20 waren Sebastian I. und Erika III. das Nürnberger Prinzenpaar.

© Foto: Roland Fengler In der Saison 2019/20 waren Sebastian I. und Erika III. das Nürnberger Prinzenpaar.

Er sei selbst ein Karnevalsprinz gewesen, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn. Trotzdem könne er sich Fasching mit Pandemie "schlicht nicht vorstellen". In einer Telefon-Konferenz des Gesundheitsausschusses des Bundestags hat er dafür plädiert, den Karneval bundesweit komplett ausfallen zu lassen.

Nicht erst seit diesem Vorstoß hängen Faschingsverbände in der Luft. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat deshalb nun eine rasche Entscheidung über Karnevalsfeiern in Corona-Zeiten gefordert. Denn über das Ob und das Wie wird in den Karnevalsgesellschaften seit Wochen diskutiert. In der Region hoffen viele sogar, dass ihnen die Entscheidung über eine Absage endlich abgenommen wird. Ein Stimmungsbild.

Marco Anderlik, Präsident des Fastnacht-Verband Franken, Veitshöchheim:

"Von uns wird keine pauschale Absage kommen und wir haben auch den bei uns organisierten Vereinen keine Absageempfehlung ausgesprochen", sagt Marco Anderlik. Im Fastnacht-Verband Franken sind aktuell über 300 Mitgliedsgesellschaften organisiert. "Einige davon haben bereits abgesagt, weil es ihnen schlicht räumlich nicht möglich ist, eine Veranstaltung unter den gegebenen Rahmenbedingungen abzuhalten. Alle anderen hätten gerne Planungssicherheit", so Anderlik weiter. Er wolle gar nicht wegdiskutieren, dass über allem die Gesundheit der Menschen stehe. "Man darf aber auch nicht vergessen, dass Fasching Frohsinn schafft und wir müssen auch unser gesellschaftliches Leben intakt halten." Mit Flexibilität und Kreativität kann sich Anderlik vorstellen, dass Fasching in irgendeiner Form stattfinden wird. "Die persönliche Einschätzung des Herrn Spahn ist erst einmal so hinzunehmen."

Fans der "Fastnacht in Franken" können zudem aufatmen: "Wir planen die Veranstaltung ganz normal, natürlich mit Abstands- und Hygienekonzept." Bei einem Treffen des Verbandes mit Künstlern und dem Bayerischen Rundfunk, der die Sendung produziert, sei man sich einig gewesen, "dass es mit weniger Menschen besser ist als gar nicht."

Pia Pritschet, Leiterin der Abteilung "Tourismus und Kultur" der Stadt Dietfurt und verantwortlich für die Organisation des Chinesenfaschings:

"Wir warten ab, was kommt." Der berühmte Dietfurter Chinesenfasching ist eine Kombination aus närrischem Treiben im Ort, Straßenumzug und Feiern in den örtlichen Gaststätten. "Je nach Wetter kommen zwischen 10.000 und 15.000 Besucher. Wir können sicherlich nicht sagen, wir wären keine Großveranstaltung", sagt Pia Pritschet, die sich vor allem um die Menschen sorgt: "Wenn Sie mich heute fragen, ob es 2021 einen Chinesenfasching geben wird, sage ich ,Nein‘. Die Fallzahlen steigen wieder. Wir wollen nicht zur Superspreader-Veranstaltung werden." Alle Gäste zu erfassen sei jedenfalls, da ist man sich im Dietfurter Rathaus einig, unmöglich. "Uns blutet im Falle einer Absage aber natürlich trotzdem das Herz."

Jörg Philips, Präsident der Nürnberger Luftflotte des Prinzen Karneval:

"Ich kann die Bedenken von Herrn Spahn verstehen und es muss auch erlaubt sein, das zu äußern", sagt Jörg Philips. Für den kommenden Samstag hat er 25 Kollegen aus der Region in das Vereinsheim der Luftflotte des Prinzen Karneval eingeladen, um über die aktuelle Situation und mögliche Lösungen zu sprechen. "Mir geht es darum, ins Gespräch zu kommen und Denkanstöße auszutauschen." Denn Philips vermisst die Rückbesinnung auf das wahre Brauchtum "Karneval": "Für mich sind solche Zeiten immer auch ein Anlass darüber nachzudenken, was man hat und was davon man eigentlich braucht." Die wenigsten wüssten etwa, dass Garden einst das Militär veräppelt hätten und dass Fasching mit der freien Rede etwas sehr Politisches gewesen war. "Ein Brauchtum kann man auch anders erhalten als mit 500 Menschen in einem Saal. Wir feiern gerne wieder, wenn wir dürfen. Bis dahin sehe ich diese Zeit als Selbstbesinnung auf den Ursprung unseres Brauchtums."

Udo Diehl, Vorsitzender des Festausschusses Nürnberger Fastnacht:

"Wenn ich ehrlich bin, ich kann mir momentan auch keinen Fasching so wie sonst vorstellen. Man weiß doch überhaupt noch nicht, wie schlimm die zweite Welle wirklich wird." Von den insgesamt 16 Nürnberger Faschingsgesellschaften, die unter dem Dach des Festausschusses Nürnberger Fastnacht organisiert sind, hat trotzdem noch keine ihre Veranstaltungen komplett abgesagt. "Jeder wartet darauf, dass eine konkrete Entscheidung kommt", sagt Diehl. Eine solche ist in Nürnberg allerdings in einem Punkt schon gefallen: Es wird in dieser Saison kein Prinzenpaar geben. "Ein Prinzenpaar investiert ja auch was. Wenn es dann heuer vielleicht nicht mehr als fünf Auftritte werden, will das keiner machen." Diehl vermutet, dass gerade für kleinere Gesellschaften eine Prunksitzung in diesem Jahr unwirtschaftlich ist. "Sowohl für die Aktiven als auch zum Beispiel für den Wirt bei gemieteten Sälen ist es doch ein Draufzahlgeschäft, wenn der Saal nur halb gefüllt werden darf." Insgesamt sei die Stimmung in Nürnberg gespalten: "Die einen wollen, die anderen nicht", weiß Diehl. Alle eine aber ein Gedanke: "Nichts ist schlimmer, als wenn sich auf unseren Veranstaltungen jemand ansteckt."

Elvira Reuther organisiert für den Förderverein Nürnberger Fastnachtszug den Faschingsumzug durch die Altstadt:

"Ich finde es nicht gut, wenn ein Stück Kultur so früh abgesagt werden würde. Wer weiß denn schon, was in einem halben Jahr ist?", sagt Elvira Reuther. Jedes Jahr kommen rund 100.000 Zuschauer und sehen zu, wie sich der Faschingszug von der Bayreuther Straße (Stadtpark) durch die Nürnberger Innenstadt bis zum Weißen Turm zieht. "In der jetzigen Zeit wäre das mit so vielen Menschen natürlich nicht möglich, aber die Hoffnung stirbt zuletzt."

Johannes Gerhäuser, Vorsitzender der Windshemia in Bad Windsheim:

"Es gibt im Prinzip drei Fragen, die man sich in dieser Situation stellen muss: Was kann ich den Besuchern zumuten? Was kann ich den Aktiven zumuten? Was ist noch wirtschaftlich? Und weil wir keine davon bislang wirklich beantworten können, zögern wir die Entscheidung über eine Absage erst einmal heraus", sagt Johannes Gerhäuser. Die Windshemia veranstaltet pro Saison drei Prunksitzungen sowie einen Rosenmontagsball und mehrere Besuche in Seniorenheimen. Für letztere sieht Gerhäuser heuer bereits jetzt keine Chance. "Und ein Rosenmontagsball, auf dem nur hundert Menschen feiern dürfen, ganz ehrlich, da will doch auch keiner hin." Für Gerhäuser ist die Frage, was die Gäste eigentlich wollen, sowieso eine, die ihm in der Debatte um Faschingsabsagen etwas zu kurz kommt: "Man darf die Einstellung der Menschen zu dem Virus und den Gefahren nicht unterschätzen. Es kann auch passieren, dass man eine Veranstaltung nach bestem Wissen und Gewissen plant und am Ende kauft einem keiner die Karten ab, weil die Menschen einfach auch Angst haben. Ich glaube, dieser Knoten wird sich nur mit einem Impfstoff lösen." Eine Entscheidung will die Windshemia – so ihr die Politik nicht zuvorkommt – Mitte September treffen. "Unser Trend geht derzeit aber Richtung Absage. Wir würden uns natürlich freuen, wenn wir feiern könnten, aber wir wollen es nicht um jeden Preis."

Florian Loy-Koch, Vorsitzender der Schwabacher Schwabanesen:

"Wir haben das Wie, Wo, Was auf Ende August vertagt. Man sollte erst einmal die Entwicklungen beobachten. Leben in der Lage, sozusagen." Für den Chef der Schwabacher Karnevalsgesellschaft steht und fällt viel mit den Reiserückkehrern: "Wenn dann die zweite Welle richtig losbrechen sollte, kann man den Fasching sicher komplett knicken." Zwar könnte es sich die Faschingsgesellschaft leisten, nur eine kleine Veranstaltung zu machen und ein Jahr nicht kostendeckend zu arbeiten, aber: "Es macht so keinen Spaß. Jeder Künstler steht doch auch lieber vor einem vollen Saal." Für einige übliche Termine, wie etwa den Besuch in Seniorenheimen, sieht Loy-Koch, ähnlich wie sein Kollege in Bad Windsheim, sowieso keine Chance mehr. In Schwabach stehen also nur zwei Prunksitzungen zur Disposition. "Da wissen wir noch nicht genau, ob wir das machen wollen. Wir müssen nicht auf Biegen und Brechen heuer etwas auf die Beine stellen."

Kein Fasching in Franken? So reagieren die Betroffenen der Region

© Günter Distler

Der Bund Deutscher Karneval hält nichts von einer pauschalen Absage von Karnevalsveranstaltungen. "Jeder, der mit klarem Verstand die Situation einschätzt, ist sich darüber im Klaren, dass für 2021 die gewohnten Feier- und Veranstaltungsformen nicht vorstellbar sind", teilte das Präsidium des Dachverbandes, der rund 2,6 Millionen Mitglieder in mehr als 5300 Vereinen und Zünften vertritt, der Deutschen Presseagentur mit. Mit Kreativität und Ideenreichtum seien Karnevalisten derzeit aber dabei, Feierformen zu entwickeln, die die Gesundheitsvorgaben beachteten und bisher nicht denkbar oder technisch möglich gewesen seien. "Diese Entwicklung durch eine Absage pauschal abzuwürgen, wäre politisch nicht klug." Denn auch für den Karneval gilt: Not macht erfinderisch.

Verwandte Themen


14 Kommentare