Kein Konflikt, keine Revolte - die Freien Wähler bleiben zahm

2.3.2021, 17:30 Uhr

Es wirkt auf den ersten Blick, als bahne sich ein massiver Konflikt zwischen den Freien Wählern und Ministerpräsident Markus Söder an. Der wäre wenig überraschend nach dem Dauerfeuer von FW-Chef Hubert Aiwanger, der seit Monaten Mantra-artig ein Ende des Lockdowns fordert und kühne Visionen entwirft von einem umfassend geöffneten Land spätestens zu Ostern.


Freie Wähler: "Müssen uns von starrer Fokussierung auf den Inzidenzwert lösen"


Nur gibt es das Papier nicht her, das seine Fraktion jetzt vorgelegt hat. Natürlich ist da der rhetorische Pulverdampf, der in Vorwahlkampfzeiten unvermeidlich ist und auch der Profilierung der Freien Wähler dient, die sich von Söders Omnipräsenz untergepflügt sehen. Söders CSU hat bislang jedenfalls klar von seiner Anti-Corona-Strategie profitiert, während Aiwangers Freie Wähler in den einstelligen Bereich abgestürzt sind. Und dort verharren sie, egal, was der Niederbayer an Forderungen in die Welt bläst.

Kleine Fanschar

Das mag damit zu tun haben, dass nur ein relativ kleines Publikum begeistert seiner Linie folgt und die Mehrheit auch bei den Freien Wählern ein differenzierteres Vorgehen für richtig hält. Auch Aiwanger dürfte aufgefallen sein, dass seine Fraktion sich noch immer hinter Söders Vorgehen gestellt und Aiwangers Linie im Idealfall einfach unkommentiert gelassen hat. Wer glaubt, die Fraktion habe ihren Kurs jetzt korrigiert, der irrt. Im Prinzip füllen die Freien Wähler mit Leben, was Söder eine "intelligente Öffnungsmatrix" nennt.


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Anders als er klammern sie allerdings den Inzidenzwert weitgehend aus, wenn auch nicht komplett. Ist er viel zu hoch, bleibt er bestimmend für eine Rückkehr in den Lockdown. Ansonsten aber nennen sie in ihrem Papier gar keine Richtwerte. Sie fordern lediglich mehr impfen und mehr testen und in der Folge eine vorsichtige Kaskade an Öffnungsschritten, ohne dass sie einen Zeithorizont nennen. Damit hätte auch Söder kein Problem, der Vergleichbares seit Tagen vertritt.

Anders als ihr Parteichef Aiwanger aber setzen die Freien Wähler die Schritte langsam, mit Testphasen zwischen den einzelnen Abschnitten und abgestuft nach dem Risiko. Damit zeichnen sie eine lange Strecke über erste Rücknahmen der Kontaktbeschränkungen, die Außengastronomie, den Handel, die Hotellerie. Sie grenzen sich klar ab gegen Aiwangers schnellen Kurs, der bis Ostern kaum noch Restriktionen vorsieht. Für Söders Linie, so vage sie im Moment auch ist, gilt das dagegen nicht. Noch nennt der CSU-Politiker zwar den Inzidenzwert als Richtschnur, doch der wird mit fortschreitendem Impfen an Bedeutung verlieren. Denn je besser die Risikogruppen geschützt sind und je mehr die Menschen sich testen können, desto eher lassen sich auch vorübergehend steigende Infektionszahlen verkraften im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Folgen. Zumal es dann jeder in der Hand hat, wie weit er ins Risiko gehen will.

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