Kirche in der Krise: Werden bald Kirchen in der Region verkauft?

12.5.2021, 05:45 Uhr
Kirche in der Krise: Werden bald Kirchen in der Region verkauft?

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Cocktail statt Gottesdienst, ist das in Kirchen der Region denkbar? In der Bielefelder Martini Kirche (Nordrhein-Westfalen) heißt es jedenfalls bereits Schlemmen statt Beten. Das Gotteshaus wurde 2005 verkauft, seitdem lädt das Restaurant "Glück und Seligkeit" zu Sushi Poke Bowl und Kantonesische Siu Mai Ente ein. Bisher ist das "Glück und Seligkeit" noch eine Seltenheit in Deutschland. In England und den Niederlanden ist das bereits normal.

Die evangelische Kirche im niederbayerischen Kelheim hat es schon getroffen. Sie wurde im Februar verkauft. "Bis dato eine der wenigen Ausnahmen", erklärt Harald Hein, Leiter des evangelischen landeskirchlichen Baureferates. Auch in Nürnberg wartet eine entwidmete Kirche in Schweinau, also ein entweihtes Gotteshaus, seit Jahren auf einen Käufer. Die Kreuzkirche steht mittlerweile zehn Jahren leer, das Dach ist einsturzgefährdet. Potentielle Käufer für Kirchen zu finden, ist laut Hein eine schwierige und bisher noch seltene Aufgabe. Aber: "Die Sparbemühungen bei den Immobilien stehen ganz vorne". Immer weniger Kirchenmitglieder zwingen die Kirchen dazu.

Auch das katholische Bistum Eichstätt kennt das Problem: "Flächendeckende Einsparungen in allen Bereichen sind nicht ausreichend, um den Entwicklungen zu begegnen." Grundsätzlich sind in katholischen Kirchen Stiftungen für den den Unterhalt der Gotteshäuser zuständig. Das Bistum Eichstätt sieht 2021 allein 11,3 Millionen Euro nur für Baumaßnahmen vor, dass sind elf Prozent der Gesamteinnahmen. Für die Instandsetzung von alten Gebäuden gibt es Rücklagen in Höhe von 151 Millionen Euro. Auf der Einnahmeseite wird es allerdings immer enger: Die Kirchensteuer macht derzeit ein Drittel der Gesamteinahmen aus, Tendenz sinkend.


18,7 Millionen Euro: Bistum Eichstätt rechnet mit hohem Defizit.


Ganze Kirchen, wie in Kelheim, wurden im Bistum Eichstätt noch nicht verkauft. In den vergangenen fünf Jahren hat es lediglich ein Gebäude der Diözese selbst, ein sanierungsbedürftiges Anwesen im Eichstätter Stadtteil Rebdorf, und vier Gebäude von Kirchenstiftungen getroffen. Die Gründe dafür waren Leerstand und zu hohe Sanierungskosten. Aber die Diözese weiß: Sanierungen werden künftig teuer. In einem Zukunftsprozess fokussiert sich das Bistum mehr auf auf die pastorale Arbeit als den Erhalt von Gebäuden.

Weiter nördlich im Bistum Bamberg hält sich der Immobilienverlust derzeit noch in Grenzen. Verkauft wurde in den letzten Jahren nichts, allerdings wechselten einige Gebäude ihren Besitzer - für 99 Jahre. Das Mittel der Wahl einiger Kirchenstiftungen sind Erbpachtverträge mit Kommunen, beispielsweise in der Ortschaft Viereth. Hier soll ein Kindergarten, den die örtliche Kirchenstiftung betreibt, bald der Gemeinde gehören. Eigentlich plante die Gemeinde gemeinsam mit der Kirche seit 2017 einen umfangreichen Um- und Neubau, weil immer mehr Betreuungsplätze benötigt werden. Dann machte die Kirche einen Rückzieher. Die Begründung: Betreuung sei die Aufgabe der Kommune, so erklärt es Gerd Franke, Geschäftsstellenleiter der Gemeinde Viereth-Trunstadt.

Dass allein aufgrund der Baufälligkeit etwas passieren muss, war auch der örtlichen Kirchenstiftung klar. Deshalb bot sie der Gemeinde an, das Gebäude durch einen Erbachtvertrag 99 Jahre lang abzugeben und den Kindergarten weiter zu betreiben. Die Gemeinde willigte ein und baut nun allein. Damit die Kirchenstiftung den Kindergarten weiter kostenfrei betreiben kann, erlässt sie der Gemeinde den Erbzins, den diese durch den Erhalt des Grundstückes zahlen müsste. Theoretisch könnte die Kichenstiftung nach 99 Jahren das Gebäude wieder an sich ziehen. Ähnliches ist für das Pfarrheim in Trunstadt geplant. Der Vorteil der Gemeinde: Sie kann für den Umbau Fördergelder in Anspruch nehmen.


Veitsbronner Katholiken holen Pfarrzentrum ins Gotteshaus.


Im Bistum Bamberg werden Kirchen nicht mehr nur für Gottesdienste genutzt. Ein Beispiel ist die Heilig Geist Kirche in Veitsbronn (Kreis Fürth). Nicht nur ein undichtes Dach sorgte für Handlungsbedarf, auch die immer kleiner werdende Besucherzahl in den Gottesdiensten. Bei der zweijährigen Sanierung entstand ein komplett neues Stockwerk, dort werden im Mai Pfarrbüro und ein Jugendraum einziehen, die derzeit noch in einem separaten Pfarrzentrum untergebracht sind. Das alte Pfarrzentrum soll bald verkauft werden, die Einnahmen aus dem Verkauf wurden vorab bereits beim Kirchenumbau einkalkuliert.

Die finanziellen Folgen von Kirchenaustritten sind auch im Bistum Bamberg spürbar. Während 2020 noch 35 Millionen Euro für Bau zur Verfügung standen, sind es 2021 bereits 10 Millionen weniger. Bei denkmalgeschützten Kirchen setzte man immer mehr auf externe Förderer, erklärt Bistumssprecher Harry Luck. "Die Reduzierung der Vielzahl an Gebäuden und somit kostenintensiver Baulasten werden unausweichlich." Denn: Seelsorge und Bildungsarbeit sollen nicht von Gebäuden abhängen, so Luck. Zentral sei das Engagement der Mitarbeiter, nicht das Festhalten an Gebäuden.


Bamberg: Austritte aus der katholischen Kirche steigen rasant.


Auch der evangelischen Landeskirche ist klar, dass der derzeitige Gebäudebestand nicht gehalten werden kann. Welche Objekte auch künftig gebraucht und finanziert werden können, ist seit Jahren Thema. Die Zahl der Immobilien, die von der evangelischen Landeskirche in den letzten Jahren aufgegeben oder verkauft worden sind, sei dreistellig, erklärt Baureferent Hein. Vor einem Verkauf werden allerdings alternative Nutzungsideen durchkalkuliert. So könnten Gottesdiensträume wie in Veitsbronn verkleinert werden. Das bringt Platz un die Möglichkeit Kooperationen mit Kommunen. In der Nürnberger Gustav-Adolf-Kirche entstand so ein Gemeindehaus in der Kirche.

Auf dem Prüfstand stehen bei der evangelischen Landeskirche auch Gemeindehäuser. Viele wurden in den 70er und 80er Jahren gebaut, durch Gemeindezusammenlegungen werden heute viele nicht mehr benötigt. Ein häufiges Szenario: Ein neues Gemeindezentrum wird gebaut, dafür zwei alte aufgegeben. So zu sehen beispielsweise in Bad Windsheim. Dort gab es jahrelang zwei evangelische Gemeindehäuser, in diesem Jahr wird mit dem Neubau eines neuen begonnen. Eines der beiden alten wurde bereits verkauft, das andere soll nach dem Einzug in das neue Domizil veräußert werden.

Einsparpotential gibt es auch bei Pfarrhäusern. Hochrechnungen der evangelischen Landeskirche ergeben, dass sich in den nächsten 20 Jahren die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer um ungefähr um ein Drittel reduzieren wird. Die sogenannte Pfarrhausbedarfsplanung sei daher bereits in vollem Gange. Für Standorte, die nicht weiter als Pfarrhäuser genutzt werden, gibt es weitreichende Überlegungen, auch Vermietung sei eine Option. Dabei wird strategisch gedacht: "Bei einem Gebäude mit zentraler Stadtlage wären wir schlecht beraten, würden wir es verkaufen. In Randlagen hingegen ist ein Verkauf erstrebenswert", so der Leiter des Landeskirchlichen Baureferats.

Wie beim Bistum Bamberg weiß auch die evangelischen Landeskirche: Nicht am Mensch, sondern am Stein muss gespart werden. Was der Käufer der Kelheimer Lukaskirche mit dem Gebäude vor hat, weiß Hein nicht. Und auch wie es mit der Kreuzkirche in Schweinau weitergeht, steht in den Sternen. "Ich weiß nur, dass es vor der Kommunalwahl im vergangenen Jahr eine Anfrage der Stadt Nürnberg gab. Mehr ist seitdem nicht passiert."

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