Kommentar: Immer mehr Morddrohungen gegen Menschen des öffentlichen Lebens

27.5.2020, 12:33 Uhr

Wer als Politiker, Verbandsvertreter oder Wissenschaftler mit seinen Äußerungen eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit erregt, der muss heute nicht nur mit Anfeindungen und Beleidigungen rechnen, sondern über kurz oder lang auch mit einer Morddrohung. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und der Berliner Virologe Christian Drosten sind die beiden jüngsten Beispiele. Bei ihnen handelte es sich um ein Röhrchen mit einer unbekannten Flüssigkeit, das ihnen samt Begleitschreiben per Post zugestellt wurde.

Lauterbach und Drosten haben nichts anderes getan, als in der momentan wichtigsten gesellschaftlichen Diskussion (über die richtige Bekämpfung der Corona-Pandemie) eine klare Meinung zu beziehen. Man kann es für falsch halten, was sie von sich geben. Man kann sie deswegen auch scharf angehen. Ihnen jedoch mit dem Tode zu drohen, und sei es auch gar nicht ernst gemeint, zeugt entweder von hoher krimineller Energie oder von einer schweren psychischen Störung.

Soziale Netzwerke sind oft Kommunikationsweg

Die 99 Prozent der Bevölkerung, die so etwas entsetzt, sollten das immer wieder deutlich sagen. Alleine schon deswegen, um möglichen Nachahmern zu zeigen, wie alleine sie dastehen. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen die Täter fassen und bestrafen. Die Politik muss die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Die Betreiber sozialer Netzwerke, auf denen solche Ausraster immer wieder stattfinden, müssen mit ihren eigenen Mitteln dagegen vorgehen.


Zum Thema: Messer im Umschlag - Fürther SPD-Politiker erhält erneut Morddrohung


Im Falle Christian Drostens muss sich die Bild-Zeitung fragen lassen, ob sie mit ihrer zweifelhaften Kampagne nicht den Hass gegen den führenden Virologen gefördert hat. Wohlgemerkt, es geht nicht etwa darum, dass der Professor nicht kritisiert werden dürfte. Aber andere Wissenschaftler, die das später bestreiten, mit aller Medienmacht gegen ihn in Stellung zu bringen, wirkt schon sehr befremdlich. Den Mann gleichsam als den Verantwortlichen schlechthin für einen zu heftigen Lockdown in Deutschland hinzustellen, ist falsch und unverantwortlich.


Die Aufgehetzten werden diese Zeilen wahrscheinlich leider nicht lesen, weil sie auch diese Zeitung für einen Teil der "Systempresse" halten. Aber trotzdem sei der Versuch eines Appells unternommen: Rüstet bitte verbal ab, egal an welcher Stelle der Gesellschaft ihr Euch befindet. Deutschland ist ein freies Land, in dem jede(r) seine Meinung äußern darf.

Man muss nicht zum Hassprediger werden, um Gehör zu finden. Wer mitwirken will, der kann in Parteien mitarbeiten oder gar selber welche gründen. Oder Leserbriefe schreiben, Volksreden im Stadtpark halten und Politikersprechstunden besuchen…

Verwandte Themen


0 Kommentare