Kommentar: Rassismus - Reflexe helfen nicht

29.4.2021, 10:44 Uhr
Satire oder rassistische Parodie? Helmut Schleich als Franz-Josef Strauss in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks.

© Arnulf Hettrich via www.imago-images.de, NNZ Satire oder rassistische Parodie? Helmut Schleich als Franz-Josef Strauss in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks.

Die Vergangenheit ist, wie sie war. Sie lässt sich nicht mehr verändern. Ja, es gab Rassismus vor allem vonseiten des weißen Mannes. Er drückte sich in Verachtung, Ausbeutung und Unterdrückung anderer Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale aus. Es gab aber auch Rassismus von Menschen mit anderen Hautfarben. Rassismus war vor 500 oder 300 Jahren nicht akzeptabel und ist es heute schon gleich gar nicht. Es hat schon immer Intellektuelle und mit Empathie begabte Menschen gegeben, die Rassismus verteufelt haben.

Keine historischen Relativierungen

Rassismus lässt sich nicht mit dem Hinweis „das war halt so“ historisch relativieren. Er muss historisch aufgearbeitet werden. Die Debatte, wo überall rassistische Spuren und Hinweise zu entdecken sind, ist derzeit richtig in Fahrt gekommen: in Kunstwerken, in Theateraufführungen, in Satiren, bei Kinderspielzeug, in Debattenbeiträgen an Universitäten, in Verhaltensweisen bei Fernsehdebatten und im Sport. Selbst bei den Heiligen Drei Königen als Krippenfiguren wurden überzogene rassistische Merkmale entdeckt. Das stimmt alles im Einzelfall.

Kabarettist bedauert

Es gibt Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Doch so einfach, wie es sein sollte, ist die Debatte nicht. Wenn alles, was man als rassistisches Zeichen deuten könnte, reflexhaft auch als ein solches gewertet wird, ohne zu differenzieren, ohne auf Kontexte und Erklärungen zu achten, dann zerstört es die Meinungsvielfalt.

Der Name „Mohrenapotheke“ hat in der Regel nichts mit Rassismus zu tun. Er verweist zunächst nach Nordafrika in einer Zeit als dort die Medizin einen qualitativ deutlich höheren Stellenwert eingenommen hatte als in der alten Welt Europas. Später wurde der Begriff allgemein für Schwarze verwendet.


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Es gibt natürlich Mohrendarstellungen mit rassistischen Merkmalen, aber zunächst ist es ein Herkunftsbegriff. Alle Mohrenapotheken umbenennen? Nein!

Abscheuliches Rollenspiel

Dass weiße Musiker sich das Gesichts schwarz angemalt haben (Blackfacing), geht auf eine rassistische Tradition der USA zurück. Es wurden Stereotype bedient, um sich über fröhliche, leicht beschränkte Sklaven und Schwarze lustig zu machen. Erbärmlich. Wenn sich heute ein Schauspieler das Gesicht schwarz färbt und einen CSU-Politiker darstellt, dann hat das mit satirischem Rollenspiel zu tun und nichts mit Rassismus. Das heißt noch lange nicht, dass das aufgeführte Stück gut war.


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Dass im Theater und im Film nur noch Schwarze Schwarze, Weiße Weiße spielen dürfen, wäre das Gegenteil von künstlerischer Freiheit. Das wäre eine pseudomoralische Indoktrination, die wir eigentlich schon überwunden haben. Das Spiel mit Rollendistanz und -übernahme schafft den künstlerischen Mehrwert.

Im Umgang mit Rassismus gibt es keine Generallösungen, sondern nur individuelle Antworten: Rassismus im Stadion? Strafanzeige. Rassismus in der bildenden Kunst? Interpretation im Zusammenhang des Werks. Rassistisches Spielzeug? Erklärung des Kontexts. Rassismus gehört leider zur Weltgeschichte. Er muss interpretiert und aufgearbeitet werden. Verbote, Verschweigen und reflexhaftes Verhalten: Wie sollten wir denn dann aus der Geschichte etwas lernen?

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