Chaos an den Grenzen

Kommentar zu Einreiseregeln: Ein Desaster mit Ansage

27.7.2021, 19:42 Uhr
Ein Wohnmobil verspricht höchste Flexibilität in einer Urlaubssaison, die von Begriffen wie Hochinzidenzgebiet und Virusvariantengebiet durchgeschüttelt wird. Doch selbst ein Camping-Urlaub hat keine Leichtigkeit mehr.

© Axel Heimken/dpa Ein Wohnmobil verspricht höchste Flexibilität in einer Urlaubssaison, die von Begriffen wie Hochinzidenzgebiet und Virusvariantengebiet durchgeschüttelt wird. Doch selbst ein Camping-Urlaub hat keine Leichtigkeit mehr.

Viele meiner Freunde haben sich ein Wohnmobil organisiert, um höchst flexibel zu sein. Man packt die Kinder ein und fährt los, wenn die Autobahn frei ist. Man hält dort an, wo die Inzidenzzahlen niedrig sind und das Wetter schön ist. Man kehrt heim, wenn der letzte Urlaubstag ausgekostet ist. So die Theorie.

Die Realität ist eine undurchschaubare Mischung aus Risikogebieten, Hochrisikogebieten, Virusvariantengebieten und Hochinzidenzgebieten. Diese Kategorien hat die Bundesregierung eingeführt und inzwischen teilweise wieder abgeschafft. Jede Kategorie birgt andere Einreiseregeln und Quarantänevorgaben. Täglich ändern sich Einstufungen und Bestimmungen.

Gestern noch unbedenklich, heute Hochinzidenzgebiet. Gestern keine Testpflicht bei der Rückkehr, heute ab in die Quarantäne. Dieses Hin und Her verhindert eine verlässliche Urlaubsplanung – und pulverisiert die Bereitschaft der Bevölkerung, sich an Corona-Regeln zu halten.


Risiko-, Hochinzidenz- und Virusvariantengebiete: Zu den aktuellen Länderbestimmungen des Robert-Koch-Instituts.


So wurde zum Beispiel Portugal Ende Juni als Virusvariantengebiet eingestuft. Viele Urlauber kehrten nach Deutschland zurück und begaben sich brav für zwei Wochen in Quarantäne. Kurz darauf wurde die Einstufung zurückgenommen. In Quarantäne bleiben mussten die Portugal-Rückkehrer trotzdem. Die neue Einstufung mit ihren Vergünstigungen gilt nicht für dich, Pech gehabt. So fühlt sich Willkür an.

Dieser Sommer ist der zweite, der von der Epidemie bestimmt wird. Im ersten trafen Reiserückkehrer auf ein Deutschland, das sich locker gemacht hatte und glaubte, das Virus im Griff zu haben. Durch die Einschleppungen und die fehlende Vorsicht stiegen die Inzidenzzahlen wieder. Die Regierung will verhindern, dass sich diese Situation wiederholt, das ist klar. Gleichzeitig sind bald Bundestagswahlen.

So sitzen also das Außenministerium, das Innenministerium, das Gesundheitsministerium und das Robert-Koch-Institut zusammen und beraten darüber, welches Land wann und wie eingestuft wird. Eine Salamitaktik, die Tagesaktualität vortäuscht und doch nur an den Nerven zerrt.

Als Mitte Mai Griechenland für russische Touristen öffnete, Portugal die ersten Urlauber aus Großbritannien empfing und als im Juni die ersten Meldungen über Schülergruppen zu lesen waren, die sich auf Mallorca infiziert hatten und nach Madrid zurückkehrten – da war absehbar: In den Mittelmeerländern werden die Fallzahlen steigen, unweigerlich.

Es wäre ehrlich gewesen, den Urlaubern im Vornherein zu sagen: Jeder – außer er ist vollständig geimpft oder genesen – muss sich bei der Einreise nach Deutschland testen lassen und einige Tage Quarantäne einplanen. Davor hat sich die Politik gedrückt.

Jetzt sitzen wir da, im Wohnmobil, im Hotel oder der Einfachheit halber lieber daheim: So fühlt sich Hilflosigkeit an.

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