"Kommunen sind Problemlöser"

27.12.2019, 19:16 Uhr

© Foto: Klaus Lehnberger

Sind Sie nach elf Jahren im Amt mehr der Grüne oder der Bürgermeister?

Mehr Bürgermeister. Aber das war ich eigentlich schon immer. Das mit "dem Grünen" kam von den Medien. Bei meinem Vorgänger stand zum Beispiel in der Zeitung oft gar nicht, dass er in der CSU ist. Bei mir dagegen wurde es immer sehr betont.

Das ist verständlich, wenn man weit und breit der einzige grüne Bürgermeister einer größeren Stadt ist. Wird sich das bei der Kommunalwahl ändern?

Es wird sicherlich eine Zunahme von Mandaten für die Grünen geben. Zurzeit haben wir in Bayern mehr als 50 Bürgermeister, inklusive zweiter und dritter Bürgermeister und zwei Landräte. Es wird wohl keine große Überraschung, wenn wir angesichts der aktuellen positiven Entwicklung am 15. März mehr Mandate erringen.

Kann man als grüner Bürgermeister in der Alltagspolitik grün bleiben? Denken wir an Stichworte wie Gewerbeansiedlung, Ortsumgehung, Parkplätze in der Innenstadt.

Ich sehe es umgekehrt: Es tut doch gut, wenn bei Kommunalpolitikern, egal welches Parteibuch sie haben, immer mehr ökologische Themen Einzug halten. Ich definiere Politik als "gemeinsam Zukunft bewegen", den Anschluss an neue Themen halten. Wenn du das als Kommune nicht machst, dann hast du den Anschluss verloren. Das ist das ganz normale Arbeitsprogramm. Wenn man diesen Kompass hat, wenn man weiß, wohin man gehen will, ist das tagtäglich eine wichtige Einordnung für die ganz, ganz schwierigen Entscheidungen. Ein Beispiel: Wie gehen wir mit dem Flächenverbrauch um, aber wie zugleich mit dem Wunsch nach mehr Wohnungen? Wir haben in meiner Amtszeit keine großflächigen Wohnbauflächen in Lauf neu ausgewiesen und dennoch viel neuen Wohnraum geschaffen. Wenn wir neue, kleinere Flächen entwickeln, dann mit ökologischer Betrachtung und wir nehmen dafür neuerdings auch andere Flächen zum Schutz aus den Plänen.

Beim ÖPNV tun sich Kleinstädte wesentlich schwerer als Großstädte.

Verstehe ich nicht. Wir haben einen 20-Minuten-Bustakt auf der wichtigsten Linie, sonst einen 30-Minuten-Takt. Das ist auch wirtschafts- und sozialpolitisch bedeutend. Die Angebots-Kombination mit Rad und der Bahn ist uns dazu sehr wichtig. Die Stadt Lauf zahlt allerdings auch 1,1 Millionen Euro freiwillig dazu, weil es uns als soziale Standort- und Wirtschaftsförderung sehr wichtig ist, obwohl erst einmal der Landkreis Nürnberger Land für den ÖPNV zuständig ist und nicht wir als kreisangehörige Kommune.

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Was sind die großen Zukunftsaufgaben der Kommunen?

Bildung steht klar auf Platz eins. Wir brauchen bessere Anstellungsschlüssel in den Kitas und wir brauchen mehr Plätze. Der Schmuck-Unternehmer Thomas Sabo hat mich, bevor er sich mit seiner Zentrale in Lauf angesiedelt hat, gefragt: Habt ihr genug Kita-Plätze? Diese Frage wurde früher dem Bürgermeister nicht gestellt. Zudem brauchen wir dezentrale Grundschulen. Und es werden immer mehr Herausforderungen und Aufgaben auf die Gemeinden übertragen: Also der Breitbandausbau, das war überhaupt nicht unsere Aufgabe. Oder selbst kreisangehörige Kommunen dürfen sich nun um Gesundheitspolitik kümmern und Räume für Ärzte schaffen. Hier wird uns mehr und mehr abverlangt.

Ein Ur-Thema der Grünen ist der Klimaschutz. Was kann eine Kommune leisten?

Das Wichtigste ist, sich klarzumachen, wie wertvoll eigene städtische, also Bürger-Werke sind. Damit kann man klimaschutzpolitische Ziele innerhalb der Stadt besser umsetzen und etwa eine alte Wasserkraftturbine mit eigenen Mitteln sanieren und damit eine Million Kilowattstunden jährlich produzieren. Im Laufer Strommix liegt der Anteil der erneuerbaren Energien inzwischen schon nahe 60 Prozent, und damit weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt, der bei unter 37 Prozent liegt. Wir nutzen erfolgreich Energiesparpotenziale, senken deutlich unseren eigenen Stromverbrauch und haben ein eigenes Klimaschutzprogramm. Über die städtischen Werke erreichen wir unsere Bürgerschaft und können so mit guten Tipps zum Energiesparen, zum Umdenken und Handeln ermuntern.

In Städterankings wird ein Trend zum Leben in Kleinstädten festgestellt. Stellt das der Laufer Bürgermeister auch fest?

Wir erleben eine Renaissance der übersichtlichen Strukturen und der Sehnsucht nach hoher Lebensqualität. Wir bewahren Kultur und sind weltoffen zugleich. Lauf lebt selbst in einer Balance aus Stadt und Land mit seinen vielen Ortsteilen wie Oedenberg, Neunhof, Tauchersreuth. Viele wissen gar nicht, dass diese Orte zur Stadt Lauf gehören. Wir können die Vorteile einer Stadt mit 28 000 Bürgerinnen und Bürgern mit den neuen Themen einer Großstadt wie mehr Fahrradmobilität verbinden. Wenn wir Traditionen und Bewegung gut verbinden, mache ich mir um die Zukunft der kleinen und mittelgroßen Orte keine Sorgen. Kommunen sind Problemlöser Nummer eins in Deutschland. Wo wird geklingelt, wenn einer ein Problem hat? Na, am Rathaus.

In unserer Podcast-Reihe "Hoch amol" können Sie im Internet über nordbayern.de ein Gespräch von Benedikt Bisping mit Matthias Oberth (Leiter nordbayern.de) und NN-Chefredakteur Michael Husarek anhören.

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