Kostenlos fahren mit Bus und Bahn? So sieht es in der Region aus

29.4.2021, 17:43 Uhr
Die so genannte Klinik-Linie in Erlangen soll von 2022 an kostenfrei werden und im Jahr darauf ausgeweitet werden.

© Klaus-Dieter Schreiter Die so genannte Klinik-Linie in Erlangen soll von 2022 an kostenfrei werden und im Jahr darauf ausgeweitet werden.

Einfach mal ohne Fahrschein in den Bus steigen? In Tübingen geht das bereits seit Februar 2018, zumindest an jedem Samstag. Dann können sowohl die Einwohner der baden-württembergischen Uni-Stadt als auch Besucher den Busverkehr der Stadtwerke kostenfrei nutzen.

Auch in Augsburg ist zu Beginn des letzten Jahres der Nahverkehr in der Innenstadt kostenlos geworden. In einem Netz mit neun Haltestellen dürfen Bus und Tram ohne Ticket benutzt werden. Nun hat auch Erlangen angekündigt, mit Beginn des nächsten Jahres ein kostenloses Angebot für den Busverkehr in der Innenstadt auflegen zu wollen.

Fahrgäste können die im Januar eingeführte Klinik-Linie vom Großparkplatz am Hauptbahnhof in die nördliche Altstadt dann gratis nutzen. Für 2023 ist dann geplant, die Klinik-Linie 299 zu einer City-Linie zu machen, die dann in der gesamten Innenstadt von Erlangen unterwegs sein soll.

VGN muss zustimmen

Allerdings müssen die Gesellschafterversammlung und der Grundvertrags-Ausschuss des VGN den Plänen noch einstimmig zustimmen, ebenso wie die Regierung von Mittelfranken. Grundsätzlich ist eine solche Lösung nämlich "nicht mit den Grundsätzen des VGN-Tarifs vereinbar", so VGN-Sprecher Manfred Rupp. "Denn unser Tarif gilt nicht für einzelne Linien, sondern für räumliche Bereiche – und damit für alle Linien in einem solchen Bereich. Und er gilt für alle Fahrgäste gleich. Das sind auch genehmigungsrechtliche Voraussetzungen."

Zum anderen gehe mit einer solchen Tarifmaßnahme auch eine Minderung der Fahrgeldeinnahmen einher. Die einzige Lösung ist also, dass Erlangen, wie bereits angekündigt, den Ausgleich der Mindereinnahmen an die betroffenen Verkehrsunternehmen selber übernimmt.

Auch für die räumliche Gültigkeit des Tarifs gibt es laut VGN eine Lösung: "Der Verlauf der Citybuslinie markiert einen Bereich, in dem künftig ein Kurzstreckentarif gilt, wie heute schon in Nürnberg und Fürth. Die Preisstufe K gilt dann auf allen Linien in diesem Bereich. Die Fahrt innerhalb dieses Kurzstreckenbereichs ist für die Fahrgäste kostenlos."

Grundsätzlich positiv

Insgesamt bewertet der VGN die Pläne positiv, zumindest grundsätzlich. "Die kostenlose Mitnahme in der Citybuslinie wird sich positiv auf die Akzeptanz des ÖPNV in der Erlanger Innenstadt auswirken. Diese räumliche begrenzte Einzelmaßnahme hält sich auch bei den finanziellen Auswirkungen in Grenzen." Ein Modell "für einen generellen Nulltarif wird diese Linie aber nicht sein."

Und wie bewerten andere Städte den Erlanger Vorstoß? "Wir beobachten mit Aufmerksamkeit, was unsere Nachbarn so tun", sagt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD).

Immer wenn es um ein kostenfreies Angebot im ÖPNV-Bereich geht, ist er aber skeptisch. "Das alleine ist nicht zielführend", so Jung. Er verweist auf das Sozialticket, mit dem Anspruchsberechtigte für 80 Cent fahren können. Auch an den Adventssamstagen gebe es seit ein paar Jahren die Möglichkeit, kostenlos in die Busse zu steigen. Hier werde auch eine Ausweitung des Angebots überlegt.

Vor allem aber will Fürth künftig "viel Geld" in die Beschleunigung des Busverkehrs investieren, um die Menschen zum Umstieg zu bewegen. "Wenn der Bürger merkt, es geht schneller als mit dem eigenen Auto, ist das ein wichtigeres Argument für die Attraktivität des ÖPNV", so Jung.

Fahrgäste zurückgewinnen

Das sei mit Blick auf die erheblichen Fahrgastverluste durch die Pandemie ohnehin einer der wichtigsten Punkte. Es werde "zwei bis drei" Jahre dauern, um wieder die Fahrgastzahlen von 2019 zu erreichen, so Jung. Das sieht Forchheims Bürgermeisterin Dr. Annette Prechtel (Grüne), ähnlich. Wenngleich mit Blick auf die angestrebte und vor dem Hintergrund des Klimawandels dringend notwendige Verkehrswende die "Preisfrage schon eine Rolle spielt", so Prechtel.

Doch Forchheim sei nicht mit Erlangen vergleichbar, in ihrer Stadt gehe es jetzt erst einmal darum, den Busverkehr neu auszuschreiben und damit dafür zu sorgen, dass überhaupt ein zum Individualverkehr konkurrenzfähiges Angebot entsteht. "Da müssen wir ran. Ein Halbstundentakt ist nicht mehr zeitgemäß", so Prechtel. Zusätzlich zur Taktung müsste auch die Linienführung angepasst und verdichtet werden, um auch Randbezirke besser anzubinden, eventuell mit mehr kleineren Fahrzeugen.

Mehr Angebot nötig

Generell "müssen wir das Angebot pushen", so Prechtel. Wobei sie sich mitunter auch mehr Flexibilität und Freiheit innerhalb des VGN wünscht. "Wir brauchen schon eine Zustimmung, wenn wir nur im Advent kostenlos fahren wollen", so Prechtel. In Bamberg gibt es bereits ein kostenloses ÖPNV-Angebot. Seit März 2020 können beispielsweise Pendler oder Besucher kostenlos die Park und Ride-Anlage am Heinrichsdamm nutzen und dann ohne Ticket bis zum Zentralen Omnibusbahnhof in der Innenstadt fahren.

Soweit es sich für das zurückliegende Corona-Jahr sagen lässt, "wird das Angebot sehr positiv wahrgenommen", so Jan Giersberg. Allerdings gehe es hier auch um erhebliche Beträge, wie der Sprecher der Bamberger Stadtwerke sagt. Die Mindereinnahmen durch die entfallenen Parkgebühren und Ticketerlöse summieren sich laut Giersberg jährlich auf einen "mittleren sechstelligen Bereich."

Hohe Einbußen

Vor dem Hintergrund der ohnehin aktuell hohen Einbußen durch die Corona-Krise stellt er sich ein komplett kostenfreies Angebot des Busverkehrs auf Bamberger Stadtgebiet auch abseits bürokratischer Hürden schwierig vor. "Was den ÖPNV stark macht, ist ein gutes Angebot", so Giersberg.

So argumentiert auch der Vorstand der Neumarkter Stadtwerke, Dominique Kinzkofer. In der Großen Kreisstadt mit rund 40.000 Einwohnern gab es in der Vergangenheit bereits einen politischen Vorstoß, den ÖPNV kostenfrei zu machen. Eine große Mehrheit im Stadtrat lehnte ihn ab, was Kinzkofer auch befürwortet. "Als Betreiber sehen wir das kritisch", das Defizit liege jährlich bei etwa 1,3 Millionen Euro. "Wir wären nicht in der Lage, das zu schultern."

Große Unterschiede

Wenn die Pläne in Erlangen dazu führten, dass der Individualverkehr im Zentrum zurückgeht, sei das natürlich gut, so Kinzkofer. Aber was dort funktioniere, sei im ländlich geprägten Neumarkt nicht zwangsläufig auch so. Und ob eine solche Maßnahme generell dazu angetan sei, die Attraktivität des ÖPNV zu steigern, "ist zweifelhaft."

Auch bei der Nürnberger Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) kann man sich derzeit ein Angebot wie in Erlangen nicht vorstellen. Schon die Städte mit ihrem Verkehrsangebot seien aufgrund ihrer Dimension und Struktur nicht vergleichbar, so VAG-Sprecherin Elisabeth Seitzinger.

Zweifel am Angebot

2019 beförderte die VAG 152,4 Millionen Fahrgäste bei einem Minus von 76,26 Millionen Euro. Es sei fraglich, wo überhaupt ein kostenloser ÖPNV in Nürnberg angeboten werden sollte, so Seitzinger. Zwar war die Innenstadt bereits im Gespräch, Mitte Januar 2020 stellte die ÖDP einen Antrag auf eine entsprechende Freifahr-Zone. "Aber auch in den Stadtteilen gibt es Zentren", so Seitzinger.

Zudem würde durch ein solches Angebot im Randbereich Nürnbergs oder auch in der Innenstadt ein zusätzlicher Parkdruck erzeugt, beispielsweise rund um die Stadtmauer. "Unser Augenmerk liegt vielmehr auf einem weiteren Ausbau des ÖPNV", so Seitzinger. "Einen entsprechenden Stadtratsbeschluss gibt es in diesem Jahr, Stichwort Mobilitätspakt." Mit einem guten Angebot "können wir nach unserer Erfahrung Menschen zum Umsteigen auf den ÖPNV motivieren.

Zudem seien unter den Fahrgästen viele Abo-Kunden, die nicht von einem Gratis-Angebot profitieren könnten. "Und die Gelegenheitsfahrer sollen auch zahlen", so Seitzinger.

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