Leben mit Kunstherz: Der kleine Lukas wartet auf ein Spenderorgan

23.6.2020, 15:50 Uhr
Konrad Huber freut sich, dass sich die Lebensqualität seines Sohnes Lukas durch den neuen Kunstherz-Antrieb deutlich verbessert hat. Ein Spenderorgan ist aber trotzdem noch dringend nötig. 

© Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen Konrad Huber freut sich, dass sich die Lebensqualität seines Sohnes Lukas durch den neuen Kunstherz-Antrieb deutlich verbessert hat. Ein Spenderorgan ist aber trotzdem noch dringend nötig. 

Gerade noch hatten Konrad und Daniela Huber fröhlich auf einer Hochzeit gefeiert - und plötzlich ging es um Leben und Tod. Auf dem Nachhauseweg nach Postbauer-Heng (Landkreis Neumarkt) wurde der erst wenige Wochen alte Lukas in seiner Babyschale auf dem Rücksitz auf einmal kreidebleich. Um die Lippen lief er blau an. "Man hat sofort gesehen, dass da was überhaupt nicht in Ordnung ist, dass Lukas sterben wird, wenn wir nicht sofort was unternehmen", erzählt Konrad Huber.

Die jungen Eltern fuhren so schnell es ging nach Nürnberg ins Krankenhaus, von dort brachte ein Kinderintensivtransport Lukas sofort weiter ins Universitätsklinikum Erlangen. Dort retteten die Ärzte schließlich Lukas' Leben.

Sehr seltene Spontanmutation

"Es war schnell klar, dass er etwas wirklich Schwerwiegendes hat", sagt Huber. Das Schwerwiegende hatte auch rasch einen Namen: Kardiomyopathie. Durch eine Spontanmutation, die weltweit nur von neun Patienten bekannt ist, ist Lukas' Herzmuskel krank und von Narbengewebe durchzogen. Die Herzfunktion war stark eingeschränkt - und sie ließ ständig weiter nach. "Auf Ultraschall-Aufnahmen würde jeder Laie sofort erkennen, dass da was nicht stimmt. Lukas' Herz ist fünfmal so groß wie ein normales. Es ist ein riesiger Ballon der sich wahnsinnig aufbläht, weil der Muskel keine Kraft hat", erklärt Huber.

Der neue Kunstherz-Antrieb kann mit einem speziellen Kinderwagen kombiniert werden. Damit dürfen die Hubers jetzt sogar mit medizinischer Begleitung in den Erlanger Schlossgarten.

Der neue Kunstherz-Antrieb kann mit einem speziellen Kinderwagen kombiniert werden. Damit dürfen die Hubers jetzt sogar mit medizinischer Begleitung in den Erlanger Schlossgarten. © Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen

Doch während der Schwangerschaft konnten das nicht einmal Experten auf Ultraschall-Aufnahmen erkennen. Die Hubers waren sogar bei der Feindiagnostik, bei der vor allem auch das Herz sehr genau angesehen wird. "Aber zu dem Zeitpunkt konnte man das einfach noch nicht erkennen", weiß Huber heute.

Und so dachten die Hubers, dass diese kleine Menschlein, das sie am 9. Juli 2019 zum ersten Mal in Händen halten durften, vollkommen gesund war. Weil die Geburt kompliziert verlief, musste Lukas zwar noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben, dann durfte er aber nach Hause. "Nur bei der Vorsorgeuntersuchung sah etwas am Herzen etwas komisch aus. Deswegen mussten wir danach alle paar Wochen zur Kontrolle kommen", erzählt Huber. Aber kein großer Grund zur Beunruhigung.

Für Herztransplantation gelistet

Dann kam der große Schock auf der Heimfahrt von der Hochzeit, die niederschmetternde Diagnose - und schon bald die Erkenntnis, dass es Lukas' Herz auch mit Medikamenten nicht mehr lange schaffen würde. Schon seit dem 30. Oktober ist Lukas deshalb für eine Herztransplantation gelistet.

"Im Schnitt wartet man neun Monate auf ein Spenderorgan. Aber der Durchschnitt sagt da eben überhaupt nichts aus. Da gibt es extreme individuelle Unterschiede", erläutert Prof. Dr. Sven Dittrich, Leiter der Kinderkardiologischen Abteilung den Uni-Klinikums.

"Heute ist Lukas ein quietschfideles, fröhliches Kind. Wenn man nicht die Schläuche sehen würde, die aus seiner Brust gehen und in denen man das Blut fließen sehen kann, wäre es von einem gesunden Kind nicht zu unterscheiden", sagt Prof. Dittrich.

"Heute ist Lukas ein quietschfideles, fröhliches Kind. Wenn man nicht die Schläuche sehen würde, die aus seiner Brust gehen und in denen man das Blut fließen sehen kann, wäre es von einem gesunden Kind nicht zu unterscheiden", sagt Prof. Dittrich. © Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen

Als dann im März Lukas' Herz endgültig zu schwach, ein Spenderorgan aber noch nicht in Sicht war, gab es nur noch eine Lösung: Lukas brauchte ein Kunstherz. "Schon bei unserem ersten Aufenthalt in Erlangen wurden wir gefragt, ob wir uns das vorstellen können. Aber das war für uns sofort klar. Die Alternative wäre, das Lukas nicht weiterleben kann", sagt Huber.

Und so bekam Lukas ein Kunstherz. Theoretisch kann er damit sehr lange leben. "Mit dem Antrieb gab es noch nie Probleme. Solche Antriebe gibt es schon seit Anfang der 1990er", sagt Dittrich. Und auch die Schläuche sind stabil eingenäht. Sie können nicht einfach herausgerissen werden, auch nicht von unkoordinierten kindlichen Bewegungen.

Die Gefahr lauert im Kunststoff

Die Gefahren lauern eher anderswo. "Das Problem ist, dass Schläuche, Klappen und Kammern aus Kunststoff sind. Und an Kunststoff neigt Blut zu Blutgerinnseln", erklärt Dittrich. Deshalb bekommt Lukas Blutgerinnungsmittel. Ist die Dosis zu hoch, könnte Lukas einen Herzinfarkt erleiden, ist sie zu niedrig, droht ein Schlaganfall. "Dieses Risiko tickert immer mit. Deswegen ist es wichtig, so schnell wie möglich ein Spenderherz zu bekommen", betont Dittrich. Auch an der Eintrittsstelle der Schläuche könnte es Mikrorisse geben, aus denen sich schwere Entzündungen entwickeln.

Der erste Kunstherz-Antrieb, an den Lukas im März angeschlossen wurde, rettete zwar sein Leben, belastete ihn und seine Eltern aber zugleich sehr. "Das Ding war 70 Dezibel laut, wie ein Staubsauger. Außerdem hat es den Raum extrem aufgeheizt, da hatte es schnell 30 Grad", sagt Konrad Huber. Vor allem aber war der Apparat fast 100 Kilo schwer, der Akku reichte nur für 30 Minuten. Die Hubers waren praktisch festgeschnallt an das Krankenzimmer.

Das änderte sich nun vor wenigen Wochen. Lukas bekam einen neuen Kunstherz-Antrieb, den Excor-Active. Er ist leise, heizt den Raum nicht so auf, hat einen Akku, der fünf bis sieben Stunden hält und wiegt nur 15 Kilogramm. Weil er an den Kinderwagen angekoppelt werden kann, haben die Hubers enorm an Bewegungsfreiheit gewonnen. Sie dürfen nicht nur raus auf den Klinik-Balkon, sondern mit Begleitung auch hinaus in den Schlossgarten. "Das neue Gerät hat unsere Lebensqualität enorm verbessert", betont Huber.

"Darauf haben wir lange gewartet"

Lukas ist weltweit der jüngste Patient, der einen solchen neuartigen Kunstherz-Antrieb hat. "Für Erwachsene gibt es einen solchen Antritt schon seit Jahren, für Kinder haben wir aber seit vielen Jahren darauf gewartet", erläutert Dittrich. Viele Hersteller scheuen die Investitionen in den Kinderbereich. Es gibt weniger Patienten, die Risiken sind größer und das Zulassungsverfahren ist extrem komplex.

Mit dem neuen Gerät kann Lukas nun auch langsam Laufen lernen. Derzeit wird sogar überlegt, Lukas mitsamt Kunstherz-Antrieb nach Hause zu lassen. "Wir würden uns auch sicher fühlen dabei. Aber eigentlich möchten wir mit einem transplantierten Kind nach Hause gehen, nicht mit einer Maschine", meint Konrad Huber. Außerdem möchte die Familie nicht, dass sich Lukas' Chancen auf ein Spenderorgan verschlechtern, wenn er sich nicht in der Klinik aufhält. Denn wenn ein passendes Herz da ist, muss es schnell gehen.

Wegen der Corona-Pandemie kann nur ein Elternteil mit in der Klinik aufgenommen werden. Konrad und Daniela Huber wechseln sich wochenweise in der Betreuung ab. "Monatelang haben wir uns fast gar nicht gesehen. Jetzt täglich eine Stunde zur Besuchszeit. Mit einem todkranken Kind ist das nicht schön", sagt Konrad Huber. Das Paar erlebt die Zeit als eine enorme physische und psychische Belastung. "Besonders hart sind aber die Wochen, in denen man nicht in der Klinik sein kann. Das geht schon sehr an die Substanz", meint Lukas' Vater.

"Kann Lukas in den Kindergarten?"

"Das Herz wird auch nach der Transplantation noch sein und unser Leben komplett prägen", meint Huber. Lukas kann dann nicht gegen Masern geimpft werden, dafür müssen alle in seinem Umfeld gegen Influenza geimpft sein. "Kann er dann in den Kindergarten? Können wir mit ihm Verwandte in den USA besuchen? Es gibt so viele Fragen, die sich später stellen werden, die jetzt aber noch verdammt weit weg sind. Jetzt hoffen wir erst einmal, dass bald ein Spenderorgan kommt und alles gut geht", sagt Huber.

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