Lebensmittelkontrolleure nehmen Obazdn ins Visier

3.8.2017, 05:27 Uhr
Dieser freundliche Herr serviert in einer fränkischen Heckenwirtschaft eine traditionelle Wurstplatte und Gerupften, wie Obazda im Fränkischen genannt wird.

© Tourismusverband Franken Dieser freundliche Herr serviert in einer fränkischen Heckenwirtschaft eine traditionelle Wurstplatte und Gerupften, wie Obazda im Fränkischen genannt wird.

Als Wirtin war sie eine Legende. Katharina Eisenreich führte von 1920 bis 1958 das Bräustüberl Weihenstephan in Freising. "Nix verkemma lossn", so war ihre Einstellung zu Lebensmitteln wohl - und deshalb zauberte sie schon zu Beginn der 1920er Jahre aus allzu reifem Weichkäse eine Creme, die bald unter dem Namen Obazda in aller Munde war.

Vor allem Südbayern war wegen der verbreiteten Milchviehhaltung schon immer ein Käseland. Und im Bräustüberl wurde Brie oder Camembert natürlich nicht kalt serviert. Diese Unsitte kam erst mit den Kühlschränken auf. "Laafert" musste er sein, also schön weich und nach dem Anschnitt verlaufen. Und da war die Gefahr natürlich groß, dass sich bald ungebetene Gäste in den Käse einnisteten. Also, was tun?

Wein statt Bier

Den Käse mit Butter, Zwiebeln, Paprikapulver, Salz, Pfeffer und zwei Schnapsgläsern Bier vermengen und durch den Fleischwolf drehen: fertig ist der "Baz", wie der Oberbayer zu der Konsistenz dieser Käsecreme sagt. Das Rezept lässt sich leicht variieren. Die scharfe Version mit Chili ist längst erfunden. In Weinfranken wird das Bier zum Beispiel durch einen Müller-Thurgau ersetzt.

Und so kam es, dass noch vor dem Ableben der seligen Katharina Eisenreich, die als Mutter des Obazden gilt, die industrielle Produktion einsetzte. Bei Zutaten wie Frischkäse und Kümmel schütteln sich die Freisinger Puristen noch heute.

Regionaltypische Speisen werden geschützt

Aber Obazda aus der verschweißten Plastikdose, eisgekühlt, wurde bald zum Standard bei Picknicks und in Biergärten, wo der Gast seine Brotzeit noch selber mitbringt. Und auch die Gastronomen löffelten oftmals die begehrte Speise aus Plastikeimern auf Teller, steckten Salzstangen in den "Baz" und legten eine Breze daneben - statt selber Hand anzulegen. Und so konnte es sein, dass Obazda aus völlig unbayerischen Gegenden wie dem Käseland Holland in den Freistaat eingeführt wurde.

Aber zum Glück gibt es in Europa den Schutz regionaltypischer Speisen. Der Parmaschinken etwa muss nicht nur in der Region Parma hergestellt werden; einige Richter befanden sogar, er müsse auch dort geschnitten werden, bevor er in Brüssel, Bordeaux oder Bonn gegessen wird.

Geschützte Bezeichnung

Auch die Käsecreme der legendären Wirtin Eisenreich ist geadelt worden: Seit zwei Jahren sind die Bezeichnungen "Obazda" und "Obatzter" im Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben der Europäischen Kommission eingetragen.

Und jetzt kommt es: Verpflichtende Zutaten sind: mindestens 40 Prozent Camembert oder Brie, wahlweise ergänzt durch Romadur, Limburger oder Frischkäse. Außerdem Salz und Paprikapulver. Insgesamt sollten es mindestens 50 Prozent Käse sein. Außerdem erlaubt: Zwiebeln, Kümmel, Gewürze, Kräuter, Rahm, Milch und Bier.

300 Euro für die Prüfung

Um diese Spezialität "Obazda" oder "Obatzter" nennen zu können, muss die gesamte Verarbeitung der Zutaten in Bayern erfolgt sein. Großbetrieben schaut die Landesanstalt für Landwirtschaft schon länger auf die Finger, ob alles mit rechten Dinge zugeht. Jetzt knöpft sich die Behörde Wirtschaften vor, die Obazden noch selber nach Familienrezept herstellen. Und die jaulen auf, denn sie müssen für die Prüfung bis zu 300 Euro zahlen.

In Freising führt heute Thierry Willems das Bräustüberl Weihenstephan. Er spricht von einer "Frechheit". Bei den Behörden wird dagegen betont, zertifizierte Wirtschaften könnten mit diesem getesteten Obazden werben.

Willems und manche seiner Kollegen aber winken ab: Kleineren Wirten könnte diese Prozedur zu teuer werden. Die Folge: Sie streichen Obazden von der Karte und erfinden neue Namen für dasselbe Produkt: vielleicht Brezenkaas oder Bier-Kaas-Creme? "Wirtin Katharina Eisenreich wird sich im Grab rumdrehen", heißt es in Freising. 

 

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