Neues Projekt zur Wiederansiedlung

Luchse im Reichswald? Bund Naturschutz will 20 Tiere in Bayern aussetzen

29.6.2021, 05:23 Uhr
Selbst wenn sich die Luchse tatsächlich in Bayern verbreiten sollen, wird sie kaum jemals jemand zu Gesicht bekommen. Selbst viele Luchsexperten, die sich seit Jahren intensiv mit den Tieren beschäftigen, haben noch nie eine der Katzen in freier Wildbahn gesehen.

© Martin Schutt, dpa Selbst wenn sich die Luchse tatsächlich in Bayern verbreiten sollen, wird sie kaum jemals jemand zu Gesicht bekommen. Selbst viele Luchsexperten, die sich seit Jahren intensiv mit den Tieren beschäftigen, haben noch nie eine der Katzen in freier Wildbahn gesehen.

Drei kleine Luchse hat die junge Fee bereits herbeigezaubert. Und doch wird sie allein es nicht richten können. Das Luchs-Weibchen Fee, das verwaist im Bayerischen Wald gefunden worden war, wurde 2016 im Steinwald, südöstlich des Fichtelgebirges, ausgesetzt - und sorgte vor Kurzem erstmals für Nachwuchs in dem zuvor luchslosen Gebiet. Gleiches soll möglichst bald auch der im Fichtelgebirge freigelassenen Luchs-Dame Julchen gelingen.

"Luchs und Wolf sind sehr verschieden"

Doch Fee und Julchen sind Einzelfälle. Ein groß angelegtes Wiederansiedlungprojekt für Luchse gibt es nicht in Bayern. Fast 15 Jahre hat man nun stattdessen seit dem ersten Managementplan Luchs verstreichen lassen. Die Hoffnung war, dass sich der Luchs vom Bayerischen Wald aus von selbst in ganz Bayern verbreitet. Doch die Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

Die Tiere bleiben im Bayerischen Wald. Nur vereinzelte Tiere verirren sich in Frankenwald oder Fichtelgebirge. "Luchs und Wolf sind sehr verschieden. Der Luchs ist sehr viel konservativer und breitet sich nicht so schnell aus", verdeutlicht Sybille Wölfl, Leiterin des Luchsprojektes Bayern. Luchs-Männchen könnten zwar durchaus 200 bis 300 Kilometer weit ziehen, doch Weibchen suchen den Kontakt zu Artgenossen und lassen sich nur am Rand bestehender Populationen nieder.

Und so beschränken sich die bayerischen Luchse weiterhin vor allem auf den Bayerischen Wald, wo sie mit Tieren aus dem tschechischen Böhmerwald und dem österreichischen Mühlviertel eine zusammenhängende Population bilden. Zuletzt waren es laut Landesamt für Umwelt in Bayern 70 selbstständige Tiere und zusätzlich 27 Jungtiere. Darunter waren allerdings nur 13 reproduzierende Weibchen - und deren Zahl ist entscheidend für die Fortentwicklung der Population. Immerhin ist der Trend leicht positiv.


Wie eine Frau gegen das Verschwinden der bayerischen Luchse kämpft


"13 Weibchen sind immer noch extrem wenig. Dadurch gibt es eine hohe Aussterbewahrscheinlichkeit. Außerdem sollte der Bestand insgesamt noch größer sein, um Inzucht zu vermeiden", betont Uwe Friedel vom Artenschutzreferat des Bund Naturschutz. Die Luchse hätten noch keinen Kontakt zur zweiten deutschen Population im Harz.

Erst in 50 Jahren Luchse im Nürnberger Reichswald?

Doch diese Verbindung soll nun geschaffen werden - über den Thüringer Wald. Dazu hat der Bund Naturschutz in Thüringen von der Uni Freiburg eine Simulationsstudie durchführen lassen. Das Ergebnis: Ohne menschliche Unterstützung wird sich der Luchs in den nächsten 25 Jahren kaum weiter ausbreiten. Zwischen Bayerischem Wald und Harz bleibt eine große Lücke.

Mit Aussetzungen von 20 Luchsen in den kommenden Jahren im Thüringer Wald dagegen wären die Luchs-Populationen in Harz und Bayerischem Wald in 25 Jahren miteinander verbunden. In 50 Jahren hätten sie sich auf Spessart, Rhön, Erzgebirge und Odenwald ausgebreitet. Auch im Veldensteiner Forst, womöglich sogar im Nürnberger Reichswald würden einzelne Luchse leben.

Dem Bund Naturschutz in Bayern ist das trotzdem noch zu wenig Dynamik. "Wir sollten auch in Bayern 20 Luchse aussetzen", meint Friedel deshalb. Die Tiere sollten konzentriert in bestimmten Regionen angesiedelt werden, zunächst vor allem in Fichtelgebirge und Frankenwald, um sich dann von dort von selbst weiterzuverbreiten, zum Beispiel in Spessart und Alpen. So könnte sich auch schon deutlich früher als in 50 Jahren der erste Luchs im Reichswald niederlassen, der prinzipiell groß genug für zwei bis drei der Tiere wäre.

Jäger sollen illegal Luchse getötet haben

Die ausgesetzten Luchse werden nur zum Teil aus in der Wildnis gefangenen Tieren bestehen können. "Wir gehen davon aus, dass da Gehegezucht notwendig ist", meint Friedel. Möglichst schnell möchte es der BN in Bayern nun den Thüringer Kollegen gleichtun und eine Simulationsstudie zu Freisetzungen im Freistaat erstellen lassen.

"Aus Sicht des Umweltministeriums wird der Vorschlag des BN fachlich grundsätzlich begrüßt. Die aktive Ansiedlung einer sensiblen Tierart kann allerdings nur gelingen, wenn sie von allen Beteiligten unterstützt wird", betont das Bayerische Umweltministerium. Gespräche mit Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, Staatsforsten und Bayerischem Jagdverband (BJV) werden also notwendig sein.

Der Luchs löst hierzulande zwar sehr viel weniger Ängste aus als der Wolf. Trotzdem sorgt seine Ausbreitung für Widerstände. Da sich Luchse vor allem von Rehen ernähren, sehen manche Jäger die Katzen als Konkurrenten. Für einige illegale Tötungen sollen solche Jäger verantwortlich sein. Ein Luchs erlegt etwa 50 Rehe im Jahr. Dies allerdings auf einer Fläche von 100 Quadratkilometern. Weidetiere fällt der Luchs extrem selten an, er traut sich anders als der Wolf kaum aus dem Wald heraus.

Widerstand der Jäger gegen die Luchse scheint zu bröckeln

Der BJV verurteilt die illegalen Luchs-Tötungen scharf. "Hier fahren wir eine Null-Toleranz-Strategie und betonen, dass die Tötung von geschützten Wildtieren hochkriminell ist, solche Vergehen gründlichst untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen", teilt eine Sprecherin mit. Im BJV-Grundsatzpapier zum Thema setzt der Verband allerdings auf eine natürliche Ausbreitung und lehnt künstliche Aussetzungen ab.

Der Wind beim BJV scheint sich aber langsam zu drehen. "Das zum Thema vorliegende Positionspapier ist in der Tat veraltet und muss überarbeitet werden. Dies wird in naher Zukunft geschehen", erklärt der Verband. Vielleicht könnten sich die Luchse also schon bald tatsächlich in Bayern ausbreiten. Ganz ohne Zauberei.

1 Kommentar