Manipulierte Akten im Fall Peggy?

20.8.2013, 06:55 Uhr
Manipulierte Akten im Fall Peggy?

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Am 7. Mai 2001 ist die kleine Peggy mit den blauen Kulleraugen auf dem Heimweg von der Schule im oberfränkischen Lichtenberg spurlos verschwunden. Nicht einmal ein Haar, ein Schuh, ein Stofffetzen von ihr wurden gefunden. Suchaktionen mit Bundeswehrtornados und Spürhunden blieben erfolglos. Trotzdem wurde am 30. April 2004 der damals 26-jährige, geistig behinderte Nachbar wegen Mordes an der Schülerin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Je länger das Geschehen zurückliegt, umso mehr Details werden bekannt, die das Urteil fragwürdig erscheinen lassen.

Nach Berichten über eingeschüchterte Zeugen und widerrufene Aussagen hat die Bayreuther Justiz im Juli 2012 angekündigt, die neue Sachlage zu analysieren. 120 Zeugen habe man seitdem vernommen, sagte leitender Oberstaatsanwalt Herbert Potzel. Ein „durchschlagendes Ergebnis“ sei jedoch noch nicht dabei. Nun muss sich die Staatsanwaltschaft auch durch den 2000 Seiten umfassenden Wiederaufnahmeantrag arbeiten, den der Verteidiger der Nachbarn vorgelegt hat.

Massiver Druck

Euler ist überzeugt, dass der Mann unschuldig ist. Sein Geständnis, das der Behinderte später widerrufen hat, sei unter massivem Druck zustande gekommen. Der Anwalt bietet Zeugen auf, die behaupten, noch nach dem Zeitpunkt des angeblichen Mordes Kontakt mit Peggy gehabt zu haben.

Inzwischen verfolgt die Justiz auch eine Spur nach Halle: Die Münchner Journalistin Ina Jung hat in ihrem jüngst erschienenen Buch „Der Fall Peggy. Die Geschichte eines Skandals“ akribisch aufgezeigt, dass ein erst heuer verurteilter Kinderschänder aus Sachsen-Anhalt auch regelmäßig Kontakt zu Peggy hatte.

Der Mann war schon 2001 ins Visier der ersten Sonderkommission geraten: Bei einer Vernehmung hatte er ein Amulett mit Peggys Foto um den Hals getragen, in einem Schulheft des Mädchens fand man prompt seine Telefonnummer. Obwohl der Mann für den 7. Mai kein Alibi hatte, ließ sich der Verdacht gegen ihn damals nicht erhärten. Doch jetzt hat ihn ein Vater aus Lichtenberg angezeigt: Er soll sich vor zwölf Jahren an einem Kind vergangen haben, das im selben Haus wie Peggy wohnte.

65 Zeugen sagen aus

Bislang sei man in dieser Sache nicht entscheidend weitergekommen, räumt Oberstaatsanwalt Potzel ein. Man ermittle aber weiter. Bis Oktober soll die Stellungnahme fertig sein, ob man ein Wiederaufnahmeverfahren befürworte. Die endgültige Entscheidung liegt dann beim Gericht.

Für Journalistin Ina Jung steht außer Frage, dass es ein neues Verfahren geben muss. Sieben Jahre hat sie in dem mysteriösen Fall recherchiert, Akten studiert, Menschen ausfindig gemacht, die am Tattag im Ort waren. Sie ist überzeugt: „Ermittlungsberichte sind manipuliert worden.“

Die zweite Soko „Peggy“ habe dem renommierten Berliner Gerichtspsychiater Hans-Ludwig Kröber etwa eine unvollständige Handakte übergeben, die nach dem schriftlichen Vermerkt „keinen Eingang in die Hauptakte“ fand. Kröber hielt danach das Geständnis des Nachbarn für glaubhaft.

Der Gutachter habe so nicht erfahren, dass 65 (!) Zeugen den Nachbarn gar nicht auf einer Bank sitzen sahen, auf der er angeblich auf Peggy gewartet hatte, sagt Jung. Dies hatte nur eine Frau behauptet. Ausgerechnet jene Mutter, deren Sohn zuvor beschuldigt worden war, am Verschwinden von Peggy beteiligt gewesen zu sein.

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