Eklat in Niederbayern

"Maßnahmen beschränken meine Grundrechte": Lehrer zieht gegen Testpflicht an Schulen vor Gericht

19.1.2022, 20:04 Uhr
An Bayerischen Schulen gilt eine Testpflicht für Schüler und Lehrer. Ein Lehrer aus Kelheim fühlte sich dadurch in seinen Grundrechten beschränkt und zog vor Gericht.

© Christoph Soeder, NNZ An Bayerischen Schulen gilt eine Testpflicht für Schüler und Lehrer. Ein Lehrer aus Kelheim fühlte sich dadurch in seinen Grundrechten beschränkt und zog vor Gericht.

An bayerischen Schulen ist eine allgemeine Testpflicht - sowohl für Schüler auch als für Lehrer - Normalität. Mit der Maßnahme soll der Präsenzunterricht weiterhin aufrechterhalten werden. Ein Gymnasiallehrer aus dem niederbayerischen Kelheim sah sich dadurch in seinen Grundrechten beschnitten und wehrte sich vor Gericht gegen die verpflichtende Regelung - allerdings ohne Erfolg.

Der kontroverse Fall wurde vor dem Verwaltungsgericht in Regensburg ausgetragen. Dem Gericht zufolge ging es dem ungeimpften Lehrer vor allem darum, sich vom Präsenzunterricht befreien zu lassen, um der Testpflicht zu entgehen.

Der Antrag des Lehrers richtete sich gegen den Freistaat Bayern, welcher vor Gericht durch das Kultusministerium vertreten wurde. Das Gericht hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Das Kultusministerium teilt auf Nachfrage mit, dass es dem Beamten frei stehe, dienstliche Vorgaben und Rahmenbedingungen, die er für nicht rechtmäßig halte, gerichtlich überprüfen zu lassen.

In seiner 25-seitigen Urteilsbegründung zeichnet das Gericht den Fall Stück für Stück nach - und fängt dafür ganz am Anfang an: Am 12. April 2021 trat die Testpflicht für Lehrkräfte in Kraft und Ende Mai informierte schließlich die Schulleitung in Kelheim den Kläger über über die schulinterne Organisation der Selbsttests nach den Pfingstferien.

Noch am selben Tag antwortete der Lehrer seinen Vorgesetzten: "Da Tests bei Lehrkräften aus offensichtlichen Gründen rechtlich keine Pflicht sein können, bitte ich auch darum mir mitzuteilen, was Sie sich hier überlegt haben".

Lehrer lässt sich vom Dienst befreien

Das Kultusministerium antwortete nach Absprache mit der Schulleitung, dass der Präsenzunterricht an bayerischen Schulen nur mit der Einhaltung von "angemessenen Schutz- und Hygienekonzepte" durchgeführt werden könne. Daraus ergebe sich durch das Infektionsschutzgesetz die "unmittelbare Verpflichtung" der Lehrkraft, sich zweimal wöchentlich testen zu lassen.

Ob der Lehrer sich in Folge wirklich testen ließ, ist nicht geklärt. Die Schulleitung ging jedoch davon aus, da der Beamte die entsprechenden Testkits zumindest abholte. Damit hat die Causa jedoch noch lange kein Ende gefunden.

Ganz im Gegenteil: Nachdem der bayerische Koalitionsauschuss im November die Zugangsbeschränkungen an den Schulen verschärfte, reichte der Lehrer ein ärztliches Attest ein, dass ihn für einen knappen Monat - bis zu den Weihnachtsferien - vom Dienst befreite.

Infektionsschutzgesetz für Beamte verfassungswidrig

Laut dem Landratsamt sei der Pädagoge aus amtsärztlicher Sicht aber gesundheitlich in der Lage gewesen, "seinen dienstlichen Aufgaben als Lehrer im vollem zeitlichen Umfang nachzukommen".

Dann folgt die Episode vor Gericht. Der Lehrer stellte einen Antrag, um die Verfassungswidrigkeit des Infektionsschutzgesetzes festzustellen. Zudem forderte er "eine Möglichkeit der Erfüllung seiner Dienstpflichten" ohne Impfung und ohne einen Nachweis seiner Gesundheit. In anderen Worten: Er forderte eine Umstellung auf Distanzunterricht - weil er sich nicht impfen und testen lassen wollte.

Der Lehrer begründet das damit, dass er sich aus "medizinischen, weltanschaulichen und politischen Überlegungen heraus gegen eine Impfung entschieden" habe und daher eine "natürliche Immunisierung durch Ansteckung" präferiere.

Recht auf körperliche Unversehrtheit?

Zudem fühle er sich durch die Androhung von dienstrechtlichen Konsequenzen seitens des Arbeitsgebers genötigt. Er habe das Recht, "medizinische Prozeduren und Untersuchungen an seinem Körper, insbesondere invasiv-medizinische" - wie das Einführen eines Teststäbchens in seine Nase - "ohne Befürchtung von Repressalien abzulehnen".

Daneben gebe es nach Meinung des Lehrers keine fundierten Studien zu den Auswirkungen der Testkits bei einer Anwendung drei- bis fünfmal die Woche. Außerdem fühle er sich gegenüber Geimpften und Genesenen ungerecht behandelt, da auch diese das Virus weitergeben könnten und somit "mindestens genauso gefährlich wie Ungeimpfte" seien.

Das sieht das Kultusministerium freilich anders: Die Schülerinnen und Schüler hätten einen Anspruch auf Präsenzunterricht. Zumal ein Distanzunterricht in diesem Fall die Chancengleichheit unter den Schülern in Kelheim einschränken würde. Die Betroffenen wären im Vergleich zu anderen Schülern an derselben Schule benachteiligt - bei identischer Infektionslage.

"Die Erteilung einer Ausnahme in einem Einzelfall oder für alle Lehrkräfte, die eine Impfung ablehnten, wäre im Blick auf den Gleichheitsgrundsatz willkürlich und rechtswidrig", meint das Kultusministerium. Zumal die Behörde keine "Diskriminierung oder unrechtmäßige Ungleichbehandlung einer Minderheit nicht immunisierter Personen" erkennen kann.

Richter stimmen Kultusministerium weitgehend zu

Vielmehr handele es sich bei der Testpflicht um eine "infektionspräventive Vorkehrung", mit der eine Verbreitung der Corona-Infektion verhindert werden soll und damit gerade auch dem Schutz von Ungeimpften diene.

Die Regensburger Richter stimmten der Argumentation des Kultusministeriums weitgehend zu und lehnten den Antrag des Lehrers dementsprechend ab. Die 3G-Regelung am Arbeitsplatz aus dem Infektionsschutzgesetz gelte weiterhin: "Da nach dem Vortrag des Antragstellers dieser weder geimpft noch genesen ist, hat er zur Durchführung des Präsenzunterrichts einen Testnachweis vorzulegen". Einen Anspruch auf Befreiung vom Präsenzunterricht habe er dem Gericht nicht glaubhaft gemacht.

Testpflicht weiterhin notwendig

Zudem verteidigten die Richter das Testen an Schulen als notwendiges Mittel, um die Sicherheit an den Schulen zu gewährleisten. Zwar gibt das Gericht dem Kläger in dem Punkt recht, dass die Testpflicht einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt. Dennoch sei der Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum "nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität".

Weiter hält das Gericht fest, dass die Vorlage eines negativen Corona-Tests keine willkürliche oder unverhältnismäßige Belastung für Ungeimpfte darstellt. Demnach habe der Schutz des Antragsstellers und seiner Schüler und Kollegen Vorrang gegenüber dem Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Der Lehrer habe die Pflicht "Schüler und Kollegen vor Gesundheitsrisiken, die von ihm ausgehen können, zu schützen".

Die Unzumutbarkeit einer Testpflicht sieht das Gericht angesichts der flächendeckenden Verfügbarkeit von Schnelltests nicht gegeben. Zumal dies für den Antragsteller nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden sei, da ihm die Tests vom Arbeitgeber bereitgestellt werden. Der Lehrer hat nach dem Urteil noch die Möglichkeit, Beschwerde gegen den Beschluss am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzulegen.

Einmaliger Fall

Laut dem Kultusministerium und dem bayerischen Philologenverband (BPV) sei das der erste Fall, in dem ein Lehrer gerichtlich gegen die dienstlichen Corona-Maßnahmen vorgegangen ist. Eine Sprecherin des BPV äußerte sich zu dem Fall gegenüber nordbayern: "Wir leben in einer Pandemie. Der Präsenzunterricht kann nur mit entsprechenden Schutz- und Hygienekonzepten weiterhin aufrechterhalten werden".

Zwar dürften auch Freiheitsrechte nicht außer acht gelassen werden, aber in diesem Fall gebe es klare Vorgaben. Man müsse für alle denken, sagt die Sprecherin. "Es ist keine Zeit für Ausnahmen und Sonderregelungen für Einzelne".

Verwandte Themen