Merkels merkwürdiger Deal mit Corona-Schutz aus Bulgarien

14.5.2021, 14:25 Uhr
Schutzmasken werden in einer Produktionsstätte hergestellt (Symbolbild).

© Rolf Vennenbernd, dpa Schutzmasken werden in einer Produktionsstätte hergestellt (Symbolbild).

Der Dessousfabrikant Venera Style schickte laut Spiegel zu Beginn der Pandemie ein Angebot, um Schutzmasken nach Deutschland zu liefern. Zweilagig, 85 Prozent Baumwolle, 15 Prozent Elastan. Etwas luftdichter als die sonst übliche Produktpalette.

Das Geschäft genoss laut Spiegel höchste politische Protektion – durch Kanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Staatssekretär Gerd Hoofe sowie die Präsidentin des Bundeswehr-Beschaffungsamts.

Kein Aufwand sei zu groß gewesen, um ins Geschäft zu kommen; Kramp-Karrenbauer soll sogar ihren persönlichen Adjutanten in einen Flieger der Flugbereitschaft gesetzt haben, um Proben aus Sofia abzuholen. Gekauft wurde laut Medienberichten in höchster Eile, von der Bundeswehr, obwohl die Ware offenbar zweifelhaft war, genauso ihr Nutzen. Nicht die bulgarischen Anbieter schickten ihre Ware nach Deutschland, damit sie geprüft wurde, sondern der persönliche Adjutant der Ministerin sollte die Muster mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr aus Bulgarien abholen.

Angebahnt wurden die Deals zwischen Merkel und dem bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow, einem Freund des Westens, in seiner Heimat allerdings auch stets umweht von Gerüchten, als Politiker nicht sauber zu sein, berichtet das Nachrichtenmagazin.

Noch sei nicht klar, ob es sich bei dem Corona-Deal um eine Polit-Posse oder eine Affäre handelt. Fest steht laut Spiegel: Das erste Gespräch haben Merkel und Borissow dazu am 27. März 2020 geführt, einem Freitag, das bestätigt das Kanzleramt. Am Tag zuvor hatten die EU-Staats- und Regierungschefs in einer Videoschalte ausgelotet, was man tun könne, um gemeinsam Schutzausrüstung zu beschaffen. Borissow habe angeboten, man könne liefern.

Das WIWeB, das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe im bayerischen Erding, sollte laut Spiegel die Bulgarenproben prüfen. Dabei sollen die WIWeB-Prüfer nichts Gutes geschrieben haben: Die Stoffmasken seien "alle sehr einfach gefertigt"; man müsse davon ausgehen, "dass ... nicht der Träger der Masken geschützt wird". Von den sechs Overalls aus Bulgarien sollen drei sofort durchgefallen sein: nicht dicht oder nur bei 30 bis 40 Grad waschbar.

Am 17. April schneiten angeblich schon die nächsten Muster aus Bulgarien herein. Diesmal ging es um Schutzanzüge, Masken, eine Schutzbrille und Visiere. Wieder fehlten Zertifikate, wieder gaben die Prüfer einen Anzug und ein Visier frei.

Für die Untersuchung blieben dem WIWeB nur ein paar Stunden Zeit. Kramp-Karrenbauers Stabschef habe die Parole "schneller Vertragsabschluss erwünscht" ausgegeben, so steht es laut Spiegel in der Mail eines Beschaffers.

Der Bedarf war schon gedeckt, gekauft wurde trotzdem

Offiziell lautete die Begründung: Die Marktlage sei unsicher, vielleicht gebe es hier und da Verzögerungen und Ausfälle. Deshalb seien die Käufe in Bulgarien vertretbar, selbst wenn der bulgarische Schutzanzug teurer sei als der von Rheinmetall und leider auch nicht zertifiziert. Dass das Zertifikat fehle, müsse ja auch nichts heißen. Damit bleibe doch offen, ob "nicht möglicherweise sogar ein höherwertiges Produkt vorliegt", schreibt ein Beschaffungsbeamter laut Spiegel in einem Vermerk.

Warum aber wurde den Bulgarienaufträgen in Berlin solch eine Bedeutung beigemessen? Das Kanzleramt schweigt dazu offenbar.

Borissow weist auf Anfrage des Nachrichtenmagazins Spiegel einen dubiosen Hintergrund der Geschäfte weit von sich, beteiligte Firmen wie Venera Style ebenso. Es seien keine Parteispenden oder andere Gelder geflossen; die Regierung habe sowieso nur Kontakte vermittelt und mit den Verträgen nichts zu tun gehabt.

Gut ein Jahr später stapeln sich bei der Bundeswehr die Schutzanzüge angeblich noch fast vollständig im Depot. Auch die Gesichtsvisiere sollen noch auf Lager liegen.

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