Millionengräber: Großprojekte in Bayern aus dem Ruder

24.8.2019, 05:27 Uhr
Der Bau des Operativen Zentrums in Erlangen droht zum Millionengrab zu werden.

© Athina Tsimplostefanaki Der Bau des Operativen Zentrums in Erlangen droht zum Millionengrab zu werden.

Sebastian Körber wird deutlich: Bei staatlichen Hochbauten in Bayern sind immense Mehrkosten eher die Regel als die Ausnahme“, sagt der 39-jährige FDP-Landtagsabgeordnete aus Forchheim. "Hier muss schleunigst reagiert werden, bevor noch mehr Steuergeld verschleudert wird."

Körber steht mit seinem FDP-Kollegen Matthias Fischbach aus Erlangen vor einem seiner Meinung nach trefflichen Beispiel für aus dem Ruder gelaufene Baukosten: der Baustelle, auf der der Neubau des OP-Zentrums des Universitätsklinikums in der Hugenottenstadt entsteht. Hier sind die geschätzten Kosten binnen dreier Jahre um 15 Millionen Euro auf mindestens 180 Millionen gestiegen.

Und ein Ende scheint noch nicht absehbar. Bisher könne nur eine "grobe Annahme für eine Kostensteigerung in Höhe von zehn bis 15 Prozent der bisherigen Gesamtbaukosten getroffen werden", schreibt Bauminister Hans Reichhart in einem Papier, das seine Ministerialbürokratie als Antwort auf bohrende Nachfragen der beiden liberalen Abgeordneten formuliert hat.

Erstmals kein Ausschusschef der CSU

Kritiker sprechen schon von einem "Millionengrab" und schätzen die Mehrkosten auf bis zu 60 Millionen. Sebastian Körber geht noch weiter und prognostiziert eine Gesamtsumme von einer Viertelmillarde Euro — also 80 Millionen mehr als beim Bauantrag im Jahr 2011 genannt.

"Ich sehe mich als Kontrollorgan und gehe dem Ministerium auf die Nerven", sagt der FDP-Abgeordnete. Mit ihm kommt der Vorsitzende des Landtagsausschusses für Bau und Verkehr erstmals nicht aus der CSU. Körber ist Architekt, Spezialist für Denkmalschutz und Bestandsimmobilien sowie selbstständiger Berater mit Maklerlizenz.

Er nennt weitere Beispiele für Kostenmehrungen: 100 Prozent bei der Sanierung des Deutschen Museums in München. Kommentar der Pressestelle des Bauministeriums auf Anfrage unserer Zeitung: "Nicht unsere Baustelle.“ Neben dem Freistaat zahlt hier nämlich auch der Bund.

"60 Prozent Mehrarbeit beim Neubau des Finanzamts Kronach. Kommentar der Pressestelle: „Ein Finanzamtsneubau Kronach ist uns nicht bekannt.“ Das sei Verschleierung, kontert Körber: „Es ist ein Neubau und ein Anbau an ein bestehendes Gebäude. Und die Maßnahme war im Bauausschuss.“ Die Pressestelle will das nicht bestätigen. "Schon klar, Wortklauberei", zürnt Körber, "weil aus einer kleineren Maßnahme eine echte Kernsanierung geworden ist."

Der Ausschussvorsitzende wirft dem Ministerium vor, die Kosten im Vorfeld nicht exakt zu ermitteln, um die Summen zu drücken und die Projekte durch den Landtag zu bekommen. Hinterher wüchsen dann die Steigerungen umso mehr.

Dem widerspricht die Pressestelle: Es treffe nicht zu, dass Mehrkosten bei staatlichen Baumaßnahmen die Regel seien. Bei Kostenermittlungen werde der Preisstand zum Zeitpunkt der Genehmigung durch den Landtag berücksichtigt. Die Entwicklung der Baukonjunktur zeige, dass derzeit eine verlässliche Prognose kaum möglich sei. Werden „Große Baumaßnahmen“ über einer Million Euro angepackt, so müsse der Landtag sie genehmigen. Zu diesem Zeitpunkt liege auch eine Kostenberechnung vor. Körber nennt diese Aussagen Verschleierungstaktik. Im Vorfeld werde alte Bausubstanz schlampig untersucht. Auch sei es ein Unding, dass der Staat sich quasi selbst den Bauantrag genehmigt, nur auf Basis von Schätzungen.

Der Abgeordnete stellt fünf Forderungen als Sofortmaßnahmen auf:

1. Bereits bei den ersten Planungen sollten die Bürger durch öffentliche Veranstaltungen beteiligt werden: „Bereits hier muss auch Kostentransparenz hergestellt werden, so dass erste Schätzungen vorhanden sind, keine Schönrechnerei.“

2. Zum Zeitpunkt einer Entscheidung muss eine aktuelle Kostenberechnung vorhanden sein, insbesondere vor einem Bauantrag. Dafür müssen die gesamten Baukosten jedes Jahr aktualisiert werden.

3. Gerade bei Bestandsgebäuden sollten verpflichtend detaillierte Untersuchungen vorab vorgenommen werden. Wichtig dabei seien straffe Pläne, damit möglichst wenig Zeit zwischen Planung und Baubeginn verstreicht. Dazu seien die internen langwierigen Abläufe innerhalb der staatlichen Instanzen dringend anzupassen. Vorbild müssten die Regelwerke und Vorschriften sein, die für alle Marktteilnehmer ohnehin gelten.

4. Bei Ausschreibungen und Vergaben sollte die öffentliche Hand vorbildhaft vorangehen und einen „Regionalisierungsfaktor“ einführen, weil regionale Firmen die Gegebenheiten vor Ort besser einschätzen können.

5. Im Ministerium müsse eine zentrale Abteilung „Kosten- und Zeitplan-Controlling“ für alle Hoch- und Tiefbauprojekte gefort reagiert werden, um Verschwendung zu verhindern. Und bei jedem Vorhaben ab zehn Millionen Euro sei ein externes Kosten-Controlling verbindlich einzusetzen, das direkt an den Bauausschuss berichtet.

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