Auch in der Region: Rettungskräfte an Silvester angegriffen

3.1.2019, 08:10 Uhr
Auch in der Region: Rettungskräfte an Silvester angegriffen

© BRK

BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi selbst war  in der Silvesternacht in Nürnberg unterwegs und hat erlebt, wie Rettungswagen mit Böllern beworfen wurden oder wie Sektflaschen auf die Fahrbahn gerollt wurden, wenn ein Einsatzfahrzeug angefahren kam.

"Die Schwere der Angriffe hat zugenommen, gerade wenn Alkohol und Drogen mit im Spiel sind. Das ist eben ein Abbild der Gesellschaft, die Verrohung gibt es nicht mehr nur im Internet", meint Taheri-Sohi.

Meist werden die Patienten gewaltttätig

Eine aussagekräftige Statistik zu Attacken auf Einsatzkräfte gibt es nicht. Nur das BRK hat ein bayernweites Meldesystem, 110 Fälle gab es demnach im Jahr 2017, im Jahr 2018 waren es bis zum 15. November 86 Fälle. Fast immer ging dabei die Gewalt von den Patienten aus und nicht von Angehörigen oder Schaulustigen. Gemeldet wurden 22 Fälle von verbaler Gewalt, 31 Mal handelt es sich um körperliche Gewalt, 33 Mal wurde beides gemeldet.

"Diese Zahl ist aber ein schlechter Maßstab, weil wir eine hohe Dunkelziffer vermuten. Für viele sind Pöbeleien und Gewalt im Job schon fast normal, sie melden das gar nicht mehr. Dies ist sicherlich auch bedingt durch die negativen Erfahrungen in den vergangenen Jahren, was die Strafverfolgung angeht", verdeutlicht BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi.

Nächtlicher Notruf wegen Schnupfen

Gleichzeitig wachse auch die Erwartungshaltung an die Rettungskräfte. "Wenn wir nachts um 3 Uhr gerufen werden, weil jemand seit drei Tagen Schnupfen hat, dann nehme ich den nicht mit", betont der BRK-Sprecher. "Die Angehörigen werden dann teilweise ausfallend, vorwurfsvoll oder sogar aggressiv, weil sie erwarten, dass man nun an Ort und Stelle die Erkältung beseitigt", verdeutlicht Taheri-Sohi.

Auch in der Region: Rettungskräfte an Silvester angegriffen

© BRK Kelheim

Auch von der Eisenstangen-Attacke auf Rettungskräfte bei Mainburg (Landkreis Kelheim) sind mittlerweile weitere Details bekannt. Es war 2:08 Uhr in der Silvesternacht, als das BRK Kelheim zum Einsatz in den Mainburger Ortsteil Sandelhauzen gerufen wurde. Eine bewusstlose, hilflose Person liege da, hieß es. Und diese fanden die Rettungskräfte dann auch in einer Hofeinfahrt.

Zunächst die eigene Frau geschlagen

Von der Vorgeschichte wussten die BRK-Mitarbeiter da allerdings noch nichts. Denn schon vorher hatte der 28-Jährige, der nun in der Hofeinfahrt lag, auf einer privaten Feier seine 29-jährige Frau angegriffen und leicht verletzt. Als ihr der 50-jährige Hausherr helfen wollte, bekam er einen Faustschlag ins Gesicht verpasst. Eineinhalb Stunden später lag der Angreifer in der Hofeinfahrt, der Notarzt wurde alarmiert.

Der 28-jährige war stark alkoholisiert, aber teilweise wieder ansprechbar, als ihn die Rettungskräfte auf eine Trage legen und wegen der Kälte zum Rettungswagen bringen wollten.

"Ohne Vorwarnung hat er dann begonnen, wie wild um sich zu prügeln", erzählt Stephan Zieglmeier, Leiter des Kelheimer Rettungsdienstes. Dem 74-jährigen Notarzt schlug der aggressive Betrunkene mit der Faust gegen den Kopf. Zwei Rettungsdienstmitarbeiter und der Notarzt flüchteten daraufhin in den Rettungswagen, eine 24-jährige Rettungsassistentin dagegen konnte sich nur noch auf den Fahrersitz des Notarztwagens retten.

24-Jährige klammerte sich an die Fahrertür

Noch bevor sie das Auto verschließen konnte, versuchte der 28-Jährige, die Fahrertür aufzureißen, um auch auf sie einzuprügeln. Mit letzer Kraft gelang es der Rettungsassistentin, sich so an der Tür festzuklammern, dass sie nicht aufgerissen werden konnte.

Doch der 28-Jährige ließ von seinem Opfer nicht ab, riss die linke hintere Tür auf, und wollte so zur jungen Frau auf dem Fahrersitz gelangen. Als Einbauschränke das verhinderten, prügelte der Angreifer auch auf diese Einbauten ein und beschädigte sie schwer.

Danach griff sich der 28-Jährige eine etwa einen Meter lange Eisenstange von einer Baustelle am Einsatzort und zertrümmerte damit die Rückscheibe des Notarztwagens, riss einen Heizlüfter heraus und verursachte mehrere Tausend Euro Schaden.

Erst die von den Rettungskräften herbeigerufene Polizei konnte den wild um sich schlagenden Mann stoppen. Doch selbst die Beamten wurden von ihm noch beleidigt und getreten. Einen 27-Jährigen erwischte er am Kopf, er wurde leicht verletzt.

Panikknopf im Rettungswagen

"Das ist einer der schlimmsten Fälle, die ich in 25 Jahren erlebt habe", meint Rettungsdienstleiter Zieglmeier. Die Respektlosigkeit gegenüber den Einsatzkräften habe zugenommen. Zum Glück können sie schnell Hilfe rufen: Mit einem roten Knopf am Digitalfunkgerät können sie den anderen Funkverkehr lahmlegen und selbst einen Notruf absetzen.

"Selbst wenn man dann keine genaueren Infos mehr durchgeben kann, muss die Leitstelle die Polizei und einen Rettungswagen zu dem Ort schicken, der durch die GPS-Koordinaten bekannt ist", erklärt Zieglmeier.

Seit Kurzem gibt es auch im Patientenraum der neuen Rettungswagen einen Panikknopf, durch den man im Notfall sofort das komplette Fahrzeug verriegeln kann.

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