Museen setzen zunehmend auf digitale Angebote - auch in der Region

1.3.2021, 16:46 Uhr
Das Museum im Kulturspeicher Würzburg bietet zu der Ausstellung "Italiensehnsucht" Malvorlagen für Kinder zum Runterladen an und gibt in Videos Anregungen zum Ausmalen mit Wasserfarben. 

© e-arc-tmp-20210219_171639-2.jpg, NNZ Das Museum im Kulturspeicher Würzburg bietet zu der Ausstellung "Italiensehnsucht" Malvorlagen für Kinder zum Runterladen an und gibt in Videos Anregungen zum Ausmalen mit Wasserfarben. 

Sprachen lernen oder Däumchen drehen? Lieferservice oder ausgiebig kochen? Was Schönes machen oder die Steuererklärung? Fragen über Fragen im Pandemie-Alltag.
Wohl keiner stellt sie so pfiffig wie die Kunsthalle Karlsruhe auf ihrer Homepage. Die Alternativantworten sind mit treffenden, witzigen, skurrilen, ästhetischen Ausschnitten aus Gemälden hinterlegt. Wer sich durch den wie Spielkarten aufgemachten Fragebogen zu seiner Morgenroutine, zu Essensvorlieben oder eben seinem "Stay-at-home-Typ" klickt, hat Spaß.

Dazu was für die Augen und zum Schluss ein ganz persönliches "Moodboard" – also ein Stimmungsbild – mit den Gemälde-Favoriten. "Verschwende deine Zeit lustvoll mit Kunst", fordert die Kunsthalle auf ihrer Homepage. Das klappt. So gut, dass sie damit den "Digamus"-Award gewonnen hat, die erstmals vergebene Auszeichnung für Digital-Angebote von Museen.

Kein Anstehen an der Kasse

Die haben durch die Corona-Pandemie in den geschlossenen Häusern weltweit einen Schub erlebt. Sie sind professioneller, kreativer, vielfältiger geworden. Den analogen Museumsbesuch mit seiner Aura der Originale kann das niemals ersetzen. Aber besser online ins Museum als gar nicht.

Es gibt garantiert kein Schlangestehen an der Kasse, dafür die Möglichkeit an einem Tag vom Sofa aus gleich mehrere Ausstellungshäuser zu besuchen. Und der wirkliche Vorteil: Man kann sich oft an Werke richtig nah heranzoomen, ohne dass die Alarmanlage schrillt oder ein Museumswärter angerannt kommt.

Dankes-Mails nach Würzburg

Digitalisierung im Museum, das erschöpfte sich früher oft im Erfassen der Sammlungen: Objekt für Objekt mit detaillierten Angaben zu Alter, Herkunft, Material. Eine Fundgrube für Wissenschaftler, für den gemeinen Kulturfreund eher unerquicklich. Denn wer hat schon Lust, sich wahllos durch Hunderte Abbildungen zu klicken? Die Stärke von Museen ist es ja gerade, Geschichten zu erzählen und Zusammenhänge herzustellen. Das suchen die Besucher auch online. Das finden sie jetzt immer häufiger. Und belohnen es.
Dankes-Mails nach Würzburg

"Wir haben Dankes-Mails bekommen, viele berührende Nachrichten", sagt Henrike Holsing. Sie ist stellvertretende Leiterin des Museums Kulturspeicher in Würzburg. Das hat mit "Italiensehnsucht" die wirklich passende Ausstellung in einer Zeit der Reisebeschränkungen. Gesehen hat sie kein einziger Besucher. Der Lockdown umfasste die komplette Laufzeit. Verlängerung ausgeschlossen. Ein Jammer.

Quizfragen und Video-Führungen

Digital aber haben die Würzburger ohne zusätzlichen Etat und mit dem Engagement der Mitarbeiter ein großes Angebot auf die Beine gestellt: Quizfragen und Rätsel, Malvorlagen für Kinder, Video-Führungen und die schöne Reihe "Bilder für Zuhause". Bei der kann man jeweils einminütige Erklärungen hören zu Italien-Gemälden etwa von Max Pechstein oder Gabriele Münter.

"Das ist der Renner", sagt Kunstvermittlerin Christiane Rolfs. Seit der Kulturspeicher Ende September endlich WLAN bekommen hat, gibt es auch Live-Führungen, die man zu Hause am Computer oder Laptop erleben kann. "Da sind an die Hundert Teilnehmer zugeschaltet", so Holsing. Inzwischen werden die digitalen Besucher als "echte" Besucher für die Jahresstatistik gezählt.

Auch im Kunstpalais Erlangen ist eine Ausstellung aufgebaut, die noch niemand besuchen konnte. Die Doppelpräsentation von Vivian Greven und Mike Bourscheid hat mit einer Laufzeit bis Ende Mai aber noch Chancen auf Öffnung. Die Vernissage lief erstmals rein virtuell. Ein ziemlicher Kraftakt. "Günstiger als eine normale Vernissage war sie nicht. Die Produktion kostet", sagt Malte Lin-Kröger, der stellvertretende Leiter. Digitales ist wichtig, meint er, warnt aber davor, sich in Technikverliebtheit zu ergehen.

Neue Digital Stories

Neben der Technologie fehlt den Häusern oft das digitale Knowhow, das Personal und das Geld für externe Dienstleister. Vergleichsweise gut ist das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg ausgestattet. Vor zwei Jahren schon bekam es Sondermittel von der Leibniz-Gemeinschaft und konnte drei Vollzeitstellen für neue Formen der Vermittlung einrichten.

Inzwischen sind es vier Kunsthistorikerstellen, eine weitere für einen Techniker soll dazukommen. Das Team hat den Audio- zu einem Medienguide aufgerüstet und inzwischen drei sogenannte Digital Stories veröffentlicht: Online-Ausstellungen etwa zum Leben im Mittelalter oder zur Wahrsagerei.

Branche war spät dran

Die Angebote in den Häusern zwischen Barcelona, Berlin und Bad Windsheim (das Fränkische Freilandmuseum kam auf Platz 2 beim Publikumsvoting des Digamus-Awards) sind schier grenzenlos und beweisen, dass Gutes nicht immer mit Größe und Geld gekoppelt sein muss.
Museen bieten Live-Talks auf Instagram, Echtzeit-Führungen über Zoom, Apps für Rundgänge, 360-Grad-Ansichten ihrer Räume, Podcasts auf Spotify oder Filme auf ihrem Youtube-Kanal. Sie offerieren Online-Angebote kostenlos, manche aber auch gegen Gebühr.

"Als Branche sind wir nur langsam aus dem Quark gekommen", sagt Ralf Raths vom Deutschen Panzermuseum in Munster über die Digital-Strategien der Ausstellungshäuser. Raths und seine Mitstreiter sind aber gewissermaßen die Speerspitze des virtuell-musealen Siegeszuges: Er hat mit seinem Haus den Publikumspreis beim "Digamus-Award" abgeräumt und unterhält den mit Abstand erfolgreichsten deutschen You-Tube-Museumskanal: fast 70 000 Abonnenten. "Der nächstgrößere hat 7000", sagt Julia Engau, die Sprecherin des Panzermuseums.

Enthusiasmus statt Perfektion

Das liegt sicherlich an der Art und Weise, wie der Museumschef, der mit seinem Zopf eher an einen Grünen denn an einen Bundeswehrler erinnert, seine Themen vermittelt: locker, humorvoll, faktenreich, unterhaltsam. Und ohne technischen Schnickschnack. Den könnte man sich in dem Haus im Heidekreis in Niedersachsen, das in normalen Jahren 110 000 "echte" Besucher hat, auch gar nicht leisten. "Ich mache das im Neben-Nebenamt", sagt Raths und meint: "Unser Charme ist, dass wir nicht perfekt sind. Mit Enthusiasmus kann man so viel machen."

Und wie geht es mit dem Enthusiasmus in der Branche nach Corona weiter? Alle, mit denen man spricht, freuen sich auf die Zeit, wenn Museen wieder als Orte der Originale wahrgenommen werden können. Alle sind aber auch wild entschlossen, viele der digitalen Errungenschaften beizubehalten. Denn das verschafft ihnen eine viel größere Reichweite. Die Zugriffszahlen steigen – aber auch die Ansprüche des Publikums und damit die Anforderungen an Museen.
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