"Stimmen haben mir befohlen, sie zu töten"

Nach Totschlag in Nürnberg: Urteil ist gesprochen

21.7.2021, 13:52 Uhr
Nach Totschlag in Nürnberg: Urteil ist gesprochen

© Alexander Brock, NNZ

Ein Mann glaubt, den Teufel persönlich getötet zu haben, klammert sich nach einer entsetzlichen Bluttat an den Körper von Kathrin B., jener Frau, die er liebte und doch brutal totgeschlagen hat, und verkündet: "Ich bin ein Engel und fliege durch das Universum."

Es ist eine unfassbare Tat, ein Verbrechen, das über jeden Verstand geht, und dazu kommt, dass Adil M. (28) nicht bestraft werden kann, wie andere Rechtsbrecher. Der Totschlag ist schrecklich, doch er hat ihn nicht heimtückisch geplant.

Krankhafte, seelische Störung

M. leide, so Susanne Stübner, Leiterin der Klinik für Forensische Psychiatrie am Bezirksklinikum Ansbach, unter einer paranoiden Psychose. Er lebte im Wahn, wusste die Realität nicht richtig einzuschätzen, er litt unter einer krankhaften seelischen Störung. Jahrelanger Cannabis-Konsum, er kifft seit seinem 16. Lebensjahr, kam erschwerend hinzu.

Psychiater als Wissenshelfer der Richter


Geht es um den Geisteszustand von Angeklagten, dienen Psychiater den Richtern als Wissenshelfer: Sie untersuchen Menschen wie Adil M., um festzustellen, ob diese "schuldfähig", "vermindert schuldfähig" oder "schuldunfähig" sind. Dazu greifen die Mediziner auf die Biografie der Person zurück, auf Angaben von Zeugen, Ermittlungsakten und frühere Arztberichte. Und sie sprechen mit den Betroffenen. Psychiaterin Stübner hat Adil M. zweimal exploriert, so lautet der Fachausdruck.

Täter gilt als gemeingefährlich

In ihrem Gutachten ist sie zu der Erkenntnis gekommen, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit von Adil M. nicht nur gemindert, sondern aufgehoben war.

Wer völlig schuldunfähig ist, kann nach dem Paragrafen 20 des Strafgesetzbuches gar nicht bestraft werden, merkt Richterin Barbara Richter-Zeininger in der Urteilsbegründung der Schwurgerichtskammer an. Doch Adil M. trägt auch während des Sicherungsverfahrens im Landgericht Nürnberg-Fürth Fußfesseln, ein sichtbares Zeichen, wie es um ihn steht.

Er sei gemeingefährlich, so heißt es in der Urteilsbegründung, daher wird er auf unbefristete Dauer in die forensische Psychiatrie zwangseingewiesen. Die zentrale Frage ist, was wird ein Mensch wie Adil M. in Zukunft anstellen? Es gilt, die Allgemeinheit zu schützen und ihn zu heilen. Daher hängt die Dauer der Unterbringung von der Gefährlichkeit des Patienten ab.

"Ausgeprägtes Risikoprofil"

Adil M. wird, davon kann man ausgehen, sehr lange Zeit in der Forensik leben. Seine schizophrene Psychose gilt als chronisch, seine Abhängigkeit von Cannabis verstärkt das Risiko, dass er erneut gewalttätig wird. In der Urteilsbegründung ist von einem "ausgeprägten Risikoprofil" die Rede, es könne "jederzeit wieder zu einem vergleichbaren Vorfall kommen".

Damit kein Missverständnis entsteht: Die Unterbringung in der Forensik gilt zwar nicht als Strafe, doch die Kliniken für Forensische Psychiatrie in Ansbach und Erlangen gleichen mit ihren Drahtzäunen und vergitterten Fenstern einem Hochsicherheitstrakt. Die seelisch kranken Straftäter leben hier in einer geschlossenen Anstalt. Und während Strafgefangene, die zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden, das Datum kennen, an dem sie wieder entlassen werden, kommen Täter wie Adil M. erst wieder in Freiheit, wenn Psychiater in unabhängigen Gutachten zu dem Schluss kommen, dass sie nicht mehr gefährlich für die Allgemeinheit sind.

Auffällig: extreme Eifersucht

Adil M., dies war in der Beweisaufnahme der Schwurgerichtskammer von Zeugen zu hören, fiel lange vor der Tat durch seine extreme Eifersucht auf. Kathrin B. (die Namen der Betroffenen wurden geändert) wertete es auch noch als Liebesbeweis, als er vor Eifersucht raste und die Wohnungstür und ein Fernsehgerät zerstörte.

Kathrin B., eine hochintelligente Studentin, die eine Karriere als Wirtschaftsinformatikerin anstrebte, war sehr verliebt, sie glaubte an eine Zukunft mit Adil M., der in Erlangen als Sicherheitskraft leere Siemensgebäude bewachte. Im Zeugenstand wurde sie von ihren Eltern und von Freunden als einfühlsam und harmoniebedürftig beschrieben.

Medikamente abgesetzt

Sie hatte Verständnis für Adil M., und als er im Januar 2020 schilderte, dass er Stimmen höre, riet sie ihm zum Gang in die Psychiatrie. 18 Tage blieb er in der Klinik, er gab sich einsichtig. Doch dann vernachlässigte er die Folgetermine, und setzte auf eigene Faust seine Medikamente ab, da er fürchtete, zuzunehmen.

Im Juli 2020 wollte das verliebte Paar gemeinsam eine Woche in Kathrin B.s Wohnung in der Reindelstraße leben, Kathrin soll sich darauf sehr gefreut haben. Am 6. Juli kam Adil M., am 9. Juli beschrieb Kathrin B. einer Freundin das sonderbare Verhalten ihres Freundes, in der Nacht zum 10. Juli rief sie gegen 4.22 Uhr einen Freund an. Adil M. hatte sie im Wohnungsflur ohne jeden Anlass angegriffen. Danach schrie sie so laut um Hilfe, dass in den folgenden Minuten mehrere Nachbarn den Notruf wählten. Um 4.45 Uhr trat ein Polizist die Wohnungstür ein, Kathrin B. lag bereits tot in ihrer Wohnung.