Neues Teilstück der A94: 33 Kilometer Autobahn eröffnet

30.9.2019, 19:00 Uhr
Das Teilstück der A94 wurde am Montag von Bundesverkehrsminister Scheuer eröffnet. Das neue Autobahnstück soll die von Lastwagen stark befahrene Bundestraße 12 von München Richtung Passau entlasten.

© Lino Mirgeler, dpa Das Teilstück der A94 wurde am Montag von Bundesverkehrsminister Scheuer eröffnet. Das neue Autobahnstück soll die von Lastwagen stark befahrene Bundestraße 12 von München Richtung Passau entlasten.

Sonnig war‘s, aber auch recht windig, als Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Montag auf dem Autobahnparkplatz Fürthholz-Nord der A94 einen „historischen Moment“ feierte. Straßeninfrastruktur in Deutschland sei ja „nicht ganz einfach“, meinte der Niederbayer. Umso bemerkenswerter sei, dass an diesem Tag auf einen Schlag 33 Kilometer brandneuer Autobahn für den Verkehr eröffnet würden.

Mit dem Lückenschluss zwischen Pastetten und Heldenstein wird nicht nur ein Schlussstrich unter 50 Jahren Planung und 40 Jahren Streit gezogen, sondern auch „eine der gefährlichsten Straßen in Bayern“, so Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart, entschärft.

Die Bundesstraße 12, über die bisher der komplette Verkehr Richtung Südostbayern, Bäder- und Chemiedreieck sowie Simbach und Passau rollte, galt als Horrorstrecke. Nach Angaben der Polizei ereigneten sich in den letzten Jahren auf der Bundesstraße 7.316 Unfälle, bei denen 110 Menschen starben, 573 schwer und 949 leicht verletzt wurden. Die meistens nur einspurig befahrbare Straße kostete durch Überlastung und Umleitungen den Pendlern ungezählte Stau-Stunden.

Aktionsgemeinschaft gegen Verein

Trotzdem freuten sich am Montag längst nicht alle über die schmucke neue Autobahn. Einige allerdings wenige Autobahngegner signalisierten dem Bundesverkehrsminister lautstark, dass es zum Feiern keinen Grund gebe. Prompt rückte eine deutliche größere Zahl von Autobahnbefürwortern vor die Protestler, die auf Plakaten und Transparenten ihren innigsten Dank für die neue Schnellstraße kundtaten. Gegen den Güllegestank, der während der feierlichen Eröffnungszeremonie von einem benachbarten Acker herüber wehte, konnten sie freilich nichts ausrichten. Es wurde vermutet, dass dem Landwirt nicht zufällig an genau diesem Tag eingefallen war, seine Felder auf diese Weise zu düngen. „Der ist von der anderen Seite“, meinte ein Einheimischer.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU, M) und Hans Reichhart (CSU, M.l), Bayerischer Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, räumen bei der Eröffnung eines Abschnitts der Autobahn 94 (A94), der sogenannten Isentalautobahn, Absperrungen beiseite.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU, M) und Hans Reichhart (CSU, M.l), Bayerischer Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, räumen bei der Eröffnung eines Abschnitts der Autobahn 94 (A94), der sogenannten Isentalautobahn, Absperrungen beiseite. © Sebastian Kraft, dpa

Die Idee einer Schnellstraße von München nach Osten geht sogar schon auf die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. 1971, also vor 48 Jahren, wurde eine vierspurige Verbindung von München nach Mühldorf im Osten in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Seit den 80er Jahren stritt man erbittert um die Trassierung. Es gab Prozesse bis in die letztmögliche Instanz, Aktionen und Demonstrationen und widerstreitende Politiker. Der „Aktionsgenmeinschaft gegen die Isentalautobahn“ stehen die verkehrsgeplagten Mitglieder des Vereins „Ja zur A94“ bis heute gegenüber.

Schneller und im Kostenrahmen

Doch zuletzt ging es ziemlich schnell: Der Fertigstellungstermin konnte sogar um einen Monat vorgezogen werden und die Großbaumaßnahme blieb im Kostenrahmen von 440 Millionen Euro. Verwirklicht wurde das Projekt in „Öffentlich-Privater-Partnerschaft“ (ÖPP). Aufsichtsratschef des ausführenden Unternehmens, das auch mit der Wartung und Instandhaltung der Autobahn in den nächsten 30 Jahren beauftragt ist, ist übrigens der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Bartholomäus Kalb. Mit der Freigabe finde "eines der naturzerstörendsten und flächenfressendsten Vorhaben (...) seinen Abschluss", bedauerte der Vorsitzende des und Naturschutz (BN) in Bayern Richard Mergner: "Es ist in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens ein besonders drastisches Beispiel für die verfehlte Verkehrspolitik der Staats- und Bundesregierung".

„Ein Traum wird befahrbar“

Das ist die eine Seite. Die andere feiert die A94 als Segen, zum Beispiel die Bewohner der Gemeinde Reichertsheim an der B12. "Uns bringt die A94 eine deutliche Erhöhung der Lebensqualität", sagt deren Bürgermeisterin Annemarie Haßlberger (CSU). "Ein Traum wird befahrbar", schwärmt Mühldorfs Ex-Bürgermeister Günther Knoblauch (SPD). Die Wirtschaft war von vorherein für die Autobahn als "Lebensader für Industrie und Mittelstand".Immerhin sind sich alle einig: So wie es bisher war, konnte es nicht bleiben. Naturschützer und die "Aktionsgemeinschaft gegen die Isentalautobahn" hätten einen vierspurigen Ausbau der Bundesstraße akzeptiert, der "die bessere Alternative" gewesen wäre, so BN-Vorsitzender Mergner. Dadurch hätte eine Überbauung von schützenswerter Natur im Isental und eine Beeinträchtigung des Fauna-Flora-Habitats "Isen und Nebenflüsse" verhindert werden können. Der vierspurige Ausbau der B12 hätte deutlich weniger als die Hälfte gekostet und den Flächenverbrauch erheblich reduziert. Doch der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) stellte die Weichen für die Autobahn über Dorfen und gegen den Ausbau der bestehenden B12.

Für den Autobahn-Lückenschluss wurden nach BN-Angaben 470 Hektar Land versiegelt. Dennoch, so Bayerns Verkehrsminister Reichhart bei der Eröffnung, sei der „Spagat zwischen Infrastruktur und möglichst schonenden Umgang mit der Schöpfung“ gelungen.

Freibier für alle

Die Gemeinden östlich von München richten sich jetzt auf einen erhöhten Zuzug ein, der neue Wohn- und Gewerbegebiete erforderlich machen könnte, denn mit der neuen Autobahn rückt auch die bayerische Landeshauptstadt dichter an ihr östliches Umfeld heran. Für den neuen Autobahnabschnitt wurden zwei Parkplatzanlagen, 20 Über- und 39 Unterführungen sowie vier große Brücken gebaut. Von den insgesamt 150 Kilometern von München bis zum vorgesehenen Anschluss an die A3 bei Pocking sind jetzt 84 Kilometer befahrbar. Auch die restlichen Kilometer östlich von Marktl, versicherte Bundesverkehrsminister Schauer, werde man jetzt schon noch hinbekommen.

Scheuer hatte die Organisatoren der Eröffnungszeremonie noch kurzfristig ins Schwitzen gebracht, weil er den Kreis der zur Eröffnungszeremonie Eingeladenen kurzerhand auf Jedermann erweiterte. Doch der Run hielt sich in Grenzen. Niemand musste ohne Leberkässemmel die Heimfahrt antreten. Und wenn in Bayern eine Autobahn dem Verkehr übergeben wird, ist Freibier unvermeidlich – Promillegrenze hin oder her.

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