Amtsgericht Neumarkt: Im Zweifel für den Angeklagten

26.11.2020, 13:19 Uhr
Amtsgericht Neumarkt: Im Zweifel für den Angeklagten

© NN

Die Verhandlung ließ jedoch eine ganze Reihe von Fragen unbeantwortet. Eine ziemlich unrühmliche Rolle scheint eine junge Frau gespielt zu haben, um die sich die Auseinandersetzung drehte.

Das Opfer der Schlägerei war vorher mit ihr zusammen und wurde danach im Glauben, es ginge doch noch was, offenbar weiter am Nasenring geführt. Im etwas naiven Angeklagten habe sie dagegen Beschützerinstinkte geweckt, wie Verteidiger Markus Meier die Gefühlslage seines Mandanten interpretierte. Denn diesem hatte sie erzählt, ihr Ex sei ein aggressiver Typ und würde ihr nachstellen und sie belästigen.

Kiefer gebrochen

Im August verwickelte der Verflossene die 23-Jährige in eine zum Teil heftige und mit Beleidigungen gewürzte Diskussion. Jedenfalls weckte das Gezänk den Ritter im später Angeklagten und er stellte den Kontrahenten zur Rede. Nach einem kurzen Gerangel, so die Anklage, soll er ihm unvermittelt die Faust ins Gesicht gedonnert haben. Der Kiefer ging zu Bruch, es musste operiert werden. Einen zweiten Schlag konnte der Rivale abwehren.

Der 20-Jährige bestritt den zweiten Schlag, und auch der erste sei nicht grund- und ansatzlos gewesen. Der andere habe ihn mit beiden Fäusten vor die Brust gestoßen, und nur um weitere Angriffe zu verhindern, habe er sich gewehrt.

Neigung zur Aggression

Sie habe die Auseinandersetzung der beiden jungen Männer nicht genau gesehen, erzählte die 23-Jährige als Zeugin. Sie bestätigte auf Nachfrage von Markus Meier jedoch, dass ihr früherer Freund eifersüchtig sei und zur Aggression neige.

Diesen Eindruck hatte auch ein ehemalige Mitbewohner des Ex-Türstehers, den Markus Meier noch kurzfristig aufgeboten hatte. Das sei ein unzuverlässiger Alkoholiker, den er aus seiner Wohnung geworfen habe, wehrte sich der Zeuge gegen die Aussage.

Er kann auch anders

Er sei wegen seines früheren Berufs und als Kampfsportler geschult. Wenn er den Angeklagten hätte schlagen wollen, dann hätte das anders ausgesehen. Doch habe er versucht, die körperliche Auseinandersetzung zu vermeiden, da er zum Tatzeitpunkt unter Bewährung stand. Zwei Verurteilungen wegen Körperverletzung hat er schon. Sein Auftritt sei glaubwürdig gewesen, befand Staatsanwältin Kristina Freuding. Deshalb treffe nach ihrer Einschätzung der Tatvorwurf zu.

Eine Notwehrsituation könne sie nicht erkennen. Sie forderte nach dem Jugendstrafrecht eine Woche Dauerarrest. Markus Meier dagegen war davon überzeugt, dass hier eine subjektive Notwehr vorlag. Der ehemalig Türsteher und Kampfsportler kenne seine Möglichkeiten in einer körperlichen Auseinandersetzung sehr gut und er wisse, wie man sich Respekt verschafft, zum Beispiel mit einem kräftigen Stoß vor die Brust des Gegners, der nicht arg weh tue, aber Eindruck mache.

Gegeneinander ausgespielt?

Sein Mandant habe das als Auftakt zu einer Schlägerei verstanden und zugeschlagen. Das sei untypisch für ihn, denn er sei eigentlich ein aggressionsarmer Mensch, habe sich in dieser Richtung auch noch nichts zu Schulden kommen lassen. Einen guten Teil Mitschuld gab Meier der jungen Frau, die die beiden jungen Männer gegeneinander ausgespielt habe.

Richter Michael Müller entschied nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" auf Freispruch. Er sei nicht überzeugt von der Unschuld des Angeklagten, aber dass der das Gefühl gehabt hätte, sich wehren zu müssen, sei nicht von der Hand zu weisen. Ob das Opfer nicht als erster zugeschlagen hatte, weil der Verlust der Bewährung drohte, oder nicht zugab, geschlagen zu haben, um die Bewährung nicht zu gefährden, könne er nicht sagen. "Ich war nicht dabei".

Nach dem Urteilsspruch bat der Ex der jungen Frau, der inzwischen eine neue Freundin hat, nochmal ums Wort und warnte seinen Kontrahenten eindringlich und freundlich gemeint : "Lass die Finger von ihr".

Keine Kommentare