Anwohner der Saarlandstraße wehren sich

25.4.2020, 15:30 Uhr
Anwohner der Saarlandstraße wehren sich

Auch wenn er die Abstandsflächen einhält, sind die Nachbarn der Meinung, das sei zu viel für das grüne Gartenviertel im Osten der Stadt. Sie haben über 100 Unterstützer-Unterschriften gesammelt und um ein Gespräch mit OB Thomas Thumann und Stadtbaumeister Matthias Seemann gebeten.

"Ganz offensichtlich haben wir mit dem Thema Nachverdichten im Bestand und der Auslegung und Umsetzung des Paragraphen 34 BauGB Aspekte angesprochen, die auf größtes Interesse stoßen und vielen Bürgern in unserer Umgebung Sorgen bereiten", schreiben die beiden an OB Thumann.

Der Paragraph besagt, dass in Ortsteilen ein Vorhaben nur zulässig ist, wenn es sich in Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

Und all das sieht das Ehepaar nicht erfüllt: Der Vorgängerbau war ein Siedlungshäuschen, wie es sie hier oben in der Neuen Welt, wie die alten Neumarkter die Siedlung auch liebevoll bezeichnen, früher überall gegeben hat. Ein Grundstück um die 700 oder 800 Quadratmeter, ein Waschhaus samt Holzlege und große Gemüsebeete im Garten rundeten jedes Grundstück ab. Zur Selbstversorgung in dürftigen Zeiten.

Das sind Grundstücksgrößen, die heute Investoren locken: Denn auf 800 Quadratmetern ist mehr möglich als nur knappe 120 Quadratmeter Wohnfläche und Kniestock. Doppelhaushälften sind schon entstanden, es hat aber auch Neubauten oder Sanierungen gegeben, die in der Größe nicht über das vorherige hinausgegangen sind. Für eines der Häuschen gab es sogar eine Prämierung in einem Architektenwettbewerb. Es liegt eine Querstraße weiter. Ein weiteres erhielt die grüne Hausnummer. Das hat dem Viertel seinen Charme bewahrt, in vielen Gärten stehen alte Föhren, die für unvergleichliches Sonnenlicht im Sommer sorgen.

Kein Wunder also, dass nicht nur das Ehepaar, das direkt an das Grundstück angrenzt, mit Stirnrunzeln die Pläne des Bauträgers durchblätterte. Und die Unterschrift verweigerte. Ihnen ist zu viel, was da gebaut werden soll. Geplant seien auf rund 885 Quadratmetern Grund 552 Quadratmeter Wohnfläche und 472 Quadratmeter Nutzfläche, also Keller, Treppenhaus und Tiefgarage. Das ist eine ganz andere Hausnummer als das Siedlungshäuschen vorher mit wohl 120 Quadratmeter Wohn- und 80 Quadratmeter Nutzfläche.

Das Grundstück solle nach dem Plan fast komplett unterkellert werden, um in einer Tiefgarage Stellplätze zu schaffen. An der Straße hat das Gebäude eine Firsthöhe von etwas über elf Metern, nach hinten hin zieht sich ein Anbau mit Flachdach über dem ersten Stock noch über die Grundstücksmitte hinweg. Das eine Nachbarhaus kommt auf rund 8,5 Meter Höhe, das andere liegt wohl unter sechs Metern.

Das Grundstück werde laut Plan zu 75 Prozent überbaut; und dort, wo etwas Gartenfläche bleibe, sei darunter die Tiefgarage, schreibt das Ehepaar. Wozu überhöhte Verdichtung führen kann, zeigt auch das Wohnprojekt auf dem Areal des früheren Bonhoeffer-Hauses: Trotz Tiefgaragen ist der Parkdruck im Föhrenweg immens.

Die Anwohner werben für den Erhalt der Identität der Gartensiedlung als grüne Lunge des Stadt-Ostens, der damit verbundenen Lebensqualität, der grünen Gärten einschließlich des ausgereiften Baumbestandes, der nachbarschaftlichen Strukturen und des sozialen Zusammenhalts.

Sie plädieren für eine restriktive Auslegung des Paragraphen 34 BauGB im Sinne des Erhalts der vorhandenen Qualität mit der Möglichkeit der Nachverdichtung, aber orientiert an der vorhandenen Bebauung im Geviert, Rücksichtnahme und Bürgerbeteiligung bei Entscheidungen in der Gartensiedlung unter der Prämisse, dass sich Naturraum und Lebensraum ergänzen müssen.

"Über Tiefgaragen ist kein Baumbewuchs möglich"

Das Vernichten gewachsener Ökosystemen müsse verhindert werden. Tiefgaragen und fast komplett versiegelte Grundstücksflächen hätten "extrem negativen Einfluss auf die Natur und den Umwelt- und Klimaschutz". Über Tiefgaragen sei kein Baumbewuchs mehr möglich, lediglich niedriges "Alibigrün" auf 40 Zentimeter Bodenaufbau.

Dazu werde man sich nicht äußern, hieß es beim Bauherren. Um doch zu sagen, dass man mit der Planung das Mögliche gar nicht ausgeschöpft habe und mit elf Tiefgaragenstellplätzen mehr als vorgeschrieben ausweise. "Da wäre noch viel Luft drin", hieß es, es handle sich um eine normale Nachverdichtung. "Andere Bauträger holen da viel mehr raus." Der Bauplan liege bei der Stadt und sei auch abgesprochen.

"Zum Thema Nachverdichtung und korrespondierend Flächenfraß für Wohnraum könnte man stundenlang diskutieren", schreibt OB Thumann auf Anfrage. Seiner Meinung nach müsse jedes Bauvorhaben separat unter allen Aspekten betrachtet werden, aber vor allem auch unter juristischen. Denn: "Eine Baugenehmigung kann vor den Verwaltungsgerichten beklagt werden und muss somit allen gültigen Bauvorschriften entsprechen. Der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn keine rechtlichen Vorschriften dagegen sprechen."

Im vorliegenden Fall könne er derzeit noch gar nichts sagen; zum einen unterliege ein privates Bauvorhaben dem Datenschutz und zum anderen sei der erst vor kurzem eingegangene Bauantrag noch nicht geprüft. Thumann: "Aussagen über Genehmigungsfähigkeit und mehr kann ich derzeit deshalb noch nicht geben." Tatsache aber sei, dass für das betreffende Gebiet kein Bebauungsplan bestehe und die Genehmigung damit nach Art. 34 BauGB zu betrachten sei.

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