Architekturvortrag: Wohnungsbau führt ins Armen- oder Irrenhaus

14.11.2014, 11:30 Uhr
Architekturvortrag: Wohnungsbau führt ins Armen- oder Irrenhaus

© Edgar Pfrogner

Und das vor vollem Haus, denn 320 Gäste wollten Alexander Brenner im Maybach-Museum erleben. So konsequent, wie der Architekt sich dem Wohnungsbau verschrieben hat, stellt er im Gegenzug den Stellenwert der Architektur beim Thema Wohnen in Frage. „Wohnen bedeutet doch viel mehr als nur Architektur. Da spielt die Umgebung mit hinein, die eigenen Erlebnisse, Emotionen, Grundbedürfnisse“, erläutert der Architekt seine Philosophie.

Brenner stellt zugleich fest, dass sich die Formen modernen Wohnens häufig von eben diesen Grundbedürfnissen entfernt haben. Die Schutzfunktion einer Höhle etwa gehöre dazu, ebenso eine möglichst direkte Verbindung zur Natur – Bedürfnisse, die sich gegenseitig polarisieren, die der Architekt aber tunlichst unter einen Hut bringen solle.

Brenner verzahnt deshalb in seinen Entwürfen Innen und Außen, was seine kubischen, weißen Häuser sehr plastisch macht. Da kragen Dächer und Balkone vor, da springen Fensterfronten und Türen zurück, da unterbrechen Riegel den Fassadenverlauf. „Gestaltung und Funktion überlagern sich und ergeben ein homogenes Ganzes, das eine Symbiose zwischen ruhendem Pol und Bewegung bildet“, erklärt der Architekt. Dieses Miteinander entfaltet seine volle Wirkung am besten in Verbindung mit viel Fläche und viel Raum – kein Wunder also, dass ein Großteil seiner Wohnhäuser der Kategorie Villa zuzuordnen sind. Und weil dieser Begriff ja eigentlich „Landhaus“ bedeutet, macht Alexander Brenner auch nicht an der Gebäudehülle Halt.

Ganzheitlich mit Garten

Seine Entwürfe umfassen neben dem Baukörper immer den Innenausbau und die Einrichtung, die Haustechnik und auch die Außenanlagen. Dieser ganzheitliche Ansatz verbindet die Elemente und sorgt zugleich dafür, dass sie auch funktionieren.

Deshalb bilden auf den ersten Blick banal erscheinende Kriterien für ihn die Basis wie beispielsweise: Stauraum ohne Ende. Bekanntlich kann man davon nie genug haben, aber alles mit Schränken voll stellen? In einer Villa von Brenner sieht man keine – doch hinter jedem Wandpaneel, in jeder Nische, im Anschluss an so manche Säule verbirgt sich Raum für Garderobe, Hausrat oder Haustechnik. „Die Technik wird immer komplexer und komplizierter, die wenigsten verstehen sie noch. Ich möchte dem Bewohner sozusagen eine reduzierte Benutzeroberfläche bieten, die beruhigt und erfreut.“ So bestimmen wertige Oberflächen das Bild, entweder zurückhaltend lackiert oder dominant durch charismatisches Holz.

Das Spiel mit Materialien ist ein weiterer Grundsatz des 1990 gegründeten Stuttgarter Architekturbüros. So findet sich schon mal schwarzer Kunstrasen als Wandverkleidung wieder, der mit Beton, einer Holzwand und Kupferblechen kontrastiert.

Staketenverkleidungen unterbrechen die weitläufigen Beton- oder Putzflächen der Häuser im erdnahen Bereich oder gespitzter, sprich mit dem Pressluftmeißel bearbeiteter Beton verleiht dem massiven Bauwerk etwas Archaisches.

Die Außenmauern einer Garage zieren aufgeschäumte Aluplatten, und eine Haustür aus 30 Zentimeter dicken Eichenbohlen vermittelt die Wertigkeit eines Burgtores, sobald sie geöffnet ist. Im geschlossenen Zustand gibt sie sich dafür nicht so ohne weiteres zu erkennen.

Die Basis für diese individuellen Bauwerke bilden die Wünsche und Emotionen der Bauherren. Und wie übersetzt man diese in Gestalt? „Mit dem Willen, gemeinsam ein Werk zu erstellen. Und das erfordert Mut, Zuversicht und Rücksichtnahme.“

Enge Abstimmung mit Bauherr

Die Beziehungsebene zwischen Bauherr und Architekt muss passen – wenn nicht, gibt es kein erfolgreiches Projekt. Ist der Auftrag erteilt, führt Brenner alle zwei Wochen ein Abstimmungsgespräch mit dem Auftraggeber.

Veränderungen werden umgehend kalkuliert und transparent gemacht: „Schließlich ist der Architekt ein Berater, um ein sehr persönliches Vorhaben gemeinsam zu entwickeln und kein ausführender Dienstleister.“

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