Beschlagnahme drohte: Familie rastet komplett aus

13.4.2021, 15:23 Uhr
(Symbolfoto)

© ToMa (Symbolfoto)

Dabei war der Anlass geradezu unbedeutend. Die Beamten hatten versucht, den Roller der 16 Jahre alten Enkelin des Hauptangeklagten sicherzustellen, weil die angeblich zu schnell dran war. Ein Irrtum.

Eine Streifenbesatzung hatte den Eindruck, dass das Leichtkraftrad, das das Mädchen steuerte, mehr als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit drauf hatte – und sie hielten die offenbar flotte Fahrerin an. Als sie ihr eröffneten, dass das Zweirad sichergestellt werden müsse, um es auf dem Rollenprüfstand zu testen, schaltete sich die Mutter der jungen Frau ein.

"Nix wird sicherg‘stellt"

"Sicherg´stellt wird da gar nix", ließ sie die Polizei wissen. Und der Opa fackelte auch nicht lange. Er lud zusammen mit seinem Sohn den Roller in die Ladeschaufel seines Traktors und steuerte damit den heimatlichen Hof an. Weder folgte er der Aufforderung der Beamten, vom Bulldog zu steigen, noch ließ er sich von Pfefferspray beeindrucken.

Zuhause im Gehöft fuhr er in die Scheune. Dort, so Staatsanwältin Sabrina Mieller, habe er sich in eine hintere, dunkle Ecke verzogen.

Ins Bein gezwickt

Mit viel Kraftaufwand und unter erheblichem Protest der Ehefrau gelang es schließlich einem halben Dutzend Polizisten, den sich heftig wehrenden Rentner zu Boden zu ringen und zu fesseln. Mehrfach wurde ein Beamter von dem kaum zu bändigenden Mann schmerzhaft ins Bein gezwickt. Auch andere Einsatzkräfte erlitten leichte Blessuren. Mittlerweile hatte sich auch der 36 Jahre alte Sohn erneut eingemischt. Wieder mussten die Polizisten alle Kräfte aufbieten, um auch ihn zu fixieren.

Zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Neumarkt brauchte keiner der an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten als Zeuge aussagen. Rechtsanwalt Werner Lehmeier, der die Verteidigung des 69-Jährigen übernommen hatte, durfte für alle vier Angeklagten sprechen. Sie räumten die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe in vollem Umfang ein und bedauerten ihre Handlungen sehr.

Nichtöffentliches Gespräch

Sie könnten sich nicht erklären, was sie damals am 14. Januar geritten hatte. Sie hatten sich mehr oder minder aktiv des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht, und, was Vater und Sohn betraf, durch ihre heftige Gegenwehr der Körperverletzung und des "Verwicklungsbruchs". Dieser juristische Fachausdruck beschreibt die Weigerung, den Roller sicherstellen zu lassen.

Richter Rainer Würth bat die Staatsanwältin und den Verteidiger zu einem Gespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um einen Weg zu suchen, diesen unglücklichen Zusammenprall mit der Staatsmacht, der sich da hochgeschaukelt hatte, möglichst geräuschlos aus der Welt zu schaffen. Denn es hätte alles nicht sein müssen, wenn die Familie nur kurz die Füße still gehalten und den Test auf dem Rollenprüfstand abgewartet hätte. Mit dem Roller war nämlich alles in Ordnung, die Polizisten hatten das Fahrzeug schneller eingeschätzt, als es tatsächlich sein konnte.

Richter und Staatsanwältin waren sich einig, das Verfahren gegen die Oma der 16-Jährigen ohne Auflagen einzustellen. Vorläufig eingestellt wurde auch das Verfahren gegen die 44 Jahre alte Mutter. Allerdings muss die in zwei Raten eine Geldauflage von 1500 Euro an die Missionsärztlichen Schwestern zahlen.

Gesetz verschärft

Der Großvater musste, wie ihm Richter Rainer Würth erklärte, mit den Konsequenzen der Gesetzesverschärfung bei Gewaltdelikten gegen Polizisten, Feuerwehrleute und Angehörige anderer Rettungsdienste rechnen.

Staatsanwältin Sabrina Mieller rechnete ihm zwar hoch an, dass er geständig, einsichtig und reuig ist, und er sich, wie die anderen Familienmitglieder, für sein Verhalten entschuldigt hat. Wie alle anderen auch ist er bislang noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Dennoch forderte Mieller eine Gesamt-Haftstrafe von sechs Monaten, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt werden müsse. Für den Sohn schienen ihr vier Monate Haft auf drei Jahre Bewährung angebracht. Beide sollten eine Geldauflage in Höhe eines Monatslohns berappen müssen.

Kreuzbrave Menschen

Das bislang lupenreine Bundeszentralregister aller vier Familienmitglieder war für Werner Lehmeier ein wichtiger Grund, Vater und Sohn etwas sanfter anzufassen. Er meinte, eine Geldstrafe sei hier noch ausreichend.

So sah das auch Richter Rainer Würth, der davon ausgeht, die vier nicht nochmals im Gerichtssaal zu sehen. Eigentlich seien sie ja kreuzbrave Menschen, die ein fleißiges und bescheidenes Leben führten.

Doch die Geldstrafen, die er aussprach sind schmerzhaft. Der Senior muss 140 Tagessätze zu 25 Euro von seiner kleinen Rente berappen, sein Sohn, der als Handwerker arbeitet, 80 Tagessätze zu 50 Euro. Das bedeutet, dass die Strafe nicht in seinem polizeilichen Führungszeugnis auftaucht. Beim Vater, dem Rentner, fällt so ein Eintrag nicht mehr weiter ins Gewicht.

4 Kommentare