Der Richtertisch als emotionale Barriere

24.1.2009, 00:00 Uhr
Der Richtertisch als emotionale Barriere

© Pfrogner

Marianne Bärtl findet es jedenfalls schade, dass ihre Schöffentätigkeit vorbei ist. Als sie vor acht Jahren in dieses Ehrenamt berufen wurde, war für sie sofort klar, dass sie das gerne machen würde. Eine Ablehnung des Amtes ist ohnehin nur in ganz engen Ausnahmefällen möglich. Aber das kam für die Kindergarten-Erzieherin ohnehin nicht in Frage. «Ich würde das auch sofort wieder machen», sagt die Neumarkterin. Nach einer Pause von fünf Jahren ist das auch möglich - entweder durch erneute Berufung oder durch eine eigene Bewerbung.

Als sehr interessant und bereichernd beschreibt Bärtl ihre Richtertätigkeit am Erwachsenen-Schöffengericht. Vor allem habe sie ihre Menschenkenntnis erweitern können: «Manchmal fand ich es schon erstaunlich, dass sich ein bestimmter Angeklagter zu einer bestimmten Tat hat hinreißen lassen.»

Aufgeregt vor dem «ersten Mal»

Vor ihrem «ersten Mal» war Marianne Bärtl sehr aufgeregt, trotz der guten Einführung durch einen Kurs am Gericht in Nürnberg und Gesprächen mit Richter Rainer Würth, dem Vorsitzenden des Neumarkter Schöffengerichts. «Man weiß ja gar nicht, was auf einen zukommt», sagt Bärtl. Dabei habe sie von ihrem Mann, einem Polizeibeamten, eigentlich schon sehr viele Eindrücke vom Gerichtsgeschehen mitbekommen. Es habe immer wieder sehr emotionale Momente gegeben. Etwa als im bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal ein Verkehrsdelikt mit tödlichem Ausgang zu behandeln war. «Das war sehr bewegend», so Bärtl.

Auch Andreas Götz aus Thannhausen ist überraschend ans Gericht berufen worden. Als Jugendschöffe. «Ich war damals sofort neugierig. Und die Arbeit mit Jugendlichen ist ohnehin das richtige für mich», sagt Götz, der Ausbilder in einem Unternehmen ist. Die interessante Arbeit habe auch immer wieder herausragende Erlebnisse mit sich gebracht, erzählt Götz. Im negativen Sinne seien das vor allem Verhandlungen über sexuellen Missbrauch gewesen.

Entscheidungsschwierigkeiten habe es in den vergangenen acht Jahren nie gegeben. «Man kommt immer zu einer Entscheidung und hat ja auch einen Richter an seiner Seite», so Götz. Dabei sind die beiden Schöffen «Kollegen in vollem Umfang», wie Amtsgerichtsdirektor Erwin Baier bei der Verabschiedung sagte. Sie haben in der Verhandlung die gleichen Rechte wie der Richter und können diesen bei der Urteilsfindung auch mit zwei zu eins überstimmen. Wie oft das vorkomme, unterliege aber dem Beratungsgeheimnis des jeweiligen Schöffengerichts, so Baier.

Für Baier ist das Schöffenamt sehr wichtig für die Qualität einer Gerichtsentscheidung. «Schöffen bemerken manchmal Nuancen, die einem als Richter vielleicht entgehen», lobte der Amtsgerichtsdirektor die Ehrenamtler. In spektakulären Prozessen, etwa dem Eishalleneinsturz in Bad Reichenhall, könne die Beteiligung von Laienrichtern sehr zur Akzeptanz eines Urteils in der Öffentlichkeit beitragen.

Die Distanz zu den Angeklagten zu wahren sei für ihn kein Problem gewesen, erzählt Andreas Götz. «Sympathien kann und muss man ausschalten, sonst ist man für das Amt nicht geeignet. Außerdem wirkt der Richtertisch gewissermaßen als Barriere.»