Es gibt über 80 "Reichsbürger" im Kreis Neumarkt

25.10.2016, 12:23 Uhr
Tatort Georgensgmünd: Hier schoss während einer Razzia ein „Reichsbürger“ auf Polizisten, einer starb. Ihm sollten die Waffen weggenommen werden.

© Gsaenger Tatort Georgensgmünd: Hier schoss während einer Razzia ein „Reichsbürger“ auf Polizisten, einer starb. Ihm sollten die Waffen weggenommen werden.

80 bis 90 sogenannte "Reichsbürger" seien im Landkreis Neumarkt registriert, weiß Michael Gottschalk, Pressesprecher im Landratsamt. Die Anhänger dieser Ideologie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Sie betrachten sich als Bürger des "Deutschen Reichs" in den Grenzen von 1937, oder auch 1914 oder 1871. Es gibt verschiedene Gruppierungen, etwa die "Germaniten", oder solche, die den "Bundesstaat Bayern" als Republik und Glied des "Deutschen Reichs" propagieren.

Die "Reichsbürger" verstecken sich nicht und machen aus ihrer Gesinnung meist keinen Hehl. Erst kürzlich wurde etwa ein Mercedes-Geländewagen mit großem "Bundesstaat-Bayern"-Aufkleber in Neumarkt gesichtet. Franz Janka, Pressesprecher der Stadt Neumarkt, berichtet von zirka zehn bei den Behörden der Jurastadt bekannten "Reichsbürgern".

Fahren ohne Führerschein

Auch in den Landkreis-Gemeinden ist die Bewegung längst angekommen. In Berg etwa bewegt sich deren Zahl laut Bürgermeister Helmut Himmler im zweistelligen Bereich. "Ich kenne die alle persönlich", sagt Himmler. Schließlich geben die "Reichsbürger" häufig ihren Personalausweis oder Pass bei den Behörden ab. Oder fallen wegen ständigen Fahrens ohne Führerschein auf, wie ein "Germanit" aus Pyrbaum, der sich deswegen vor wenigen Tagen erst wieder vor dem Amtsgericht Schwabach verantworten sollte, aber nicht erschien und deswegen jetzt per Haftbefehl gesucht wird.

Carolin Braun, Bürgermeisterin von Dietfurt, spricht von einer Handvoll "Reichsbürgern" im Gemeindegebiet, Tendenz steigend. "Das nimmt stammtischweise zu", sagt Braun, "das ist erst einer, der seine Schnapsideen verbreitet, und dann werden es immer mehr. Das ist ansteckend", hat Braun beobachtet.

Längst hat die Dietfurter Bürgermeisterin, die sich vehement gegen rechte Ideologien einsetzt, Literatur beim Landespräventionsrat Brandenburg angefordert, um sich Tipps für den richtigen Umgang mit den "Reichsbürgern" zu holen. "Wir Bürgermeister müssen uns zusammensetzen und die Daten zusammenfassen und das dem Verfassungsschutz melden“, gibt Braun als Marschroute vor. Schließlich seien nicht alle „Reichsbürger“ friedlich, vor allem wenn sie – meist legal — Waffen besitzen, wie der Todesschütze von Georgensgmünd.

Etwa zehn Prozent der "Reichsbürger" im Landkreis Neumarkt seien in Waffenbesitz, berichtet Michael Gottschalk. Die würden jetzt polizeilich überprüft. Himmler weiß, dass einige davon in Berg leben. "Das sind teilweise völlig unauffällige Bürger, ein Teil ist aber auch rassistisch gesinnt", sagt Himmler. Manche könnten gefährlich und gewalttätig werden, glaubt der Bürgermeister. Er reduziert die "Reichsbürger" nicht auf "Bürger mit eingeschränktem Horizont und rechtsnationalem Weltbild".

Es sei vielmehr inzwischen bis ins Bildungsbürgertum hinein chic geworden, seine Verachtung des Staates mitsamt seiner Repräsentanten und Beamten offen zum Ausdruck zu bringen, sagt Himmler. "Da fehlt mir jedes Verständnis."

Auch Himmler meint, dass sich die Bürgermeister im Landkreis mit Landrat Willibald Gailler der Thematik annehmen und klar Position zu den "Reichsbürgern" und deren Umtrieben beziehen müssen.

Mit der Sorge ist er nicht alleine. "Bei uns laufen die Drähte heiß mit Anrufen aus den Gemeinden“, berichtet Albert Brück, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Oberpfalz.Er versichert, dass Sicherheitsbehörden, Verfassungsschutz und Polizei zusammenarbeiten. Den betroffenen Kommunen rät er bei waffenrechtlichen Erkenntnissen zu "größtmöglicher Vorsicht". Allerdings könnten nicht automatisch polizeiliche Maßnahmen gegen "Reichsbürger" vollzogen werden. Brück: "Dazu braucht es eine gesetzliche Legitimation."

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