Evangelisches Dekanat: Ehrenamtliche leisten entscheidenden Beitrag

21.10.2019, 05:29 Uhr
Evangelisches Dekanat: Ehrenamtliche leisten entscheidenden Beitrag

© Foto: Wolfgang Fellner

Auch in Neumarkt hat es einmal eine lebendige jüdische Gemeinde gegeben. Wer mehr darüber wissen will, muss nur in Hans Hirns Standard-Werk über die Neumarkter Juden lesen. Am 23. September 1942 deportierten die Nazis die drei letzten jüdischen Neumarkter mit einem Sammeltransport nach Regensburg und weiter ins Konzentrationslager Theresienstadt.

An die Zeit, als Juden noch unbeschwert in Neumarkt leben konnten, erinnerte beim Jahresempfang des evangelischen Dekanats Dr. Hans-Gerd Bauer mit jiddischen Liedern, Psalmen und Schmonzetten aus dem Schtetl. Es gab viel Applaus.

Der Auftritt Bauers war schon seit einem dreiviertel Jahr gebucht. Durch die Morde von Halle, verübt von einem Rechtsextremen, hatte der Auftritt nun aber plötzlich eine ganz eigene Aktualität, sagte die evangelische Dekanin Christiane Murner. Sie begrüßte in der Aula des Landratsamtes viele Ehrengäste und viele Ehrenamtliche, die das ganze Jahr über die evangelischen Gemeinden im Land am Laufen halten.

Immerhin erstreckt sich das Dekanat über drei Landkreise und 21 Kommunen. Aus denen waren Vertreter ebenso eingeladen wie aus der katholischen Nachbarschaft. Und viele waren gekommen.

Evangelisches Dekanat: Ehrenamtliche leisten entscheidenden Beitrag

© Foto: André De Geare

Dazu auch viele Ehrenamtliche, denen der Abend ein Dank sein sollte für ihre oft im Stillen getane Arbeit. Sie waren der Einladung auch gerne gefolgt und genossen bei Zwiebelkuchen und Wein oder Saft den ungezwungenen Austausch. "Der Grund des Empfanges ist, dass das Dekanat Danke sagen will", sagte denn auch Gerhard Emmerling, Vorsitzender des Dekanatsausschusses, der mit stellvertretendem Dekan Martin Herrmann und Karin Heimerl, ebenfalls Mitglied der Dekanatssynoden, die Gäste begrüßte.

"Das haut mich jetzt um"

Eine Überraschung gab es für Karl-Walter Emmerling. Er ist seit 40 Jahren Lektor und seit 25 Jahren Prädikant. "Sie haben unzählige Gottesdienste überall im Dekanat gehalten", sagte Dekanin Murner. "Danke für die vielen Sonntagvormittage, an denen die Knödel später ins Wasser gekommen sind, es aber trotzdem was zu essen gab."

Der derart Geehrte war gerührt: "Das haut mich jetzt um mit meinen 1,86 Metern Größe", sagte er. Er habe mal nachgerechnet, es seien über 1000 Gottesdienste gewesen in all den Jahren. Seit 15 Jahren teile er sich diese mit seiner Frau Renate, seien beide im Dekanat unterwegs. Der stellvertretende Landrat Helmut Himmler griff das Jahresmotto auf: "Suche den Frieden und jage ihm nach." Er hatte dazu seine eigene Gedanken dabei, die vom großen, mittleren und dem kleinen Frieden.

Ohne letzteren, beschied er seinen Zuhörern, werde es nie einen mittleren oder gar großen Frieden geben. Es sei, kam er auf die aktuellen Ereignisse in Halle zu sprechen, "eine Schande, dass Juden in unserem Land wieder in Angst leben müssen".

Löhner lobt Ökumene in Neumarkt

"Für uns gläubige Menschen ist es wohltuend, dass die Kirchen wieder zusammen wachsen", lobte Bürgermeister Albert Löhner die Ökumene in Neumarkt. Er könne hier nicht mehr als Landrat reden, sagte er mit Blick auf die Aula des Landratsamtes, das tue ihm weh, das sei aber so.

Er feuerte die Ökumene an, lobte die gute Zusammenarbeit der Kirchen beider Konfessionen in Neumarkt. Es brauche einen Kultur- und Spurwechsel, forderte er, und: Der wahre Fortschritt müsse aber auch menschlich sein.

Menschlich: Das war das große Wort, das über den Liedern und Gschichterln von Hans-Gerd Bauer leuchtete. Er hatte Lieder aus dem Schtetl dabei, aus Osteuropa, aber auch aus den USA, von einem Rabbiner aus den Staaten.

Drumherum gab es Anekdoten und jiddischen Witz, der leise daher kommt, nicht schenkelklopfend und wiehernd, sondern mit viel Intellekt und gerne auch sehr subversiv. Bauer breitete da eine Welt aus, die es so leider nicht mehr gibt, von den schlauen Jidden und den tumben Gojim, in denen der römische Papst mit dem Synagogen-Diener um das Schicksal der Juden Roms diskutiert oder sich zwei Rabbiner über ihre Diener austauschen. Der eine hat fünf, der andere sechs. Die fünf machen bei beiden das Gleiche, stellt sich heraus. Aber was macht der sechste, will der Rebbe, der nur fünf hat, wissen. Der steht, erklärt ihm der andere, immer hinter ihm und sagt zu allem, was er sagt, "unglaublich, wunderbar".

Nicht fehlen durfte auch das dunkelste Kapitel des Zusammenlebens: Die Zeit des Nationalsozialismus. Lieder aus dem jüdischen Widerstand gegen die Nazis, aus dem Warschauer Ghetto sang Bauer, von stillen Nächten, sternenklar, von der Kugel aus der Pistole, die einen Zug voller Waffen der SS stoppt.

Da war manches melancholisch, fremd, schwermütig, aber der Rhythmus zog einen mit, wollte die Hände klatschen lassen. Am Ende sang der ganze Saal "Hava nagila" als Zugabe nach viel Applaus. Dann ging es nach Haus.

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