Fans machen Online aus Neumarkt zum Kult

5.3.2017, 07:00 Uhr
Fans machen Online aus Neumarkt zum Kult

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Fans machen Online aus Neumarkt zum Kult

© F.: Edgar Pfrogner

In der Nachkriegszeit klopften zwei Jungunternehmer bei einem Spritzguss-Hersteller in Nordbayern an. Sie suchten eine Produktionsstätte für Bauklötzchen mit einer eigenartigen Noppenstruktur auf der Oberseite. Der oberfränkische Unternehmer hörte sich die Idee an und winkte ab. Jahre später erkannte der Mann, dass er damals den Lego-Erfindern die Tür gewiesen hatte. Zeit seines Lebens hat er es nie so richtig verwunden, dass ihm durch eine Fehlentscheidung ein Milliardengeschäft des später größten Spielzeugherstellers der Welt entgangen ist.

Vielleicht haben sich die Manager des Modeuhren-Herstellers Swatch ähnlich gefühlt, nachdem sie Alexandra und Thomas Batsch einen Korb gegeben hatten. Das junge Unternehmerehepaar aus Neumarkt hatte seine Design-Entwürfe eingepackt und war in die Schweiz zu Swatch gereist. Die Oberpfälzer wollten für ihre trendige Schreibgeräte-Kollektion die Lizenz für das Swatch-Label erwerben. Doch die Eidgenossen lehnten ab.

Das ist 25 Jahre her. Online Schreibgeräte ist heute mit seinen bunten und popigen Stiften nicht nur deutschlandweit im klassischen Fachhandel, in Warenhäusern und Drogerieketten vertreten. Die rund 2500 Artikel des Sortiments gehen in 56 Länder der Welt, auch in den Nahen Osten, nach Korea, Japan, auf die Philippinen, nach Taiwan, Indien und sogar nach China, wo Füllfederhalter für Schüler der Renner sind. Thomas Batsch: "Dort wartet ein riesiger Markt auf uns." Gerade die Asiaten scheinen ein Faible für Schreibgeräte "Made in Germany" zu haben.

Die Exportquote des Unternehmens am Neumarkter Moosweg hat etwa ein Drittel erreicht. Bei den Lieferungen ins Ausland steigerte Online 2016 den in absoluten Zahlen ungenannten Umsatz um 25 Prozent. "Im Export sehen wir die Chance für weiteren Zuwachs", ist sich Alexandra Batsch sicher.

Doch der bemerkenswerte Erfolg des Unternehmens war Anfang der 90er nicht vorhersehbar. Genau genommen war die Firma eine Verlegenheitslösung. Denn die studierte Innenarchitektin und der Ingenieur für Holztechnik hatten gerade ihre Jobs gekündigt, die Wohnung aufgelöst und saßen auf gepackten Koffern — um als Entwicklungshelfer nach Papua-Neuguinea auszuwandern. Doch aus gesundheitlichen Gründen war der Plan über Nacht geplatzt.

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Plan B besagte nun, eine eigene Stiftekollektion zu entwerfen und zu vermarkten. Alexandra Batsch hatte zeitweise in der Im- und Exportfirma ihres Vaters für Schreibgeräte gearbeitet und so erste Kontakte zu Lieferanten in Asien geknüpft. Nach einem zehn Minuten dauernden Interview bei einer Förderbank erhielten die Batschs ein Existenzgründungsdarlehen, verkauften ihr Haus in der Nähe von Darmstadt und wählten Neumarkt als Firmenstandort. "Mitten in Deutschland und familiär gut angebunden", erzählt Thomas Batsch, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Frau führt.

Die sprichwörtliche "Garage" der Neugründung war ein Fahrradraum, 50 Quadratmeter groß und in einem Geschäftshaus in der Mussinanstraße gelegen. Alles begann im Juli 1991 mit einer Halbtagskraft. Heute beschäftigt Online am Moosweg 110 Mitarbeiter und wickelt etwa die Hälfte der Produktion selbst ab. Den Kunststoff-Spritzguss erledigen allerdings externe Partner auch im europäischen Ausland. Die Schreibtechnik kommt von deutschen Zulieferern. Die hochwertigen Metallgehäuse lassen die Neumarkter bei ausgewiesenen Adressen in Taiwan fertigen.

"Arbeitsplätze in der Stadt"

"Wir könnten auch nach Tschechien auslagern, aber wir bevorzugen Made in Germany, wo es geht", so Thomas Batsch. Die eigene Produktionsstätte erlaubt es der Firma, schneller und flexibler auf Produktänderungen zu reagieren. "Es geht natürlich auch um Arbeitsplätze in der Stadt. Wir haben bodenständige und langjährige Mitarbeiter mit einem Zugehörigkeitsgefühl, die verstehen, was wir machen und eine ganz andere Qualität liefern. Daran halten wir fest, solange es verantwortbar ist", fasst Alexandra Batsch die unternehmerische Perspektive zusammen.

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Ein festes Team von Produktdesignern und Grafikern versucht ständig, die Modetrends der überwiegend jugendlichen Zielgruppen aufzuspüren, unter anderem durch die Analyse von Entwicklungen bei Sportbekleidung, durch Recherchen in "Farbwelten" auch in anderen Weltregionen. Jahr für Jahr fließen viele neue Entwürfe in die Online-Kollektion aus Neumarkt ein. Alexandra Batsch: "Das ist ein sehr komplexes Arbeiten, der Markt braucht immer wieder neue Impulse."

Mit Blick auf Sammlermessen und in Internet-Blogs wissen die Neumarkter, dass es für Online-Produkte inzwischen eine sehr große Fan-Gemeinde gibt. "Wir haben schon einen gewissen Kultstatus, aber eine Kultmarke wäre zu viel gesagt — schön wär’s", meint Thomas Batsch. Aber einen klassischen Longseller hat der Hersteller schon vorzuweisen: 1995 kam der Online-Tintenpatronen-Rollerball-Stift auf den Markt, der schnell in Schulen als Füllerersatz salonfähig wurde. Die Technik schlummerte bei einem Zulieferer in der Schublade und wurde von den Neumarktern weiterentwickelt. Trotz diverser Nachahmer hat Online über die Jahre so um die 30 Millionen Stück von dem Typ hergestellt. "Das hat uns einen Wachstumsschub gegeben, wir sind mit dem Produkt so im Handel geerdet", berichtet Alexandra Batsch.

Die Neumarkter Unternehmer agieren auf einem spannenden Markt. Einerseits müssen Schreibgeräte-Hersteller nicht jedes Jahr das Rad neu erfinden. Die bodenständigen Produkte sind nicht ständig technologischen Revolutionen ausgesetzt. Einerseits. Andererseits verlangt die Digitalisierung neue Ideen. Online hat mit der "Schreibreise" eine App entwickelt, die bereits 15 000 Mal heruntergeladen wurde und an einer Schule erprobt wird: Mit dem Programm und einem Spezialstift können Kinder am Computer-Tablet das Schreiben erlernen — und dann analog mit einem eigens entworfenen Übungsheft weitermachen. Thomas Batsch: "Die Idee fällt auf fruchtbaren Boden, wir sind sicher, dass wir das international noch besser vermarkten können."

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