Gansbräu-Kronleuchter und Bambi: Kunst-Ausstellung auch im Internet

26.3.2020, 14:00 Uhr
Gansbräu-Kronleuchter und Bambi: Kunst-Ausstellung auch im Internet

© Erich Spahn

Wann dazu die Vernissage sein wird, weiß er nicht – aber fertig ist alles, und man kann die Corona ja auch im Internet anschauen: dieses Kronen-Karussell, vier Etagen hoch wie der Leuchter in der Staatsoper und bestückt mit überschlägig 150 Flaschen Gansbräu Hell, über einen Flaschenzug (was sonst?) notfalls herabzulassen und dann zum Verzehr geeignet.

Netterweise hat die Neumarkter Brauerei die Flaschen gestiftet: als das Kronenkarussell 2009 neu war, gab es norddeutsche Massenware oder gekühltes Münchner Augustiner.

Gansbräu-Kronleuchter und Bambi: Kunst-Ausstellung auch im Internet

© Foto: Erich Spahn

Das spiegelte damals auch die Künstlerkarriere von Michael Sailstorfer wieder, der im Mittelpunkt der Zink-Schau steht. Beide kennen sich aus Münchner, aus Berliner Zeiten, und wenn in normalen Zeiten Sailstorfer aus der Hauptstadt heim nach Velden bei Dorfen fährt, dann schaut er gerne in der Oberpfalz bei Zink vorbei.

Lang ist die Liste der Materialien, aus denen der einfallsreiche 40-jährige Bildhauer, Installations- und Objektkünstler seine konzeptuelle Kunst macht, fängt bei "Abbruchmaterial", "Aluminium", "Altreifen" an und geht mit Beton und Blech weiter. Bei Ebay hat er einen ausrangierten Kampfjet-Tank gekauft, den man auch für einen Torpedo oder eine Rakete halten könnte.

Nein, den meterlangen Tank hat Sailstorfer aus der Horizontalen ins Vertikale gekippt und einen Bullerofen daraus gemacht. Mit gemütlicher Klappe, trotzdem beeindruckender Gefährlichkeit steht er direkt neben der Waldkirchner Kirchenmauer.

"Steinsalz" aus uralten Zeiten

Sailstorfer arbeitet für den regionalen genauso wie für den internationalen Markt: Ausstellungen in Berlin, München, aber auch New York. Das merkt man seinen Kunstwerken an – auch die Spannung zwischen Natur und Kultur. "Steinsalz" aus uralten Zeiten ist bei Zink im Einsatz. Ein Bild erinnert an die zurückliegenden Wochen, wo Sailstorfer und Zink ein Ohr aus Salz an die Bäume im Wald genagelt haben: die Bambis haben genüsslich daran geschleckt.

Gansbräu-Kronleuchter und Bambi: Kunst-Ausstellung auch im Internet

© Spahn

In seiner Ausstellung macht der Oberbayer aus Berlin aus Steinsalz etwas ganz anderes: Zähne, ein ganzes Gebiss, will sagen: genau 32 Schneide- und Backenzähne. Die liegen über den Galerieboden verstreut, überdimensional, mit schöner Marmorierung, und man kann sich einen oder die ganze Biss-Parade kaufen.

Was Sailstorfer daran fasziniert: das feste, schwere, massive Steinsalz ist auch ein Menetekel der Vergänglichkeit – genauso wie das menschliche Gebiss. Denn Salz löst sich in Wasser auf, und die ganze Dentalpracht ist futsch. Auch auf einigen Gemälden von Sailstorfer sieht man die verschiedenen Stadien von Zähnen: mit ihren Wurzeln tief im Zahnfleisch verankert, manche davon schon mit verdächtigen Mikrobenspuren, mit Zahntaschenentzündungen und allerhand bakteriell buntem Geflitter drumherum: schon Karies?

Einen Stock höher in Zinks Galerie wäre man normalerweise dem spanischen Maler Matías Sánchez aus Sevilla begegnet. Den ganzen März über war er mit seiner Familie in Waldkirchen zu Gast, jetzt hat ihn Zink kurz vor Toreschluss zum Flieger nach Andalusien gebracht.

Riesennasen und Totenköpfe

Aber im Atelier hängt fast fertig sein Gemälde "Esperanzados" ("hoffnungsvoll"), 275 mal 200 Zentimeter groß und ein Panoptikum all dessen, was Sanchez durch den Kopf geht: ein riesiges, buntes "Grand Guignol" zwischen gegenständlich und abstrakt, mit seinen skurrilen Figuren aus dem Kasperltheater, mit Riesennasen, Puppen- und Totenköpfen, blanken Knochen, Blumen und ein paar Fetzen blauen Himmels.

Diese Fülle knüpft an die spanische Barocktradition an, auch an Francisco Goya, aber auch an Comics von heute. Wie in einem großen Endspurt hat Sanchez versucht, das Gemälde hier in Waldkirchen zu vollenden oder wenigstens die kleinen Formate: ironischer Umgang mit der Kunstgeschichte, parallel dazu abstrakte Farbkompositionen. Und dann gibt es noch eine Menge von röthelfarbenen Studien: Räuber, Teufelchen, Tiere.

Über allem aber schwebt natürlich die Frage: Wie geht es einem da draußen in Waldkirchen? "Nicht viel anders als sonst", sagt Zink, der seinen Kunsthandel ohnehin viel im Internet abgewickelt hat: "geringe Menschendichte bei 28 Einwohnern, wir können raus, wir haben Platz."

Aber auch: "Die Sperre über einen längeren Zeitraum widerspricht natürlich dem Wesen einer Galerie", und ein Fünkchen Hoffnung: "Ich habe viele Kunden in Ostasien: Da scheint das normale Leben wieder zu beginnen." Seinen Humor hat Zink auch nicht verloren: Wenn der Durst zu groß wird, kann er ja den Gansbräu-Kronleuchter runterlassen. Verkaufen würde er ihn aber nicht flaschenweise, sondern nur die ganze Corona.

Hier geht es zur Hompage der Galerie.