Gedenken an Vater des Freistaates und des Frauenwahlrechts

17.1.2019, 15:10 Uhr
Gedenken an Vater des Freistaates und des Frauenwahlrechts

© Foto: Franz Xaver Meyer

Er trägt denselben Namen wie sein berühmter Großvater – Kurt Eisner. Der 79-jährige Enkel, der in Nürnberg lebt, kam mit seiner Frau zum Vortrag beim Historischen Verein über seinen Opa, der in der Nacht vom 7. auf 8. November 1918 den Freistaat Bayern ausgerufen hatte. Eineinhalb Stunden hörten die Interessierten mucksmäuschenstill dem pensionierten Gymnasiallehrer und Historiker Karl Kirch aus Amberg zu, der sich ausführlich mit Leben und Wirken des ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner beschäftigte.

Der jetzige Ministerpräsident Markus Söder hielt es beim Festakt anlässlich 100 Jahre Freistaat Bayern im Nationaltheater nicht für nötig, den Namen Kurt Eisner auch nur zu erwähnen. "Ich bin natürlich dazu auch nicht eingeladen worden", sagte Enkel Kurt Eisner.

In wenigen Wochen, am 21. Februar, jährt es sich zum 100. Mal, dass Ministerpräsident Kurt Eisner auf dem Weg zum Landtag hinterhältig vom völkisch-national gesinnten Studenten Graf von Arco auf Valley erschossen wurde. Dort wollte Eisner seinen Rücktritt verkünden, weil seine Partei, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) bei den Landtagswahlen nur 2,5 Prozent bekam.

Die USPD, deren Vorsitzender Kurt Eisner war, spaltete sich im Jahr 1917 von der SPD ab, die sich fortan Mehrheitssozialdemokratische Partei (MSPD) nannte. Eisner war gebürtiger Berliner, war Jude, hatte studiert und arbeitete als Journalist bei verschiedenen Zeitungen. "Er war ein überzeugter Demokrat, Pazifist, kein Bolschewist, wie ihn manche abqualifizierten, aber ein Idealist", charakterisierte ihn der Referent. "Von ihm wurde die Tür zur Demokratie aufgestoßen", betonte Kirch.

Redner an allen Ecken

Am Nachmitttag des 7. November 1918 – der Erste Weltkrieg war noch nicht zu Ende – versammelten sich zwischen 50 000 und 100 000 Menschen auf der Münchner Theresienwiese zu einer Friedenskundgebung. An allen Ecken traten Redner auf, Lautsprecher gab es damals noch nicht. Einer der Redner war Kurt Eisner, der im Anschluss mit seinen vielen Anhängern zu den Kasernen marschierte. Die königliche Familie verließ am späten Abend quasi durch die Hintertür die Landeshauptstadt.

Offiziell hatte die Dynastie der Wittelsbacher nicht abgedankt, aber König Ludwig III. entband eine Woche später die Beamten vom Treueeid und gab somit formell die Macht ab. Eisner zog schließlich in den Mathäser-Bierkeller, wo schnell ein Arbeiter- und Soldatenrat gewählt wurde, dessen Vorsitzender Kurt Eisner wurde. Die Anhänger trugen Eisner auf den Schultern zum Landtag, wo der Freistaat Bayern proklamiert wurde.

"Freistaat bedeutet eigentlich frei von Preußen, frei von der Reichsherrschaft", erklärte Kirch die Namensgebung, auf die ja die meisten Bayern sehr stolz sind. Eisner wollte unbedingt ein Ende des Kriegs, garantierte die Pressefreiheit und das persönliche Eigentum und führte das Frauenwahlrecht ein. "Die Frauen haben es ihm aber bei den Wahlen im Januar 1919, nicht gedankt, sie wählten konservativ", sagte Kirch dazu.

"Die Historiker sprechen von Karnevalstagen der Demokratie in München. Es wurde debattiert, getanzt, gesungen und getrunken", schilderte Karl Kirch. Man spürte die Erleichterung der Menschen, die Revolution und der Übergang zur Demokratie verliefen unblutig. Von der MSPD und USPD wurde Eisner zum Ministerpräsidenten gewählt, sein politischer Rivale Erhard Auer von der MSPD übernahm das Innenministerium.

Schon damals "Fake news"

"Kurt Eisner träumte vom politisierten Volk. Das Parlament sollte ständig von den Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten kontrolliert werden", sagte Kirch. Im Wahlkampf gab es nicht zuletzt durch negative, verzerrende Stimmungsmache und böswillige Unterstellungen der rechtskonservativen Presse sowie der katholischen und evangelischen Kirche einen Stimmungsumschwung. "Fake news spielten damals schon eine große Rolle", meinte Kirch. Als Eisner zur deutschen Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg stand und sogar forderte, dass deutsche Studenten sich am Wiederaufbau in Nordfrankreich beteiligen sollten, wehte ihm ein eisiger Wind entgegen.

Umso erstaunlicher, dass nach der Ermordung Eisners sich ein unübersehbarer langer Trauerzug formierte, Läden und Betriebe schlossen und von den Türmen der Frauenkirche rote und schwarze Fahnen wehten und alle Glocken läuteten. "Der Freistaat hatte seinen Vater verloren und musste nun ohne ihn auskommen", beschrieb Karl Kirch die Stimmung.

Eisners Ermordung habe das Chaos danach und das vorläufige Ende des liberalen Freistaats gebracht. "Wir müssen uns unseres ersten Ministerpräsidenten nicht schämen, sondern wir können mit Respekt an ihn erinnern", bilanzierte Kirch abschließend.

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